OGH 11Os41/14k

OGH11Os41/14k17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rasim R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens hinsichtlich des Beschlusses der Präsidentin des Landesgerichts Linz vom 14. April 2014, AZ 35 Ns 22/14p, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107953

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 26. November 2012, GZ 22 Hv 93/11h‑59, wurde Razim R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2014 wies der Einzelrichter des Landesgerichts Linz, Dr. N*****, den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ab (ON 87). Der dagegen vom Antragsteller erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz Folge, weil die Entscheidung über eine Wiederaufnahme eines Verfahrens mit schöffengerichtlicher Zuständigkeit dem Landesgericht als Senat von drei Richtern obliegt. Zudem hob es den Beschluss auf und trug dem Landesgericht Linz die neue Entscheidung auf.

Der nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichts Linz gemäß § 31 Abs 6 Z 2 StPO zur Entscheidung als Vorsitzender des Senats berufene Dr. N***** zeigte aufgrund seiner Vorentscheidung (ON 87) die auf § 43 Abs 4 StPO gegründete Ausgeschlossenheit an.

Mit Beschluss vom 14. April 2014, AZ 35 Ns 22/14p, stellte die Präsidentin des Landesgerichts Linz fest, dass die vom Richter aufgezeigten Umstände keine Ausgeschlossenheit begründen (ON 96).

Am 16. April 2014 lehnte das Landesgericht Linz durch einen Senat von drei Richtern unter dem Vorsitz des Dr. N***** die Wiederaufnahme des Strafverfahrens des Razim R***** ab (ON 97).

Mit am 28. April 2014 eingebrachtem Schriftsatz begehrt Razim R***** die Erneuerung des Verfahrens über die Ausschließung gemäß § 363a StPO mit der Begründung, die Präsidentin habe durch die bekämpfte Beschlussfassung Grundsätze des fairen Verfahrens nach Art 6 Abs 1 MRK verletzt. Zeitgleich mit dem Erneuerungsantrag brachte der Verurteilte eine unter anderem die Verletzung des bezeichneten Grundrechts mit demselben Vorbringen relevierende Beschwerde gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens ablehnenden Beschluss des Dreirichtersenats des Landesgerichts Linz vom 16. April 2014, GZ 22 Hv 93/11h‑97, ein.

Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737). Ein Zulässigkeitskriterium ist die Ausschöpfung des Instanzenzugs nach Art 35 Abs 1 MRK, die dem Erneuerunsgsantrag hier mangels Abwartens einer (abschlägigen) Entscheidung des an die Rechtsansicht der Präsidentin des Landesgerichts nicht gebundenen Oberlandesgerichts (vgl § 45 Abs 3 StPO) entgegensteht.

Der Antrag auf Erneuerung war daher schon aus diesem Grund in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass Art 6 Abs 1 MRK im Verfahren über die (weder über die Schuld noch über die Nichtschuld des Angeklagten entscheidende) Ausschließung von Richtern keine Anwendung findet (12 Os 65/11t; vgl Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 26; Fabrizy, StPO11 Art 6 MRK Rz 1).

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