OGH 5Ob18/14d

OGH5Ob18/14d23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Mag. Tarmann-Prentner und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. W*****, 2. N*****, beide *****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin 1. „W*****“ *****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie sämtlicher übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, wegen § 52 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 9 Abs 3 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss (richtig: Sachbeschluss) des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 6. September 2013, GZ 3 R 218/13z‑49, womit über Rekurs der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 25. März 2013, GZ 16 Msch 3/08h‑45, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin die mit 816,66 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 136,44 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass die Parteirollen im gerichtlichen Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bzw ‑ wie hier ‑ im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 1 WEG jenen vor der zunächst befassten Gemeinde entsprechen. Mit Anrufung des Gerichts endet das Verfahren vor der Gemeinde. Das Gericht hat über den bei der Gemeinde gestellten Sachantrag zu entscheiden, der somit den Verfahrensgegenstand bestimmt (vgl Klicka in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 40 MRG Rz 5 mwN). Daraus ergibt sich aber auch zwingend, dass sich die Parteirollen im Gerichtsverfahren unabhängig davon nicht ändern, welche Partei des Schlichtungsstellenverfahrens das Gericht anrief.

Die Antragsgegnerin erwarb die Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit Kaufvertrag vom 18. 12. 1968.

Mit Entscheidung des Stadtmagistrats Innsbruck (Schlichtungsstelle) vom 22. 5. 1973 wurden zur vorgesehenen Begründung von Wohnungseigentum für die Liegenschaft die Jahresmietwerte 1914 auf Basis des WEG 1948 ermittelt. Der Gesamtjahresmietwert ist derzeit mit 105.210 Kronen festgesetzt.

Die Antragsgegnerin ist zu 110/10521‑Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung W008, an den Abstellräumen 216 und 115 sowie den Pkw‑Einstellplätzen 55 und 91 verbunden ist (B‑LNR 248).

Die Antragsteller (Eigentümerpartner) sind Rechtsnachfolger der während des Verfahrens verstorbenen ursprünglichen Antragstellerin. Sie war zu 169/2342‑Anteilen, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung W504/505 samt Zubehör verbunden ist, Miteigentümerin der Liegenschaft.

Gegenstand dieses Verfahrens ist der Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte der Liegenschaft.

Die Antragstellerin brachte vor, im Zuge der Parifizierung im Jahr 1973 sei die Hausbesorgerwohnung W008 samt den dazugehörigen Abstellräumen und Autoeinstellplätzen mitparifiziert worden; Wohnungseigentümerin sei die Antragsgegnerin. Die Parifizierung und Wohnungseigentumsbegründung an dieser Wohnung sei jedoch zu Unrecht erfolgt, weil es sich um die Hausbesorgerwohnung handle, die zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft zähle. Bei einer Neufestsetzung der Nutzwerte habe daher die Hausbesorgerwohnung samt Zubehörflächen außer Betracht zu bleiben. Eine konkludente Um‑(Rück‑)widmung sei nicht erfolgt. Tatsächlich sei die Wohnung W008 Allgemeinfläche und unterliege der ordentlichen Verwaltung der Eigentümergemeinschaft.

Die Antragsgegnerin wendet ein, dass von dem aus fünf Teilen bestehenden WE‑Objekt (Wohnung W008, zwei Abstellräume und zwei Autoeinstellplätze) lediglich die Wohnung einem näher bezeichneten Hausbesorger bis zur Beendigung seiner Tätigkeit per 31. 8. 2004 überlassen worden sei. Die Abstellräume seien vom Hausbesorger nie benützt worden; der Autoeinstellplatz 55 sei bereits 1986 verkauft worden. Eine Verbücherung sei nicht erfolgt. Der Autoeinstellplatz 91 sei vermietet worden.

Bei der Wohnung W008 handle es sich nicht um eine „klassische“ Hausbesorgerwohnung. Eine Wohnung werde erst durch ihre Widmung zur Hausbesorgerwohnung. Hier sei zunächst Wohnungseigentum begründet worden. Erst nachher sei die Wohnung dem Hausbesorger zur Verfügung gestellt worden. Der Hausbesorger habe nicht nur in diesem Haus seinen Dienst verrichtet, sondern auch in weiteren Häusern der Wohnanlage, die auf selbständigen Liegenschaften errichtet seien. Derzeit stehe die Wohnung leer. Seit 1. 9. 2004 gebe es in der Wohnungseigentumsanlage keinen Hausbesorger mehr. Es existierte daher schon begrifflich keine Hausbesorgerwohnung.

Dass die Wohnung schon seit Jahren nicht mehr als Hausbesorgerwohnung verwendet werde, sei im Übrigen der ursprünglichen Antragstellerin bestens bekannt; es sei daher jedenfalls zu einer konkludenten Umwidmung (Rückwidmung) gekommen, die mit dem Außerkrafttreten des Hausbesorgergesetzes als endgültig zu betrachten sei. Diese Umwidmung entspreche auch und gerade dem mehrfach erklärten Willen der ursprünglichen Antragstellerin, den sie auch in einem näher bezeichneten weiteren außerstreitigen Wohnrechtsverfahren eingenommen habe. Durch die Umwidmung sei eine Heilung eingetreten; einer Neufestsetzung der Nutzwerte bedürfe es nicht.

Die offenbar von der ursprünglichen Antragstellerin angestrebte entschädigungslose Enteignung der Antragsgegnerin verstoße gegen die verfassungsrechtlich garantierte Unverletzlichkeit ihres Eigentums. Wollte man die Wohnung W008 als allgemeinen Teil der Liegenschaft ansehen, ergebe sich daraus die zwingende Konsequenz, dass ein Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin gegen alle übrigen Eigentümer bestünde.

Das Erstgericht nahm im zweiten Rechtsgang in den Spruch seines Sachbeschlusses (Punkt 3. und 4.) die Aussage auf, dass wegen Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Jahresmietwertberechnung der Gesamtjahresmietwert der Liegenschaft (gemeint: unter Entfall der Festsetzung eines Mietwerts für die Wohnung W008, die Abstellräume 115 und 216 und die Autoeinstellplätze 55 und 91) neu festzusetzen ist. In Punkt 5. seines Sachbeschlusses stellte es fest, dass sich der Gesamtjahresmietwert der Liegenschaft von bisher 105.210 Kronen um 1.100 Kronen auf 104.110 Kronen reduziere.

Neben dem eingangs dargestellten Sachverhalt traf das Erstgericht ‑ zusammengefasst ‑ folgende weitere Feststellungen:

Die Antragsgegnerin wurde 1973 zur Verwalterin der Liegenschaft bestellt.

Die Wohnung W008 samt den im Grundbuch zugeordneten Abstellräumen und Autoeinstellplätzen wurde im Eigentum der Antragsgegnerin belassen, zugleich jedoch bereits ursprünglich im Zuge der Wohnungseigentumsbegründung, der Errichtung der Wohnanlage und dem nachfolgenden Bezug durch die einzelnen Wohnungseigentümer eine „Nutzung der Wohnung als Dienstwohnung des Hausbesorgers festgesetzt“.

Die Wohnung W008, die eine Wohnnutzfläche von ca 86 m² zuzüglich einer Balkonfläche von ca 24 m² aufweist, benützte der ursprüngliche Hausbesorger. Ab dem Jahr 1976 wurde die Hausbesorgertätigkeit für die Wohnanlage von einem neuen Hausbesorger übernommen, der auch die Wohnung W008 bezog. Arbeitgeber war die Antragsgegnerin. Der Hausbesorger verwendete die Wohnung zunächst als Privatwohnung sowie als Verwaltungslokal für seine Hausbesorgertätigkeit. Nach einigen Jahren wurde für ihn zusätzlich ein Verwaltungslokal in einem auf einer benachbarten Liegenschaft errichteten Haus eingerichtet. Ab diesem Zeitpunkt benützte er die Wohnung W008 mit seiner Familie lediglich als Privatwohnung. Für die Nutzung der Wohnung musste er kein Entgelt entrichten. Die Betriebs‑ und Heizungskosten für die Wohnung wurden laufend in die Betriebskostenabrechnung der Eigentümergemeinschaft aufgenommen. Sie wurde den einzelnen Eigentümern der gesamten Wohnanlage, die aus vier Häusern besteht, entsprechend ihren Anteilen vorgeschrieben. Der Hausbesorger betreute nicht nur die verfahrensgegenständliche Liegenschaft, sondern auch die auf den benachbarten Liegenschaften errichteten Häuser.

Nach seiner Pensionierung im Herbst 2004 zog der Hausbesorger aus der Wohnung aus. Die Hausverwaltung „stellte die Wohnung an die Antragsgegnerin zurück“. Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft erging nicht. Seit dem Auszug des Hausbesorgers steht die Wohnung W008 leer. Die Hausbesorgertätigkeit für die Wohnanlage wird seither durch ein externes Unternehmen übernommen.

Die Abstellräume 115 und 216 sowie die Autoeinstellplätze 55 und 91 benutzte der Hausbesorger nicht.

Mit Kaufvertrag vom 1. 8./9. 9. 1986 veräußerte die Antragsgegnerin 5/10553‑Anteile an der Liegenschaft samt dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an dem Autoeinstellplatz Top 55 an einen Dritten. Der Autoeinstellplatz Top 91 ist seit zumindest 1987 an Dritte vermietet.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Wohnungseigentumsbegründung an der als Hausbesorgerwohnung gewidmeten Wohnung nichtig sei. Daher sei auch die aufgrund der nichtigen Vereinbarung durchgeführte Grundbuchseintragung unheilbar nichtig. Zwar sei eine Umwidmung auch konkludent möglich; die bloße Zurückstellung der Wohnung an die Antragsgegnerin reiche dazu aber nicht aus. Dass die Abstellräume und Autoeinstellplätze nicht dem Hausbesorger überlassen worden seien, sei nicht maßgeblich, weil eine gesonderte Begründung von Wohnungseigentum an diesen Zubehörflächen nicht möglich sei. Die Nutzwerte seien daher insgesamt um die der Wohnung W008 samt zugehörigen Flächen zugewiesenen Nutzwerte zu reduzieren.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluss im Sinne einer Antragsabweisung ab.

Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass Rechtsprechung dazu fehle, ob nichtige Parifizierungen einer Hausbesorgerwohnung in sinngemäßer Anwendung von § 29 Abs 5 WEG 1975 idF der WRN 2000 heilen könnten, ohne dass es einer Neufestsetzung der Nutzwerte bedürfe.

Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass die Wohnung W008 wegen ihrer Widmung allgemeiner Teil der Liegenschaft gewesen sei. Eine Festsetzung von Nutzwerten für die Hausbesorgerwohnung widerspreche zwingenden Parifizierungsgrundsätzen. Darauf aufbauende bücherliche Eintragungen seien mit Nichtigkeit bedroht. Allerdings komme es auf die tatsächliche Verwendung der Hausbesorgerwohnung zum Entscheidungszeitpunkt an. Nach den Feststellungen habe die Wohnung bis zum Herbst 2004 als Hausbesorgerwohnung gedient. Die Betriebs‑ und Heizungskosten für die Wohnung seien laufend in die Betriebskostenabrechnung der Eigentümergemeinschaft aufgenommen worden. Nach Herbst 2004 sei die Wohnung zurückgestellt worden und stehe seither leer. Es stehe auch nicht fest, dass weiter Betriebskosten verrechnet worden seien. Die Wohnung diene somit seit mehr als neun Jahren nicht mehr der Unterbringung des Hausbesorgers. Aufgrund einer jahrelangen und widerspruchslosen Hinnahme eines konsenslosen faktischen Zustands sei daher von einer konkludenten Widmungsänderung auszugehen.

Überdies sei in sinngemäßer Anwendung von § 29 Abs 5 WEG 1975 idF der WRN 2000 davon auszugehen, dass die zunächst verwirklichte Nichtigkeit der Parifizierung geheilt sei.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller aus den Rechtsmittelgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses als nichtig. Hilfsweise wird der Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses bzw ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, „den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses dahin abzuändern, dass dieser nicht zulässig sei“; hilfsweise, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Im Revisionsrekurs beziehen sich die Antragsteller auf eine die Liegenschaft betreffende Entscheidung des Senats (5 Ob 226/07g), in welcher bereits die unheilbare Nichtigkeit der Wohnungseigentums-begründung an der Hausbesorgerwohnung ausgesprochen worden sei. Im Hinblick darauf, dass sich zumindest die (ursprüngliche) Antragstellerin gegen die Wohnungseigentumsbegründung an der Wohnung seit Jahren wehre, könne eine konkludente Umwidmung nicht angenommen werden. Im Übrigen sei der Sachbeschluss des Rekursgerichts nichtig, weil er von dem sachlich unzuständigen Oberlandesgericht Innsbruck gefällt worden sei, wie sich aus der Ausfertigung des Sachbeschlusses ergebe, der sowohl in seiner Überschrift als auch am Ende der Entscheidung auf das „Oberlandesgericht Innsbruck“ verweise.

Dazu wurde erwogen:

1. Aus dem Kopf der rekursgerichtlichen Entscheidung ist zweifelsfrei abzuleiten, dass als Rekursgericht das ‑ sachlich zuständige ‑ Landesgericht Innsbruck entschieden hat. Das ergibt sich sowohl aus der Formulierung („Das Landesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht ...“) als auch insbesondere aus der namentlichen Anführung der dem Rekurssenat angehörenden Richter, die alle Richter des Landesgerichts Innsbruck sind (im Übrigen auch idente Senatszusammensetzung wie beim Aufhebungsbeschluss desselben Rekursgerichts im ersten Rechtsgang zu 3 R 205/10h‑16). Die irrtümliche Bezeichnung „Oberlandesgericht Innsbruck“ im oberen Teil der Rekursentscheidung und im Vermerk „Oberlandesgericht Innsbruck Abteilung 3 ...“ am Ende der Rekursentscheidung begründet somit keine Nichtigkeit, sondern stellt einen offenkundigen und damit berichtigungsfähigen Fehler dar (vgl hiezu auch Danzl , Geo 5 § 149 Anm 14).

2. An der Liegenschaft wurde bereits vor dem 1. 9. 1975 Wohnungseigentum begründet. Daraus folgt, dass die mit der beantragten Neufestsetzung der Nutzwerte (Neuparifizierung) zusammenhängenden Fragen noch nach den Vorschriften des WEG 1948 zu lösen sind.

2.1 Das gilt gemäß § 29 Abs 1 Z 1 WEG 1975 iVm § 55 Satz 2 WEG 2002 für die Neufestsetzung der Nutzwerte an sich ( Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 9 WEG Rz 9; RIS‑Justiz RS0048303; 5 Ob 83/95 wobl 1996/25 [ Call ]; 5 Ob 210/11k wobl 2013/16 [insoweit zust Hausmann ]).

2.2 Aber auch alle mit der beantragten Neuparifizierung sonst zusammenhängenden materiell-rechtlichen Fragen sind noch nach dem WEG 1948 zu beurteilen. Das gilt im hier interessierenden Zusammenhang insbesondere für die Frage, ob zu Gunsten der Antragsgegnerin Wohnungseigentum bzw Zubehörwohnungs-eigentum an den Abstellflächen bzw den Kfz‑Einstellplätzen begründet werden konnte (5 Ob 83/95 wobl 1996/25 [ Call ]).

2.3 Gemäß § 1 Abs 2 WEG 1948 konnten mit Wohnungen (Geschäftsräumen) auch Keller‑ und Bodenräume, Hausgärten, Garagen und andere Teile der Liegenschaft im Wohnungseigentum stehen, wenn sie unmittelbar zugänglich und deutlich abgegrenzt waren. Derartig abgeschlossene Flächen und Räume konnten daher Gegenstand von Zubehörwohnungseigentum sein ( Zingher , Mietengesetz 16 [1974] Anm 2 zu § 1 WEG 1948; 5 Ob 83/95 wobl 1996/25 [ Call ]).

2.4 Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die der Wohnung W008 als Zubehör zugeordneten und auch im Grundbuch einverleibten Abstellräume und Einstellplätze nicht selbständig zugänglich sind, stand der Begründung von Zubehörwohnungseigentum an diesen Teilen der Liegenschaft kein rechtliches Hindernis entgegen.

3. Die (ursprüngliche) Antragstellerin stützte ihren Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte auf die Behauptung, dass die ursprüngliche Nutzwertfestsetzung („Parifizierung“) gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstoße.

3.1 Sie nahm damit inhaltlich § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 in Anspruch. Bei diesem ‑ nicht fristgebunden geltend zu machenden ‑ Tatbestand handelt es sich um eine Neuschöpfung des WEG 2002, die allerdings auf einer durch die Praxis schon seit dem WEG 1948 entwickelten Fallgruppe beruht ( Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 9 WEG Rz 31 mwN).

3.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam. Mehrfach wurde die Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt ist, als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert; aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien nichtig (5 Ob 5/81 MietSlg XXXVIII/11; 5 Ob 153/86 MietSlg XXXVIII/53; 5 Ob 1/91 wobl 1992/20 [kritisch Call ]; 5 Ob 226/07g immolex 2008/93; RIS‑Justiz RS0082983; RS0082927).

3.3 Bis zu einer „Rückabwicklung“ sind die „Wohnungseigentümer“ nach dieser Rechtsprechungslinie mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer. Die Bereinigung hat durch eine der wahren Rechtslage entsprechende Neufestsetzung der Nutzwerte zu erfolgen (5 Ob 1/91 wobl 1992/20 [ Call ]).

3.4 Mehrfach sprechen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in diesem Zusammenhang von „absoluter, unheilbarer“ Nichtigkeit (zB 5 Ob 153/86 MietSlg XXXVIII/53; 5 Ob 226/07g immolex 2008/93 uva).

3.5 In der Literatur wird hingegen teilweise zwischen notwendig und gewidmet allgemeinen Teilen der Liegenschaft differenziert und nur bei ersteren die Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung bejaht; bei letzteren bloße Vernichtbarkeit angenommen ( Call in Glosse zu wobl 1992/20; weitere Nachweise bei T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 9 WEG Rz 33 f, der diese Differenzierung mit beachtlichen Argumenten ablehnt). Jedenfalls aber bejaht ein Teil der Lehre eine Heilungsmöglichkeit durch Umwidmung ( Kletečka , Heilung der WE‑Begründung an einer Hausbesorgerwohnung durch Umwidmung, immolex 2008, 198; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 9 WEG Rz 32).

4. Eines näheren Eingehens auf die in der Literatur thematisierte Frage einer Heilungsmöglichkeit bei Wohnungseigentumsbegründung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft bedarf es jedoch nicht, weil hier nicht erwiesen ist, dass bereits ursprünglich bei Wohnungseigentums-begründung oder nachträglich eine Widmung der Wohnung W008 als allgemeiner Teil der Liegenschaft erfolgte:

4.1 In der Entscheidung 5 Ob 226/07g wurde eine derartige Widmung entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht bindend bejaht: Die Entscheidung betraf einen Antrag ua der ursprünglichen Antragstellerin gegen ua die Antragsgegnerin, gerichtet darauf, die Zustimmung der Antragsgegner zu einem Antrag auf Nutzwertfestsetzung zu ersetzen. Diesen Antrag wies der Senat ohne inhaltliche Prüfung der behaupteten Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung an der Wohnung W008 aus rechtlichen Überlegungen ab. Die Entscheidung klärte demnach nicht bindend, ob die Wohnungseigentums-begründung nichtig war. Sie verwies lediglich darauf, dass ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung grundsätzlich mit Nichtigkeit bedroht sei.

4.2 Das Erstgericht stellte zwar fest, dass „bereits ursprünglich im Zuge der Wohnungseigentumsbegründung eine Nutzung der Wohnung als Dienstwohnung des Hausbesorgers festgesetzt wurde“.

Dem im Akt erliegenden, seinem Inhalt nach unstrittigen Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und S***** vom 6. 9./11. 11. 1974 (Blg ./A), mit welchem der Antragsgegnerin Wohnungseigentum an sämtlichen Objekten im Haus mit Ausnahme der Wohnung 2.07 eingeräumt wurde, ist eine Widmung der Wohnung W008 als Hausbesorgerwohnung nicht zu entnehmen. Der Vertrag nimmt nur (VIII) darauf Bezug, dass ein Hausbesorger bestellt und diesem eine Dienstwohnung zugewiesen werden wird; nicht aber, dass es sich dabei um die Wohnung W008 handelt.

4.3 Auch die übrigen im Akt erliegenden Urkunden, insbesondere weitere Kaufverträge, die die Antragsgegnerin über die ihr nach erstmaliger Wohnungseigentumsbegründung verbliebenen Wohnungs-eigentumsobjekte schloss, enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Wohnung W008 als Hausbesorgerwohnung gewidmet sei.

Wie sich aus der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zweifelsfrei ergibt, ist die erstgerichtliche Feststellung über die bereits ursprünglich vorgesehene Nutzung der Wohnung W008 als Hausbesorgerwohnung (lediglich) dahin zu verstehen, dass ab erstmaliger Begründung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses die Wohnung W008 dem Hausbesorger als Dienstwohnung überlassen wurde.

Es steht daher nicht fest, dass bereits im Wohnungseigentumsvertrag entgegen der Parifizierung, die die Wohnung W008 einschließlich der dazugehörigen Abstellflächen und Einstellplätze als selbständiges Wohnungseigentumsobjekt ausweist, eine Widmung der Wohnung W008 als „Hausbesorgerwohnung“ und somit als allgemeiner Teil der Liegenschaft erfolgt wäre.

Anders als bei dem der Entscheidung 5 Ob 1/91 (wobl 1992/20 [ Call ]) zugrundeliegenden Sachverhalt war somit nach den Feststellungen zwar bereits bei Wohnungseigentumsbegründung vorgesehen, dem Hausbesorger irgendeine Wohnung im Haus als Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen; dass es sich dabei um die Wohnung W008 handeln sollte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

4.4 Nun kann nach der Rechtsprechung die Widmung von Flächen oder Räumen zu einem allgemeinen Teil des Hauses, daher auch die Widmung einer Wohnung als Hausbesorgerwohnung, formfrei und somit schlüssig erfolgen (5 Ob 104/91 wobl 1993/10 [zust Call ]; 5 Ob 5/95 MietSlg 47.501), wobei Einstimmigkeit erforderlich ist (5 Ob 5/95 MietSlg 47.501; 5 Ob 318/99x wobl 2000/82 [zust Call ]; Kletečka , immolex 2008, 198 [201]).

4.5 Eines Eingehens auf die an dieser Rechtsprechung geübte Kritik (s T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 3 WEG Rz 14c) bedarf es nicht, weil hier eine schlüssige ursprüngliche oder nachträgliche Widmung der Wohnung W008 als allgemeiner Teil des Hauses ohnedies zu verneinen ist:

a) Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen (hier: stillschweigende Zustimmung zu einer bestimmten Widmung) ein strenger Maßstab anzulegen ist (stRsp, RIS‑Justiz RS0014146). Der konkludente Aussagegehalt einer Handlung bzw Unterlassung muss eindeutig in eine bestimmte Richtung weisen. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (RIS‑Justiz RS0014150; zu Widmungsänderungen im Wohnungseigentumsrecht 5 Ob 5/95 MietSlg 47.501).

b) Für einen solchen eindeutigen Rechtsfolgewillen besteht bei der ursprünglichen Wohnungseigentumsbegründung kein Anhaltspunkt, weil nicht hervorgekommen ist, dass bereits damals die Verwendung der konkreten Wohnung W008 als Hausbesorgerwohnung vorgesehen war: Die Antragsgegnerin blieb zunächst nach Begründung von Wohnungseigentum Wohnungseigentümerin sämtlicher übriger selbständiger Wohnungseigentumsobjekte, darunter waren neben mehreren Geschäftslokalen mehr als hundert Wohnungen. Dass mit der ersten Käuferin bei Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags besprochen wurde, dass gerade die Wohnung W008 Hausbesorgerwohnung werden sollte, steht nicht fest.

c) Ebensowenig lässt sich eine nachträgliche schlüssige Widmungsänderung begründen: Für deren Annahme bedürfte es (vgl 4.4) eines eindeutigen Verhaltens iSd § 863 ABGB aller Wohnungseigentümer. Ein derart eindeutiges Verhalten lässt sich weder aus dem bloßen Umstand der tatsächlichen Verwendung der Wohnung W008 als Hausbesorgerwohnung noch aus der ‑ anteiligen - Einstellung der diese Wohnung betreffenden Betriebs- und Heizkosten in die Abrechnung ableiten: Dafür bedürfte es einer Kenntnis sämtlicher Wohnungseigentümer davon, dass dem Hausbesorger die Wohnung W008 als Dienstwohnung von der Eigentümergemeinschaft (bzw bis zum Inkrafttreten des 3. WÄG 1994 von den Wohnungseigentümern) zur Verfügung gestellt wurde. Denkbar wäre nämlich auch gewesen, dass die Wohnung ohne Widmung bloß tatsächlich vom Hausbesorger bewohnt wurde (vgl 5 Ob 57/83 MietSlg 36.100).

Gerade unter Zugrundelegung der Vielzahl an Wohnungseigentumsobjekten (weit mehr als hundert) in der Wohnhausanlage ist der Annahme einer konkludenten Widmungsänderung mit größter Vorsicht zu begegnen ( T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 3 WEG Rz 14c bezeichnet die Anwendung des § 863 ABGB bei der Frage von Widmungsänderungen in größeren Anlagen überhaupt als „reine Fiktion“).

Entscheidend gegen eine schlüssige Widmungsänderung spricht ferner, dass die jeweiligen Hausbesorger nicht nur die verfahrensgegenständliche Liegenschaft, sondern auch die Wohnhausanlagen der Nachbarliegenschaften betreuten und daher die die Wohnung W008 betreffenden Kosten auch nur anteilig in die das Haus betreffende Abrechnung aufgenommen und im Übrigen den Nachbarliegenschaften verrechnet wurden. Damit blieben ‑ selbst bei Unterstellung, dass sämtliche Wohnungseigentümer konkret Kenntnis davon hatten, dass die Wohnung W008 vom Hausbesorger bewohnt wurde ‑ Zweifel darüber, auf welcher Rechtsgrundlage die Überlassung an den Hausbesorger erfolgte. Gegen die Annahme einer schlüssigen Widmung spricht ferner, dass „nach einigen Jahren“ (gemeint: ab erstmaliger Beschäftigung eines Hausbesorgers) für den Hausbesorger auf einer Nachbarliegenschaft ein Verwaltungslokal eingerichtet wurde und er die Wohnung W008 nur noch für private Wohnzwecke verwendete. Eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Wohnung um die Hausbesorgerdienstwohnung handelte, lagen daher nicht vor.

Dazu kommt, dass der Wohnung W008 zwei Abstellräume und zwei Autoeinstellplätze als Zubehör zugeordnet sind, die unstrittig niemals von einem Hausbesorger verwendet wurden.

Insgesamt blieb daher zweifelhaft, ob die Wohnung eine von der Eigentümergemeinschaft (bzw bis zum 3. WÄG 1994 von den Wohnungseigentümern) zur Verfügung gestellte Dienstwohnung war.

5. Daraus folgt zusammengefasst, dass mangels ursprünglicher oder nachträglicher Widmung der Wohnung W008 als allgemeiner Teil des Hauses der Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte unberechtigt ist.

Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, dass der obsiegenden Antragsgegnerin die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zugesprochen werden.

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