OGH 1Ob47/14i

OGH1Ob47/14i24.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** E*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 47.335 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2013, GZ 5 R 133/13p‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Mai 2013, GZ 17 Cg 5/12s‑20, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.659,45 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

In der Nacht vom 23. auf den 24. 5. 2009 wurde in die Wohnung des Klägers in Graz eingebrochen. Mit Urteil eines Schöffengerichts vom 16. 6. 2010 wurden Ing. B***** D***** und ein weiterer Täter wegen dieses Einbruchsdiebstahls rechtskräftig verurteilt und verpflichtet, dem Kläger als Privatbeteiligten 47.335 EUR zu ersetzen. Der Bundesminister für Inneres gab mit Bescheid vom 20. 9. 2011 dem Antrag des Klägers auf Schadenersatz nach dem Polizeibefugnis‑Entschädigungsgesetz nicht statt.

Der Kläger begehrte die Zahlung des ihm als Privatbeteiligten im Strafverfahren zugesprochenen Betrags, der nicht eingebracht werden könne. Ein Verurteilter sei schon geraume Zeit als Täter in Verdacht gestanden, Einbrüche zu organisieren oder durchzuführen. Sein Fahrzeug sei mit einem Peilsender versehen worden. Zusätzlich sei eine Rufdatenerfassung durchgeführt worden. Beide Überwachungsmaßnahmen seien im Stadtgebiet von Graz erfolgt. Obwohl der Einbruch in seine Wohnung schon am 24. 5. 2009 Morgens angezeigt worden und aufgrund der Peilung des Fahrzeugs und der Rufdatenerfassung klar gewesen sei, wer der Täter gewesen sei, habe die Kriminalpolizei aus kriminaltechnischen Gründen keinen Zugriff unternommen, offenkundig um die Hintermänner auszuforschen. Die beklagte Republik Österreich habe nach § 23 iVm § 92 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) verschuldensunabhängig den Schaden zu ersetzen. Hilfsweise werde der Ersatzanspruch auf Amtshaftung gestützt, weil ein Organisationsverschulden vorgelegen sei.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, dass der Kläger vorerst konkret drei andere Personen verdächtigt habe und auch ein anonymer Anrufer diese Personen angeblich in Tatortnähe beobachtet habe, als sie mehrere Handtaschen und Koffer in einen PKW eingeladen hätten. Der Verdacht gegen diese Personen sei erst durch die folgenden Ermittlungen ausgeräumt worden. Das Fahrzeug des später verurteilten Täters, der bei den Einbruchsdiebstählen als Mitglied einer Bande in der Regel als Fahrer fungiert habe, sei auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft mit einem technischen Überwachungsmittel versehen worden, um Erkenntnisse zum Bewegungsprofil zu gewinnen. Eine Auswertung online sei der Polizei aber nicht zumutbar gewesen. Dass ein Zugriff auf den Täter nicht unmittelbar nach Anzeige des Einbruchs beim Kläger erfolgt sei, sei nicht auf kriminaltaktische Erwägungen zurückzuführen gewesen, sondern auf den Tatverdacht gegen andere Personen. Erst nach Auswertung des Bewegungsprofils des Fahrzeugs sei die Verdachtslage gegen den Täter konkreter geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte unter anderem Folgendes fest:

Im Zusammenhang mit einer Reihe von Einbruchsdiebstählen in Einfamilienhäuser in den Bezirken Graz und Graz‑Umgebung seit dem 28. 10. 2008 führten die Beamten des Landespolizeikommandos Steiermark, Landeskriminalamt Ermittlungsbereich Diebstahl, Ermittlungen gegen vorerst unbekannte Täter. Im Anlassbericht vom 12. 1. 2009 wurde festgehalten, dass in der Zeit zwischen 28. 10. 2008 und 8. 1. 2009 insgesamt zehn Dämmerungseinbruchsdiebstähle durch bis dato unbekannte Täter verübt worden seien. Die Hausbesitzer seien jeweils zu den Tatzeiten wegen eines Todesfalls und einer deshalb stattgefunden Zusammenkunft zur Agape nicht im Wohnhaus anwesend gewesen. Angemerkt wurde, dass in allen Fällen Angehörige der Verstorbenen Ort und Zeit der Begräbnisfeierlichkeiten und der Agape in einer Zeitung annonciert hätten und entsprechende Partezettel aufgelegt worden seien. Eine weitere auffallende Parallele habe sich in der Tatsache gezeigt, dass an sämtlichen Tatorten (Einfamilienhäuser) Festnetzanschlüsse vorhanden gewesen seien und die unbekannten Täter diesen Umstand mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei genutzt haben dürften, um vor Ausführung der Straftat sogenannte Kontroll‑ oder Schweigeanrufe an diesen Festnetzanschlüssen zu tätigen. Diese professionelle Vorgangsweise habe in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Dämmerungseinbruchsdiebstählen immer wieder festgestellt werden können. Von den erhebenden Beamten wurde eine Rufdatenrückerfassung betreffend sämtlicher an den Tatorten installierten Festnetzanschlüssen dringend angeregt. Weiters sollten die Verkehrsdaten sowie laufende Standortpeilungen hinsichtlich eines der bei einem der Einbruchsdiebstähle gestohlenen Mobiltelefone durchgeführt werden. Mit diesen Maßnahmen sollte festgestellt werden, von welchen Rufnummern aus die Festnetzanschlüsse der Opfer Ziele einer Übertragung von Nachrichten (Kontrollanrufe) waren. Weiters sollte verifiziert werden, ob die entwendeten Mobiltelefone durch die unbekannte Täterschaft nach Begehung der Straftat weiter in Verwendung waren und von welchen Standorten aus mit welchen Rufnummern Kontakt aufgenommen wurde. Gemäß der Anregung der Kriminalbeamten ordnete die Staatsanwaltschaft Graz nach gerichtlicher Bewilligung durch den Haft‑ und Rechtsschutzrichter die Erteilung einer Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung an.

Am 26. 2. 2009 gab ein Zeuge im Zuge seiner Vernehmung an, dass er am 18. 2. 2009, gegen 18:15 Uhr mit seinem Klein‑LKW in Hart bei Graz gefahren sei. Als er sich dem Einfahrtstor zu seiner Ackerfläche genähert habe, habe er direkt vor dem Tor einen abgestellten dunkelgrauen PKW bemerkt. Er habe den Lenker des Fahrzeugs zur Rede stellen und ihn ersuchen wollen, von dort wegzufahren. Er habe seinen Klein‑LKW direkt hinter dem PKW gestellt und sich einige Schritte zur Lenkerseite des vor ihm stehenden PKW begeben. Als er auf Höhe des Lenkers gestanden sei, habe der ihm unbekannte Mann die Fensterscheibe heruntergelassen. Beinahe zur gleichen Zeit seien plötzlich zwei weitere Männer zum Kfz gerannt und hastig in den Fonds des markanten PKW eingestiegen. Der Lenker habe sofort das Auto gewendet. Erst nachdem der Zeuge einige Meter neben dem PKW hergegangen sei, habe er den ihm unbekannten Mann am Lenkerplatz auffordern können, von dort wegzufahren. Der Zeuge beschrieb das Aussehen des Lenkers und gab an, dass dieser ein flüssiges Deutsch gesprochen habe, jedoch ein deutlicher Akzent hörbar gewesen sei. Nachdem ihm in der Folge ein Foto eines der später verurteilten Täter gezeigt worden war, gab der Zeuge dazu an, dass die Person auf dem Foto eine sehr große Ähnlichkeit mit dem Lenker des Fahrzeugs habe. Im Zuge von selbst durchgeführten Recherchen fand der Zeuge heraus, dass es sich bei dem beobachteten Fahrzeug um eines der Type Lancia Thesis gehandelt hatte.

Im Anlassbericht vom 3. 4. 2009 wurde festgehalten, dass eine Rufdatenauswertung durchgeführt worden sei, laut der an den Festnetzanschlüssen der Einbruchsopfer keine täterrelevanten Anrufe eingegangen seien. Am 27. 1. 2009 gegen 18:45 Uhr war von der Besatzung eines Zivilstreifenwagens eine Überwachung im Zuge einer Schwerpunktaktion im Zusammenhang mit Einbrüchen während Begräbnisfeierlichkeiten durchgeführt worden. Im Zuge dieser Überwachung wurde eine dunkle Limousine, ähnlich einem Rolls‑Royce, wahrgenommen und dazu im Bericht bemerkt, dass der PKW der Type Lancia Thesis eine sehr große Ähnlichkeit mit einer Limousine der Type Rolls‑Royce aufweise und deshalb eine Verwechslung durchaus möglich erscheine. Aufgrund der Angaben des Zeugen zu dem als verdächtig in Erscheinung getretenen Fahrzeugs Lancia Thesis seien Ermittlungen durchgeführt worden. Im Zuge einer durchgeführten Kennzeichenverknüpfungsanfrage habe der PKW Lancia Thesis mit einem Kennzeichen eruiert werden können, das auf den bosnischen Staatsangehörigen Ing. B***** D*****, der bisher polizeilich nicht in Erscheinung getreten sei, registriert worden. Der Zeuge sei im Zuge einer Lichtbildvorlage in der Lage gewesen, Ing. D***** mit hoher Wahrscheinlichkeit als jene Person wiederzuerkennen, die er am 18. 2. 2009 ersucht habe, als Lenker des genannten PKWs von seiner Grundstückseinfahrt wegzufahren. Nach den Ermittlungen sei Ing. D***** derzeit als Innenausbauer tätig und benütze seine Kfz auch für Fahrten zu verschiedenen Baustellen. Die Meldeadresse in Graz diene ihm als tatsächliche Unterkunft, weil sein PKW in den Abendstunden dort abgestellt sei. Der ebenfalls auf ihn zugelassene PKW Saab 9000 habe bis dato nicht gesichtet werden können. Einer der beiden Mitbewohner sei in Ungarn bereits wegen Diebstahls polizeilich in Erscheinung getreten. Aufgrund der vorliegenden Verdachtsmomente sei ein Zusammenhang zwischen Ing. D*****, seinen beiden Mitbewohnern und den Einbruchsdiebstählen in Wohnhäuser als äußerst wahrscheinlich anzunehmen. Insbesondere erschienen die neu gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die bis dato noch ungeklärten Einbruchsdiebstähle in Einfamilienhäuser während Begräbnisfeierlichkeiten von höchster Wichtigkeit. Wegen der Wahrnehmungen des Zeugen und der dadurch gewonnen Erkenntnisse müsse davon ausgegangen werden, dass Ing. D***** seinen PKW für Einbruchsfahrten verwende, dabei als Lenker des Fluchtfahrzeugs fungiere, wenn auch vermutlich seine Mitbewohner die Einbrüche als unmittelbare Täter begingen.

Am 8. 4. 2009 ordnete die Staatsanwaltschaft Graz die im Ermittlungsbericht angeregte Observation Ing. D*****s durch Anbringung eines Peilsenders an dessen PKW Lancia Thesis für die Zeit von 14. 4. bis 13. 5. 2009 an. Laut Anlassbericht vom 14. 5. 2009 brachte diese angeordnete Observation folgendes Ergebnis: Im Zuge der Ermittlungen zum Aufenthaltsort des Verdächtigen konnte festgestellt werden, dass dieser sich von seiner bisherigen Wohnadresse amtlich abgemeldet habe und bis dato „nach unbekannt“ verzogen sei. Am 6. 5. 2009 sei sein PKW im Stadtgebiet von Graz gesichtet worden. Es sei auch an diesem Tag möglich gewesen, einen Peilsender am PKW anzubringen. Die nachfolgende Auswertung der Standortkoordination des PKW habe bis dato keine Verbindung zu konkreten Straftaten ergeben. Es sei jedoch ermittelt worden, dass der Verdächtige ein sehr ausgeprägter Glücksspieler sei, der den überwiegenden Teil des Tages und der Nacht mit Glücksspielautomaten verbringe. Nachdem er offensichtlich über kein geregeltes Einkommen durch legale Erwerbstätigkeit verfüge, bestehe der dringende Verdacht von kriminellen Handlungen. Nach seinem Lebenswandel sei darauf zu schließen, dass er durch die Begehung von bis dato unbekannten strafbaren Handlungen über ein Einkommen verfüge. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts werde um eine Verlängerung der Observation einschließlich der Weiterverwendung des am PKW angebrachten Peilsenders ersucht. Am 14. 5. 2009 ordnete die Staatsanwaltschaft Graz neuerlich die Observation durch Anbringung eines Peilsenders für die Zeit vom 14. 5. bis 13. 6. 2009 an.

In der Nacht vom 23. auf den 24. 5. 2009 wurde in die Wohnung des Klägers eingebrochen. Der Kläger und seine Ehefrau hatten diese am 23. 5. 2009 um 19:30 Uhr verlassen. Als die Ehefrau des Klägers am 24. 5. 2009 um 5:00 Uhr nach Hause kam, bemerkte sie den Einbruch. Sie verständigte den Kläger, der sich sofort zur Wohnung begab und den Vorfall der Polizei meldete. Den ermittelnden Beamten gegenüber gab er an, dass lediglich seine Frau, die Reinigungskraft und er über einen Schlüssel zur Wohnung verfügten. Dass soviel Bargeld zu Hause sei, habe nur er gewusst, es könne aber sein, dass die Reinigungskraft beim Aufräumen den hohen Bargeldbetrag gefunden habe.

Der Kläger schaltete in der Folge in einer Zeitschrift ein Inserat mit der Bitte um Hinweise. Am 2. 6. 2009 teilte ein anonymer Anrufer dem Stadtpolizeikommando Graz mit, zur fraglichen Tatzeit ein Pärchen in unmittelbarer Tatortnähe beobachtet zu haben, welches mehrere Handtaschen und Koffer in einen PKW eingeladen habe. Aufgrund der Angaben des Zeugen konnte der Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs ausfindig gemacht werden, bei dem es sich um den Ehemann der Reinigungskraft des Klägers handelte. Da der Kläger diese bereits verdächtigt hatte, führte die Kriminalpolizei an deren Wohnadresse eine freiwillige Nachschau durch und vernahm die verdächtigten Personen. Im Zuge dieser Erhebungen konnten jedoch keinerlei Hinweise gefunden werden, die den vom anonymen Zeugen geäußerten Tatverdacht bestätigt hätten.

Zum Zeitpunkt des Einbruchs in die Wohnung des Klägers hatten die erhebenden Polizeibeamten schon Informationen von dem am Fahrzeug des später verurteilten Täters angebrachten Peilsender. Die Ermittlungen gingen damals aber noch gegen unbekannte Täter. Zum damaligen Zeitpunkt war ein Naheverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Ex‑Schwager nicht bekannt. Dieser war zum Zeitpunkt des Einbruchsdiebstahls auch noch nicht Verdächtiger. Die Ermittlungen wurden aufgrund des konkreten Hinweises auf die Reinigungskraft des Klägers und deren Ehemann vorerst in diese Richtung geführt. Nach dem Einbruchsdiebstahl in die Wohnung des Klägers konnte aufgrund der Informationen des Peilsenders ermittelt werden, dass Ing. D***** sich mit seinem Fahrzeug im Bereich eines Weges aufgehalten hatte, bei dem mehrere Einfamilienhäuser liegen, darunter auch das Haus des Ex‑Schwagers des Klägers. Eine konkrete Zuordnung zu dessen Haus war jedoch nicht möglich, weil er erst später als Verdächtiger hinzukam.

Am 8. 6. 2009 wurde zwischen 3:00 Uhr und 3:30 Uhr in ein Wohnhaus in Baumgarten bei Gnas eingebrochen. Im Anlassbericht vom 10. 6. 2009 wurde festgehalten, dass der observierte Lancia vom 7. 6. 2008, 19:26 bis 19:58 Uhr (Auskundschaftung des Tatorts) sowie von 22:12 Uhr bis 8. 6. 2009, 4:06 Uhr (weiteres Auskundschaften und Tatbegehung) im unmittelbaren Nahebereich des Tatobjekts bewegt bzw mehrfach abgestellt worden sei. Am 15. 6. 2009 ordnete die Staatsanwaltschaft Graz die Verlängerung der Observation durch Anbringung des Peilsenders vom 14. 6. bis 13. 7. 2009 an. Im Anlassbericht vom 16. 6. 2009 wurde festgehalten, dass im Zuge der weiteren Ermittlungen gegen Ing. D***** die Rufnummer des von diesem aktuell verwendeten Mobiltelefons in Erfahrung gebracht werden habe können. Um konkrete Ermittlungsansätze zu der in Frage stehenden Einbruchsserie im Zusammenhang mit Begräbnisfeierlichkeiten sowie des am 8. 6. 2009 erfolgten Einbruchsdiebstahls finden zu können, wurde die Auswertung der Verkehrsdaten sowie Standortbestimmungen des Mobiltelefons des Genannten für die vergangenen sechs Monate dringend angeregt. Am 17. 6. 2009 ordnete die Staatsanwaltschaft Graz nach Bewilligung durch den Haft- und Rechtsschutzrichter die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten und Standortkoordinaten des Mobiltelefonanschlusses des genannten Verdächtigen rückwirkend für den Zeitraum vom 17. 12. 2008 bis 17. 6. 2009 an. Am 8. 7. 2009 ordnete sie neuerlich die Observation durch Anbringung eines Peilsenders für die Zeit vom 14. 7. bis 13. 10. 2009 an.

Nach Auswertung der Rufdatenrückerfassung und der Bewegungsaufzeichnungen stand der Observierte im Verdacht, im Zusammenwirken mit weiteren unbekannten Tätern zwanzig Einbruchsdiebstähle ‑ darunter auch den Einbruch in die Wohnung des Klägers ‑ begangen zu haben, wobei er sich zum Zeitpunkt seiner Handlungen mit seinem Mobiltelefon und/oder seinem Fahrzeug jeweils in unmittelbarer Tatortnähe aufgehalten haben solle. Dies wurde der Staatsanwaltschaft Graz mit Anlassbericht vom 14. 9. 2009 mitgeteilt. Nach richterlicher Bewilligung ordnete die Staatsanwaltschaft Graz eine Rufdatenerfassung für die Zeit vom 17. 6. bis 24. 9. 2009 und die Telefonüberwachung vom 25. 9. bis 25. 12. 2009 an. Nach Auswertung dieser Telekommunikationsüberwachung konnte der Kontakt des Beschuldigten zum Ex‑Schwager des Klägers rekonstruiert und aufgrund der Daten des Peilsenders dessen Wohnadresse ausfindig gemacht werden. Am 29. 10. 2009 wurden Ing. D*****, der Ex‑Schwager des Klägers und ein weiterer Täter bei einem Einbruchsdiebstahl auf frischer Tat betreten und festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Graz ordnete nach gerichtlicher Bewilligung die Durchsuchung unter anderem des Einfamilienhauses des Ex‑Schwagers an. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Diebesgut aus der Wohnung des Klägers tatsächlich dort hingebracht und dort gelagert worden war, sowie wann und auf welche Weise die Täter die Beute verwerteten. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Diebesgut im Fall eines früheren Zugriffs auf Ing. D***** sichergestellt worden wäre.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Kriminalpolizei nach den Feststellungen nicht vorsätzlich davon Abstand genommen habe, dem Einbruchsdiebstahl in die Wohnung des Klägers durch Zugriff auf den Beschuldigten vorzubeugen. Es finde sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass mit der Festnahme des Beschuldigten in der Folge trotz ausreichender Ermittlungsergebnisse vorsätzlich zugewartet worden wäre und deshalb das Diebesgut nicht mehr rechtzeitig sichergestellt habe werden können. Aufgrund der Angaben des Klägers sei zunächst gegen dessen Reinigungskraft und deren Ehemann ermittelt worden. Der Tatverdacht gegen den observierten Beschuldigten habe sich erst im Zusammenhang mit neuerlichen Einbruchsdiebstählen und der im Juni 2009 angeordneten Rufdatenrückerfassung erhärtet. Der Kontakt des Beschuldigten zum Ex‑Schwager des Klägers und die Bedeutung von dessen Wohnadresse seien erst nach der Telefonüberwachung im Oktober 2009 offenbar geworden. Eine verschuldensunabhängige Haftung der Republik Österreich iSd § 92 Z 1 SPG scheide daher aus. Ein Amtshaftungsanspruch des Klägers scheitere daran, dass den ermittelnden Behörden weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden könne. Darüber hinaus sei auch die Kausalität des Handelns für den Eintritt des Schadens nicht hinreichend dargelegt worden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Täter nach einer zusätzlichen Telekommunikationsüberwachung schließlich aufgegriffen und überführt worden seien, sei auch ein Organisationsverschulden auszuschließen. Selbst bei früherer Auswertung der Daten des Peilsenders hätte die viermalige kurzzeitige Peilung bei der Adresse des Ex‑Schwagers des Klägers innerhalb eines Zeitraums von mehr als zwei Monaten neben den vielen anderen vermerkten Standorten des Kfz nicht zwangsweise einen Schluss auf das mutmaßliche Depot des Diebesguts im Einfamilienhaus des Ex‑Schwagers zugelassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich erwog es, dass eine Eingriffshaftung des Bundes nach § 92 SPG, die weder rechtswidriges noch schuldhaftes Verhalten fordere, nicht bestehe, wenn die Schäden in einem konkreten Schadensfall auch dann eingetreten wären, wenn die Sicherheitsbehörde das Einschreiten nicht iSd § 23 SPG aufgeschoben hätte. Die Kausalität müsse der geschädigte Kläger beweisen, was ihm aufgrund der getroffenen Negativfeststellungen, insbesondere zur Sicherstellung der Beute im Fall eines früheren Zugriffs, nicht gelungen sei. Zwischen Amtshaftungsansprüchen und Ansprüchen nach § 92 SPG bestehe Konkurrenz. Der Kläger stütze seinen Amtshaftungsanspruch auf ein Organisationsverschulden, weil der Zugriff auf den Täter zu spät erfolgt sei und die durch die Überwachung ermittelten Informationen zuvor nicht zeitnahe ausgewertet worden seien. Auch im Amtshaftungsrecht müsse der Geschädigte den Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis (der Pflichtverletzung) und dem eingetretenen Schaden beweisen. Diesen Beweis habe der Kläger nicht erbracht.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Beweislast bei einem Anspruch nach § 92 Z 1 SPG in Verbindung mit dem analog anzuwendenden Polizeibefugnis‑Entschädigungsgesetz bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 21 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) haben die Sicherheitsbehörden gefährlichen Angriffen unverzüglich ein Ende zu setzen. Sie können nach § 23 Abs 1 SPG davon Abstand nehmen, gefährlichen Angriffen vorzubeugen oder ein Ende zu setzen, soweit ein überwiegendes Interesse an der Abwehr krimineller Verbindungen oder am Verhindern eines von einem bestimmten Menschen geplanten Verbrechens (§ 17 StGB) gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit oder Vermögen noch während seiner Vorbereitung (§ 16 Abs 3 StGB) besteht. Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen dürfen sie ihr Einschreiten nach Abs 2 leg cit nur aufschieben, solange keine Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter besteht und sofern dafür Vorsorge getroffen ist, dass ein aus der Tat entstehender Schaden zur Gänze gutgemacht wird.

2. Nach § 92 Z 1 SPG haftet der Bund für Schäden, die entstehen, weil eine Sicherheitsbehörde das Einschreiten aufgeschoben hat (§ 23 SPG), soweit die Schäden sonst verhindert hätten werden können. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, setzt diese von Rechtswidrigkeit und Verschulden der Organe unabhängige ( Wimmer in Thanner/Vogel , Sicherheitspolizeigesetz² § 23 Anm 10; Pürstl/Zirnsack , Sicherheitspolizeigesetz² § 92 Anm 2; Lukas in Hauer/Keplinger , Sicherheitspolizeigesetz 4 § 92 Anm 3) Haftung voraus, dass die Sicherheitsbehörden bewusst gefährlichen Angriffen nicht vorbeugen oder solche beenden, um die in § 23 Abs 1 SPG festgelegten Ziele zu erreichen. Neben den in § 23 SPG verwendeten Formulierungen „Abstand nehmen“ (Abs 1) und „aufschieben“ (Abs 2), die schon nach dem Wortlaut als bewusstes (vorläufiges) Unterlassen von Maßnahmen zu verstehen sind, sprechen auch die Vorstellungen des Gesetzgebers zu einer gebotenen Interessensabwägung für diese Auslegung. Nach den ErlRV (148 18. GP 36 f) zu § 23 SPG (siehe Wimmer aaO, 226) darf das Einschreiten nämlich aufgeschoben werden, wenn übergeordnete Interessen (Abs 1 Z 1 und 2) dies gebieten. Für diese übergeordneten Interessen der Kriminalitätsbekämpfung dürfen aber nicht Leben und Gesundheit möglicher Opfer auf Spiel gesetzt und nicht Bürger zur Tragung eines Vermögensschadens veranlasst werden. Nach den Zielen des Gesetzgebers muss also die Abwägung des „Für und Wider“ der Entscheidung der zuständigen Sicherheitsbehörden, ob sie sofort eingreifen, vorangehen. Auch im Schrifttum ist von einem zweckgerichteten Aufschub des Einschreitens die Rede, der von der bloßen Untätigkeit der Sicherheitsbehörden oder der Unterlassung des Einschreitens mangels hinreichender Personalkapazitäten zu unterscheiden sei ( Lukas aaO § 23 Anm 2).

3. § 23 Abs 1 SPG fordert zudem das Vorliegen eines gefährlichen Angriffs. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 16 Abs 2 und 3 SPG definiert. Von Bedeutung ist im vorliegenden Fall die in Abs 3 enthaltene Definition des gefährlichen Angriffs als ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine Bedrohung nach Abs 2 vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird. Während Abs 2 das Stadium umschreibt, das im strafrechtlichen Sinn mit dem Versuch beginnt, erweitert Abs 3 diesen Begriff in den Bereich der straflosen Vorbereitungshandlungen, jedoch zeitlich soweit eingeschränkt, dass nach dem Täterplan die Tatbestandsverwirklichung demnächst einzutreten hat (vgl ErlRV aaO 35 zu § 16 SPG, abgedruckt bei Pürstl / Zirnsack aaO 97 f).

4. Den Feststellungen der Vorinstanzen ist eine nach Abwägung der Interessen bewusst getroffene Entscheidung der ermittelnden Polizeibeamten, den Verdächtigen trotz Kenntnis von einem konkret geplanten und bevorstehenden Einbruch in die Wohnung des Klägers (einem gefährlichen Angriff zumindest im Vorbereitungsstadium) im Interesse übergeordneter sicherheitspolizeilicher Ziele nicht festzunehmen, nicht zu entnehmen. Gegen den später rechtskräftig wegen des Einbruchsdiebstahls zu Lasten des Klägers verurteilten Täter bestand ja lediglich der Verdacht seiner Beteiligung an einer Serie vorangegangener Einbruchsdiebstähle, die durch ein konkretes Tatmuster gekennzeichnet waren. Es handelte sich um zehn sogenannte Dämmerungseinbruchsdiebstähle, die zu Zeiten erfolgten, in denen die Bewohner jeweils wegen eines in der Zeitung annoncierten Begräbnisses und einer Zusammenkunft zur Agape nicht anwesend gewesen waren. Der Einbruch in die Wohnung des Klägers erfolgte nach den Feststellungen jedoch in der Nacht. Er und seine Gattin hatten ihr Zuhause am Abend des 23. 5. 2009 um 19:30 Uhr verlassen und kehrten erst in den Morgenstunden des folgenden Tages zurück. In dieser Zeit ihrer Abwesenheit finden üblicherweise keine Begräbnisse mit anschließender Agape statt. Dieser Einbruch entsprach somit nicht dem bisherigen, den zuständigen Sicherheitsbehörden aus der Einbruchsserie vom 28. 10. 2008 bis 8. 1. 2009 bekannten modus operandi. Hinweise auf einen konkreten Plan des der Einbruchsdiebstähle Verdächtigten, in die Wohnung des Klägers einzubrechen, hatten die ermittelnden Beamten nach den Feststellungen der Vorinstanzen gerade nicht. Die Ermittlungen durch Observation des Verdächtigen mittels Einsatz eines Peilsenders an seinem Fahrzeug ab 6. 5. 2009 erfolgten, um überhaupt entscheidende Hinweise auf die Begehung von konkreten Straftaten, insbesondere der noch ungeklärten Einbruchsdiebstähle erlangen zu können, und konnten die Bewegungen des Fahrzeugs vor dem Einbruch in die Wohnung des Klägers noch nicht konkreten Tatorten zuordnen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die zuständigen Sicherheitsbehörden aus den in § 23 Abs 1 Z 1 und 2 SPG umschriebenen übergeordneten Interessen die Begehung des Einbruchsdiebstahls in die Wohnung des Klägers einschließlich der Verbringung der Beute bewusst nicht verhinderten.

5. An diesen Erwägungen scheitert der auf § 92 Z 1 SPG gestützte Ersatzanspruch des Klägers. Die in seiner Revision behandelte Frage, ob die Bestimmungen des SPG Schutznormen zugunsten der Geschädigten seien und es daher nicht der Geschädigte zu beweisen habe, dass bei einem früheren Zugriff der Schaden vermieden worden sei, muss somit nicht beantwortet werden.

6. Der Kläger begründet seinen Ersatzanspruch hilfsweise mit der Haftung des beklagten Rechtsträgers nach dem AHG. Unter diesem Rechtsgrund wirft er den Sicherheitsbehörden vor, diese hätten trotz der technischen Überwachung und der eindeutigen Verdachtslage aus organisatorischen oder sonstigen nicht nachvollziehbaren Gründen keine Maßnahmen ergriffen, um den Einbruchsdiebstahl zu verhindern und die Beute rechtzeitig sicherzustellen.

7. Solche Behauptungen können grundsätzlich einen Amtshaftungsanspruch begründen (vgl Lukas aaO § 92 SPG Anm 3, vgl Wimmer in Thanner/Vogel , SPG² § 92 Anm 5; vgl Pürstl/Zirnsack , SPG² § 92 Anm 2). Nach § 1 Abs 1 AHG setzt ein Amtshaftungsanspruch aber rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten voraus. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte sich der Tatverdacht gegen den ab 6. 5. 2009 mittels Peilsender an seinem Fahrzeug observierten Täter erst Monate nach dem Einbruch in die Wohnung des Klägers in der Nacht vom 23. auf den 24. 5. 2009 verdichtet. Vor diesem Einbruch basierte die Verdachtslage hauptsächlich auf Angaben eines Zeugen, der den Täter auf einem Lichtbild als jenen Lenker erkannte, der seinen PKW im Februar 2009 vor dem Acker des Zeugen abgestellt und sich verdächtig verhalten hatte. Erst nach der Auswertung der Peilsenderdaten konnten die Fahrzeugbewegungen letztlich konkreten Tatorten zugeordnet werden. Die Ermittlungen wurden im Fall des Einbruchs des Klägers, der auch nicht dem Tatbegehungsschema der vorherigen Einbruchsserie entsprochen hatte, anfangs in eine völlig andere Richtung geführt, nachdem der Kläger selbst seine Reinigungskraft und deren Ehemann verdächtigt und die (angeblichen) Beobachtungen eines anonymen Zeugen diesen Verdacht zunächst bestätigt hatten. Nur ein geringer Teil der bei Einbruchsdiebstählen erbeuteten Sachen konnte bei einer Durchsuchung im Wohnhaus des Ex‑Schwagers des Klägers im Oktober 2009 sichergestellt werden. Die mögliche Beteiligung dieses Täters konnte aber erst durch die Auswertung der vom 17. 6. bis 24. 9. 2009 angeordneten Rufdatenerfassung sowie die am 25. 9. 2009 angeordnete Telefonüberwachung des Hauptverdächtigen ermittelt werden. Vor Vorliegen dieses Ermittlungsergebnisses gab es keinen Anhaltspunkt, den Ex‑Schwager des Klägers zu verdächtigen und von einem Verbringen der Beute in sein Haus auszugehen. Angesichts der Feststellungen kann den ermittelnden Beamten kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden, woran der Amtshaftungsanspruch jedenfalls scheitern muss. Erwägungen über die Beweislast zur Kausalität der einen Amtshaftungshaftungsanspruch angeblich begründenden Unterlassung der zuständigen Sicherheitsbehörden erübrigen sich somit.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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