OGH 15Os61/14f

OGH15Os61/14f27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bekim H***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Februar 2014, GZ 8 Hv 77/12s-108, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107775

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Februar 2014, GZ 8 Hv 77/12s-108 verletzt

1./ durch die bedingte Nachsicht eines Teils der dreimonatigen Freiheitsstrafe § 43a Abs 3 StGB;

2./ durch die Unterlassung der Bedachtnahme auch auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2013, GZ 76 Hv 30/13g-121, § 31 Abs 1 StGB.

Das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Februar 2014, GZ 8 Hv 77/12s-108, wird in seinem Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 26. November 2012, GZ 8 Hv 77/12s‑63, wurde Bekim H***** der Vergehen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG idF BGBl I 2009/122 (I./), des Verbrechens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB (II./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./B./1./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./B./2./) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II./B./3./) schuldig erkannt.

Gegen dieses, vom Angeklagten nicht angefochtene Urteil meldete die Staatsanwaltschaft Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an (ON 65).

In der Folge wurde Bekim H***** mit dem sogleich nach Urteilsverkündung in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2013, GZ 76 Hv 30/13g‑121, wegen von Anfang 2012 bis Oktober 2012 begangener Taten des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (A./I./) und der Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 3 StGB (C./), der Verleumdung nach §§ 12 zweiter Fall, 297 Abs 1 erster Fall StGB (F./) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (H./I./) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt, wobei nach § 43a Abs 4 StGB der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hob mit Urteil vom 6. Juni 2013, AZ 23 Bs 92/13t, in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit das eingangs erwähnte Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 26. November 2012 im Freispruchfaktum I./1./ und im Schuldspruchfaktum II./B./2./ sowie in den Aussprüchen über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche auf, wies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und gab der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Schuld nicht Folge (ON 94). Für die weiters dem Angeklagten zur Last liegenden strafbaren Handlungen verhängte es über diesen unter Bedachtnahme nach §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2013, AZ 76 Hv 30/13g, eine Zusatzstrafe von neun Monaten, wovon nach § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Februar 2014, GZ 8 Hv 77/12s‑108, wurde Bekim H***** schließlich im zweiten Rechtsgang wegen zwischen 26. März und 10. Mai 2012 begangener Taten des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB (1./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme (§§ 31, 40 StGB) auf das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 26. November 2012, GZ 8 Hv 77/12s‑63, „iVm dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 6. Juni 2013, AZ 23 Bs 92/13t“, nicht aber auch auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2013, GZ 76 Hv 30/13g-121, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wovon nach § 43a Abs 3 StGB ein Teil von zwei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der unbedingte Strafteil wurde durch die angerechnete Vorhaft verbüßt (ON 108 S 3).

Rechtliche Beurteilung

Der zuletzt bezeichnete Strafausspruch des Landesgerichts Eisenstadt steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt ‑ mit § 43a Abs 3 erster Satz StGB nicht im Einklang.

Nach dieser Bestimmung ist die bedingte Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nur zulässig, wenn das Ausmaß der im Urteil ausgesprochenen Freiheitsstrafe mehr als sechs Monate beträgt. Dies gilt auch bei Verhängung einer Zusatzstrafe nach §§ 31 und 40 StGB. In diesem Fall ist allein die Höhe der verhängten Zusatzstrafe (die einen eigenständigen Strafausspruch bildet) maßgebend, aber nicht die unter Einrechnung der im zeitlich vorangegangenen Urteil ausgesprochene Freiheitsstrafe sich ergebende „Gesamtstrafe“ (RIS-Justiz RS0090944; Ratz in WK² StGB § 31 Rz 7; Fabrizy, StGB11 § 31 Rz 13 jeweils mwN).

Das Landesgericht Eisenstadt, das die Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe nach § 43 Abs 1 StGB nicht für gegeben erachtete, hätte daher ‑ bei richtiger Gesetzesanwendung ‑ nicht einen Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachsehen dürfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 StPO), dass der Strafausspruch des angefochtenen Urteils überdies dahingehend rechtsfehlerhaft ist, dass eine Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auch auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. April 2013, GZ 76 Hv 30/13g‑121, unterblieb (RIS-Justiz RS0112524).

Weil nicht auszuschließen ist, dass sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, war der Strafausspruch des Urteils zu kassieren und die Sache in diesem Umfang dem Landesgericht Eisenstadt zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 292 letzter Satz letzter Fall StPO).

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