OGH 3Ob57/14z

OGH3Ob57/14z25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2014, GZ 4 R 188/13s‑10, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Juni 2013, GZ 10 Cg 5/13k‑6, über Berufung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 326,94 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 KSchG berechtigter Verein. Die Beklagte betreibt bundesweit Bankgeschäfte.

Die Beklagte verwendet seit 3. Oktober 2011 bzw 1. Jänner 2013 bei Abschluss von Kreditverträgen mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen die folgende Klauseln enthalten:

„Entgelte und gesetzliche Gebühren für Verbraucher‑ und Kommerzkredite:

Bestätigungen/Duplikate/Entgelt für Restschuld‑ bestätigung 41,30 EUR“ und

„Entgelte und gesetzliche Gebühren für Verbraucher‑ und Kommerzkredite:

Rahmenkredit Kontoschließungsentgelt 15 EUR“.

Die Beklagte verweigerte die vom Kläger am 11. Dezember 2012 geforderte Abgabe einer Erklärung, die beiden beanstandeten Klauseln in Zukunft nicht mehr zu verwenden und/oder sich auf diese zu berufen.

Der Kläger begehrte, der Beklagten die Verwendung dieser oder sinngleicher Klauseln sowie die Berufung auf sie zu untersagen und ihm die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in einer Samstags‑Ausgabe der Kronen‑Zeitung zu erteilen. Die Klauseln verstießen gegen gesetzliche Verbote und die guten Sitten. Sie seien überdies intransparent.

Die Beklagte wendete ein, dass das Verbraucherkreditgesetz nur auf nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossene Verträge und darüber hinaus auch nicht auf alle Kreditverträge mit Verbrauchern anzuwenden sei. Das darauf nicht Bedacht nehmende Unterlassungsbegehren sei überschießend. Beide Klauseln seien darüber hinaus völlig klar und verständlich. Dem Kreditgeber stehe im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine objektiv gerechtfertigte Entschädigung für den aus der Rückzahlung entstehenden Vermögensnachteil zu. Die Restschuldbestätigung bewirke einen zusätzlichen, im Kreditvertrag nicht vorgesehenen Verwaltungsaufwand. Nicht jede Ausstellung einer Restschuldbestätigung führe auch zur vorzeitigen Rückzahlung des Kredits. § 10 VKrG gewähre den Verbrauchern nur die kostenlose Ausstellung eines genau geregelten Tilgungsplans; davon sei die Restschuldbestätigung zu unterscheiden. Die Verrechnung eines Kontoschließungsentgelts sei nur bei Kreditverträgen mit unbestimmter Dauer verboten, unbefristete Rahmenkreditverträge schließe die Beklagte aber nicht. Eine gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB liege nicht vor.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungs‑ und Veröffentlichungsbegehren statt. Die Information der Restschuldbestätigung sei im verpflichtend kostenfreien Tilgungsplan enthalten. Die Klausel sei intransparent, weil sie beim Verbraucher den Eindruck erwecke, er könne sich über seine noch offene Zahlungsverpflichtung nicht ohne Entgelt informieren. Die Vereinbarung eines Kontoschließungsentgelts sei im Hinblick auf das gemäß § 15 Satz 2 VKrG zustehende kostenlose Kündigungsrecht unzulässig. Darüber hinaus sei die Klausel auch gröblich benachteiligend, weil durch Nebenpflichten das Entgelt durch „die Hintertür“ erhöht werde.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichliche Klagestattgebung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die beanstandeten Klauseln bislang vom Obersten Gerichtshof nicht behandelt worden seien.

Auch die mit der vorzeitigen Darlehensrückzahlung verbundenen zusätzlichen Verwaltungskosten könnten nur unter den in § 16 Abs 2 und 3 VKrG normierten Voraussetzungen verlangt werden. Daraus folge, dass in der beanstandeten Klausel über das Entgelt für die Ausstellung der Restschuldbestätigung die Ausnahmetatbestände des § 16 Abs 2 VKrG berücksichtigt hätten werden müssen. So dürfte beispielsweise in jenen Fällen, in welchen die vorzeitige Rückzahlung mit einer Versicherungsleistung getätigt werde, keine Vorfälligkeitsentschädigung und damit auch kein Entgelt für die Erstellung der bei vorzeitiger Rückzahlung zu erteilenden Restschuldbestätigung verlangt werden. Da die beanstandete Klausel keine Ausnahmetatbestände vorsehe, verschleiere sie die Rechtslage. Dies führe zur Unzulässigkeit der gesamten Klausel infolge Intransparenz im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Die beanstandete Klausel über das Kontoschließungsentgelt erfasse nach ihrem Wortlaut auch solche Kreditverträge, für die gemäß § 15 VKrG die Verrechnung eines solchen Entgelts unzulässig wäre (Kreditverträge mit unbestimmter Laufzeit). Dadurch werde entgegen § 6 Abs 3 KSchG die Rechtslage verschleiert. Überdies verstoße die Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB. Die undifferenzierte Verrechnung eines Bearbeitungsentgelts bei jeder Kontoschließung sei gröblich benachteiligend, weil die im Zusammenhang mit der (insbesondere berechtigten) Auflösung des Vertragsverhältnisses durch den Kreditnehmer anfallenden Arbeiten keine Dienstleistung für den Kunden seien, sondern im eigenen Interesse des Kreditgebers liegen. Auch Entgeltsklauseln unterlägen der Kontrolle, wenn das vorgesehene Zusatzentgelt nicht zur Abgeltung einer nur aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall erforderlichen Mehrleistung diene, sondern als Entgelt für eine im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten verbundene Leistung vereinbart werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die gänzliche Abweisung des Unterlassungs‑ und Veröffentlichungsbegehrens anstrebt, ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG kann keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden; für eine geltungserhaltende Reduktion ist kein Raum. Ziel des KSchG ist es, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Der Richter hat nicht die Aufgabe, sich durch geltungserhaltende Reduktion zum Sachwalter des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu machen (RIS‑Justiz RS0038205). Im Rahmen der Verbandsklage hat die Auslegung von Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen und ist danach zu prüfen, ob ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten vorliegt (RIS‑Justiz RS0016590). Der Einwand, eine gesetzwidrige Klausel werde in der Praxis anders gehandhabt, ist im Verbandsprozess unerheblich (RIS‑Justiz RS0121943).

Gemäß § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RIS‑Justiz RS0122169). Das Transparenzgebot soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden (RIS‑Justiz RS0115217 [T3 und T8]). Aus dem Transparenzgebot kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RIS‑Justiz RS0115219). Zweck des Verbandsprozesses ist es nämlich nicht nur, das Verbot von Klauseln zu erreichen, deren Inhalt gesetzwidrig ist, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln (4 Ob 179/02f = SZ 2002/153; RIS‑Justiz RS0115219 [T1]).

Im Sinn dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht zutreffend beide hier beanstandeten Vertragsklauseln als intransparent beurteilt. Sowohl die undifferenzierte Vereinbarung eines Entgelts für eine Restschuldbestätigung als auch die ebenso undifferenzierte Vorschreibung eines Kontoschließungsentgelts für einen Rahmenkredit verschleiert die Rechtslage, weil einerseits die Ausnahmetatbestände des § 16 Abs 2 VKrG und andererseits die Anordnung des § 15 Satz 2 VKrG unberücksichtigt bleiben, wonach die Kündigung eines unbefristeten Kreditvertrags für den Verbraucher unentgeltlich bleiben muss.

Die Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes (§ 16 Abs 2 und 3 VKrG) sehen verschiedene absolut und relativ wirkende Einschränkungen des grundsätzlich angeordneten Entschädigungsanspruchs des Kreditgebers bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits durch den Kreditnehmer vor. In bestimmten Fällen (§ 16 Abs 2 Z 1 bis 4 VKrG) besteht überhaupt kein Entschädigungsanspruch, darüber hinaus gibt es ‑ in Abhängigkeit von der Kreditlaufzeit ‑ pauschale Höchstgrenzen (§ 16 Abs 3 Z 1 und 2 VKrG). Jedenfalls dann, wenn die Ausstellung der Restschuldbestätigung im unmittelbaren Zusammenhang mit der vorzeitigen Kreditrückzahlung steht, könnte die beanstandete Entgeltvereinbarung den zwingenden gesetzlichen Anordnungen (Entgeltbeschränkungen) widersprechen. Allein aus diesem Grund ist die beanstandete Klausel wegen Verschleierung der Rechtslage als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG zu beurteilen und zu verbieten.

Da die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten in die Zukunft wirkt, also nur Verstöße nach der Verurteilung erfasst, braucht nicht darauf Rücksicht genommen werden, dass früher Vertragsabschlüsse mit dem nunmehr beanstandeten Inhalt zulässig gewesen sein mögen. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes (Inkrafttreten am 10. Juni 2010) standen bereits in Geltung, als die hier beanstandeten Vertragsbedingungen von der Beklagten verwendet wurden (Stand vom 3. Oktober 2011 und 1. Jänner 2013).

In Ansehung der beanstandeten Vereinbarung des Kontoschließungsentgelts für Rahmenkredite wendet sich die Beklagte in ihrer Revision nur gegen das ihrer Ansicht nach auch nicht verbotswidrige Geschäftsfälle umfassende Unterlassungsbegehren, nicht aber gegen die dem Unterlassungsgebot der Vorinstanzen zu Grunde liegende Auffassung, dass die beanstandete Klausel nichtig im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB infolge gröblicher Benachteiligung des Kunden sei. Da allein diese (zutreffende § 510 Abs 3 ZPO) Annahme das Unterlassungsgebot trägt, braucht auf die weiteren Revisionsargumente nicht eingegangen zu werden.

Die insgesamt unberechtigte Revision muss daher scheitern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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