European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00028.14K.0430.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Umfang der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 54 EUR für den Zeitraum 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 und im Umfang der Verpflichtung zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 41 EUR ab Jänner 2012 sowie im Umfang der Abweisung eines Mehrbegehrens für den Zeitraum 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 von monatlich 88,20 EUR und ab Jänner 2012 von 100,80 EUR monatlich als unbekämpft unberührt bleiben, werden im Übrigen, somit im Umfang eines begehrten monatlichen Unterhaltsbeitrags von 7,80 EUR für den Zeitraum 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 und eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 8,20 EUR ab Jänner 2012 aufgehoben. Dem Erstgericht wird in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge immer: Klägerin) verband mit ihrer am 11. November 2011 eingebrachten Unterhaltsklage den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge immer: Beklagter) aufgetragen werden sollte, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterhaltsklage vorläufig einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 150 EUR zu zahlen.
Die Klägerin bescheinigte, dass sie zwischen Mai 2011 und Dezember 2011 eine österreichische Nettopension von 696,62 EUR (14 x jährlich) und eine Ausgleichszulage von 10 EUR erhielt. Der in diesem Zeitraum anfallende Krankenversicherungsbeitrag betrug monatlich 36,04 EUR. Dazu erhielt die Klägerin eine slowenische Nettopension von 57,68 EUR monatlich.
Ab 1. Jänner 2012 bezog die Klägerin eine monatliche österreichische Nettopension von 715,43 EUR (14 x jährlich) zuzüglich einer Ausgleichszulage von 10 EUR 14 x jährlich. Der Krankenversicherungsbetrag betrug in diesem Zeitraum monatlich 37 EUR; die monatliche slowenische Nettopension betrug unverändert 57,68 EUR.
Als anrechenbares Nettoeinkommen des Beklagten behauptete die Klägerin in der ‑ über Auftrag des Erstgerichts verbesserten ‑ Klage ein Nettopensions-einkommen des Beklagten von ca 1.330 EUR (12 x jährlich) und eine slowenische Nettopension von ca 65 EUR monatlich (ebenfalls 12 x jährlich); insgesamt somit ein anrechenbares monatliches Nettoeinkommen von ca 1.395 EUR.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 trug das Erstgericht dem Beklagten auf, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Beschlusses einen Zustellbevollmächtigten im Inland namhaft zu machen. Diesen Beschluss, ferner den Auftrag vom 9. Dezember 2011, sich gemäß § 56 EO binnen 14 Tagen zum Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts zu äußern sowie die Unterhaltsklage und den Sicherungsantrag ließ das Erstgericht ‑ ohne Anschluss einer Übersetzung in die bosnische Sprache ‑ im Rechtshilfeweg über das Bundesministerium für Justiz zustellen.
Der Beklagte behob die Sendung nicht und äußerte sich nicht.
Die Vorinstanzen, die von der wirksamen Zustellung, ua des Auftrags vom 9. Dezember 2011 ausgingen, bestimmten den vom Beklagten zu leistenden einstweiligen Unterhalt unter Anwendung österreichischen Rechts ausgehend von den Angaben der Klägerin in der Unterhaltsklage und dem Sicherungsantrag.
Das Erstgericht erließ mit Beschluss vom 31. Mai 2012 eine einstweilige Verfügung, womit es dem Beklagten auftrug, der Klägerin vom 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 54 EUR und ab 1. Jänner 2012 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 41 EUR zu zahlen. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin ‑ die die erstinstanzliche Entscheidung (lediglich) dahin bekämpfte, dass der Klägerin für den Zeitraum 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 nicht insgesamt 61,80 EUR und ab 1. Jänner 2012 nicht insgesamt 49,20 EUR zugesprochen wurden ‑ nicht Folge. Es sprach ‑ über Zulassungsvorstellung der Klägerin ‑ nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rechtsprechung zur Frage der Anrechnung der Ausgleichszulage als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten uneinheitlich sei. Ob die jüngere Rechtsprechung, die die Ausgleichszulage als nicht anrechenbares Eigeneinkommen qualifiziere, bereits als gefestigt anzusehen sei, bleibe der Beurteilung des Höchstgerichts vorbehalten.
Inhaltlich korrigierte das Rekursgericht einen Rechenfehler des Erstgerichts; gelangte aber im Hinblick darauf, dass es ‑ anders als das Erstgericht ‑ die Ausgleichszulage als Eigeneinkommen der Klägerin wertete, rechnerisch zu einer Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses, wobei es den von der Klägerin zu leistenden Krankenversicherungsbeitrag nur für zwölf Monate pro Jahr berücksichtigte.
Mit ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs strebt die Klägerin eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin an, dass ihr für den Zeitraum ab 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 insgesamt 61,80 EUR und ab 1. Jänner 2012 insgesamt 49,20 EUR zugesprochen werden.
Der Revisionsrekurs verweist auf die neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine vom unterhaltsberechtigten Ehegatten bezogene Ausgleichszulage kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten darstelle.
Rechtliche Beurteilung
Der trotz des Entscheidungsgegenstands nicht jedenfalls unzulässige (4 Ob 86/12v) Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht und von der Klägerin bezeichneten Grund zulässig.
Er ist im Sinne seines Eventualantrags auf Aufhebung im Umfang der Anfechtung auch berechtigt.
1. Wie im Beschluss des Senats vom 15. Mai 2013, AZ 3 Ob 56/13a, ausführlich dargelegt, ist zunächst keine einzige Zustellung im Verfahren an den Beklagten ordnungsgemäß erfolgt.
Der Akt wurde daher an das Erstgericht mit dem Auftrag übermittelt, eine Zustellung der Rekursentscheidung und des von der Klägerin erhobenen Revisionsrekurses an den Beklagten zu veranlassen.
Diese Zustellungen sind nun erfolgt; der Beklagte beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.
2. Daraus folgt zunächst, dass sowohl der Zuspruch (54 EUR monatlich von 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 und 41 EUR monatlich ab Jänner 2012) als auch die von der Klägerin nicht mehr bekämpfte Abweisung des Mehrbegehrens für die genannten Zeiträume rechtskräftig sind.
3. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist daher nur noch die von der Klägerin begehrte Differenz zwischen 61,80 EUR und 54 EUR für den Zeitraum von 11. November 2011 bis 31. Dezember 2011 (7,80 EUR monatlich) und die Differenz zwischen den begehrten 49,20 EUR und den zugesprochenen 41 EUR für die Unterhaltsperioden ab Jänner 2012 (8,20 EUR monatlich).
4. Die Zustellung der Rekursentscheidung und des Revisionsrekurses an den Beklagten sanierte zwar die Nichtigkeit der Rekursentscheidung, die darin begründet lag, dass dem Beklagten im Rekursverfahren das Gehör entzogen wurde.
Allerdings fehlt es nach wie vor an einer wirksamen Zustellung des Auftrags gemäß § 56 EO ebenso wie an einer Zustellung des Sicherungsantrags selbst.
5. Daraus folgt aber, dass das von den Vorinstanzen angenommene Zugeständnis des Beklagten zu den Behauptungen der Klägerin über sein anrechenbares Nettoeinkommen nicht auf die mangelnde Äußerung des Beklagten und somit auf die Zustimmungsfiktion § 56 EO gegründet werden kann.
6. Einer „Umdeutung“ des vom Erstgericht erkennbar beabsichtigten zweiseitigen Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung in ein einseitiges Verfahren ohne Gehör des Beklagten in erster Instanz und damit einer inhaltlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs steht entgegen, dass das Einkommen des Beklagten nicht bescheinigt ist.
7. Die Klägerin ist durch Gegenüberstellung der wechselseitigen monatlichen Nettoeinkommen und Darlegung einer Einkommensdifferenz ihrer Behauptungspflicht ausreichend nachgekommen (6 Ob 210/06k = RIS‑Justiz RS0114824 [T5]) und hat zur Bescheinigung des Einkommens des Beklagten die Parteieneinvernahme angeboten.
8. Bei dieser Sachlage ist eine Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung unumgänglich.
Das Erstgericht hat das von der Klägerin angebotene Bescheinigungsmittel der Parteieneinvernahme durchzuführen und danach Feststellungen zum Einkommen des Beklagten zu treffen.
Von der Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens wird das Erstgericht nur absehen können, wenn sich der Beklagte nach ordnungsgemäßer Zustellung des Sicherungsantrags unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 56 EO nicht äußert. Dann nämlich wäre der Unterhaltsbemessung tatsächlich die von der Klägerin behauptete Nettopension des Beklagten zugrunde zu legen.
Jedenfalls wird das Erstgericht zu beachten haben, dass nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegen der Auffassung des Rekursgerichts die vom Unterhaltsberechtigten bezogene Ausgleichszulage wegen ihres subsidiären, sozialhilfeähnlichen Charakters kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten darstellt (3 Ob 160/08p SZ 2008/143; RIS‑Justiz RS0124102).
9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf § 393 Abs 1 EO.
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