European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00047.14H.0422.000
Spruch:
Aus Anlass der Revisionsrekurse werden die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben. Der Akt wird dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurückgestellt.
Begründung:
Der Betroffene wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und es wurde gleichzeitig gemäß § 21 Abs 2 StGB die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Der Betroffene wurde zunächst von der Justizanstalt Wien‑Mittersteig in die Justizanstalt Stein überstellt. Seit 3. 1. 2013 befindet er sich in der Justizanstalt Graz‑Karlau im Maßnahmenvollzug.
Das bislang für die Sachwalterschaftssache zuständige Erstgericht übertrug mit Beschluss vom 28. 9. 2012 die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Krems. Die Übertragung werde erst mit der Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Krems wirksam. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Betroffene in der Justizanstalt Stein auf.
Als der Betroffene in die Justizanstalt Graz‑Karlau überstellt wurde, widerrief das Erstgericht implizit den zuvor genannten Beschluss und sprach aus, dass die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache infolge Unterbringung des Betroffenen in der Justizanstalt Graz‑Karlau an das Bezirksgericht Graz‑West übertragen werde. Die Übertragung werde erst mit der Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Graz‑West wirksam.
Beide Beschlüsse stellte das Erstgericht zwar zu, übermittelte jedoch den Akt weder an das Bezirksgericht Krems noch zuletzt an das Bezirksgericht Graz‑West.
Das Rekursgericht bestätigte jeweils die angefochtenen Beschlüsse und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richten sich jeweils die außerordentlichen Revisionsrekurse des Betroffenen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass dieser Revisionsrekurse ist von Amts wegen die den Beschlüssen des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen.
Den Parteien steht gegen den Beschluss, womit ein Pflegschaftsgericht auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 111 JN seine Zuständigkeit einem anderen Gericht überträgt, ein Rechtsmittelrecht zu. Der Übertragungsbeschluss bedarf aber für seine Wirksamkeit nach § 111 Abs 2 JN der Übernahme der Zuständigkeit durch das andere Gericht, an das die Zuständigkeit übertragen wird. Im Fall seiner Weigerung bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst gemeinsamen höheren Gerichts. Bis zur Übernahme bleibt es in Schwebe, ob überhaupt ein Zuständigkeitswechsel eintritt, sodass es bis zum Vorliegen eines solcherart wirksamen Übertragungsbeschlusses darüber keine Rekursentscheidung geben kann. Es ist daher sinnvoll, wenn der anfechtbare Übertragungsbeschluss den Parteien erst von dem anderen Gericht, das die Zuständigkeit übernimmt, zugestellt wird (2 Ob 125/10m).
Da der Akt an das Gericht, an das die Rechtssache übertragen werden soll, bisher nicht zugestellt wurde, fehlt es für die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses daran, dass sich das Gericht zur Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Übertragung der Sachwalterschaftssache durch das Erstgericht bisher noch nicht erklären konnte. Die Beschlüsse sind daher aufzuheben.
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