OGH 10ObS18/14s

OGH10ObS18/14s25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. November 2013, GZ 9 Rs 131/13w‑26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 8. März 2013, GZ 4 Cgs 244/11h‑22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00018.14S.0325.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist ausschließlich die Frage strittig, ob für die Erfüllung der Voraussetzungen zur Erlangung des Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 ASVG idF BGBl I 2010/111 (BBG 2011) auch Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG herangezogen werden können.

Das Berufungsgericht verneinte diese Frage. Es wies daher das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 6. 2011 gerichtete Klagebegehren des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe im Beobachtungszeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag 86 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Angestellter und 34 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Selbständiger nach dem GSVG erworben und erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 273 Abs 1 ASVG idF BBG 2011, weil er nicht mindestens 90 Pflichtversicherungsmonate als Angestellter oder als gelernter oder angelernter Arbeiter nach § 255 Abs 1 ASVG aufweise.

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) im Hinblick auf die zu der eingangs dargelegten und vom Berufungsgericht als rechtserheblich bezeichneten Rechtsfrage schon vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig.

Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung 10 ObS 165/12f die Frage, ob bei der Beurteilung des Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 ASVG idF BBG 2011 neben Beitragsmonaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (als gelernter oder angelernter Arbeiter oder als Angestellter) zusätzlich ‑ obwohl sie im Gesetzestext nicht genannt sind ‑ auch Zeiten der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG zu berücksichtigen sind, mit der Begründung verneint, dass eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke nicht vorliegt. Gegen eine planwidrige Unvollständigkeit des § 273 Abs 1 ASVG sprechen bereits die Gesetzesmaterialien zum BBG 2011. Nach diesen bestand Übereinstimmung darin, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll. Sollten die Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes im Vergleich zur bisher geltenden Gesetzeslage, die keine Berücksichtigung von Beitragsmonaten nach dem GSVG zuließ, also erschwert werden, liefe deren nunmehrige Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers zuwider. Wurden die neuen (erschwerten) Voraussetzungen zugleich für den Bereich des GSVG eingeführt, kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dass er bei Normierung der neuen Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes das etwaige Vorliegen von Beitragsmonaten nach dem GSVG nicht bedacht hätte. Eine Ergänzung des § 273 Abs 1 ASVG um Beitragsmonate nach dem GSVG widerspräche demnach der vom Gesetz gewollten Beschränkung (10 ObS 165/12f; RIS‑Justiz RS0128674).

Diese Grundsätze müssen ‑ wie der Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat ‑ in gleicher Weise für die gleichlautende Bestimmung des § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG gelten. Es sind daher auch für die Erlangung des Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG nur qualifizierte Tätigkeiten als gelernte oder angelernte Arbeiter sowie Angestelltentätigkeiten zu berücksichtigen, während Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG für die Frage des Berufsschutzes nach dieser Gesetzesstelle weiterhin außer Betracht zu bleiben haben (RIS‑Justiz RS0129026; RS0128674).

Soweit der Kläger in seinen Revisionsausführungen unter Hinweis auf den auch in § 273 Abs 1 ASVG idF BBG 2011 enthaltenen Verweis auf die Bestimmung des § 255 Abs 1 ASVG die Ansicht vertritt, unter „Beruf“ iSd § 255 Abs 1 ASVG sei auch eine selbständige Tätigkeit zu verstehen, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Bestimmung des § 255 ASVG nur auf die Ausübung erlernter oder angelernter unselbständiger Erwerbstätigkeiten bezieht. In diesem Sinn wird auch in den bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Gesetzesmaterialien (vgl ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 205) ausdrücklich davon gesprochen, dass auch bei Angestellten „zur Erhaltung des Berufsschutzes alle geschützten ArbeiterInnentätigkeiten und alle Angestelltentätigkeiten zusammengerechnet werden sollen.“ Zeiten der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG haben daher für die Frage des Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 bzw § 255 Abs 1 ASVG idF BBG 2011 weiterhin außer Betracht zu bleiben.

Ausgehend von dieser Rechtsansicht hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Berufsschutz des Klägers nach § 273 Abs 1 ASVG idF BBG 2011 zutreffend verneint. Das Verweisungsfeld des Klägers ist daher nach § 273 Abs 2 ASVG idF BGBl I 2011/122 zu beurteilen. Dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Pensionsleistung nach dieser Gesetzesstelle nicht erfüllt, wird auch in der Revision zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

Die Revision des Klägers war daher im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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