OGH 8Ob16/14g

OGH8Ob16/14g24.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** E*****, Rechtsanwalt in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei W***** V*****, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, wegen Übergabe eines „richtigen“ Schätzgutachtens (Streitwert: 11.876 EUR) und Feststellung (Streitwert: 100 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Dezember 2013, GZ 11 R 183/13g‑36, womit über Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 2013, GZ 24 Cg 215/12g‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00016.14G.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 922,07 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 153,68 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt ‑ neben einem im Revisionsverfahren nicht zu behandelnden Feststellungsbegehren ‑ von der Beklagten, ihm „ ein auf der Grundlage des vom gerichtlichen Sachverständigen aus dem Schätzwesen für Kleingärten erstatteten Sachverständigengutachtens der Höhe nach richtiges Schätzgutachten über den gemäß § 16 KlGG zu bestimmenden Ersatzwert im Hinblick auf das über das [in der Klage näher bezeichnete] Grundstück geschlossene Unterpachtverhältnis zu übergeben “. Er habe 2009 vom Z***** (in weiterer Folge: Z*****) das Unterpachtrecht an diesem Grundstück erworben und mit dem Vorpächter eine Entschädigungssumme von 48.776 EUR gemäß § 16 Kleingartengesetz, BGBl 1959/6 (KlGG) auf der Grundlage eines Schätzgutachtens des Nebenintervenienten vereinbart. 2012 habe er dem Z***** mitgeteilt, dass er den Kleingarten an eine Interessentin weitergeben wolle. Der Z***** habe zur Bemessung des Ersatzes gemäß § 16 KlGG die Vorlage eines Schätzgutachtens verlangt, das nicht älter als zwei Jahre sein dürfe. Der Kläger habe die Beklagte beauftragt, ein Schätzgutachten zu erstatten. Diese habe ‑ nach einmaliger Verbesserung des Gutachtens ‑ einen grob unrichtigen Schätzwert von 30.331 EUR ermittelt, insbesondere seien die Senkgrube, die Gerätehütte und die Terrassenüberdachung um mindestens 11.876 EUR zu niedrig bewertet worden. Die Beklagte hafte aus dem Titel der Gewährleistung für die Übergabe eines richtigen Schätzgutachtens. Ihrem Gutachten fehle es an jeder Begründung, nach welchen Regeln der Wissenschaft es erstellt worden sei, sodass ein wesentlicher Mangel vorliege, der nur mit Hilfe eines Dritten, nämlich eines Sachverständigen, behoben werden könne. Der Beklagten sei die mangelhafte Werkleistung vorwerfbar, sodass das Erfüllungsinteresse an der Behebung des Mangels durch Vorlage eines richtigen Gutachtens auch als Schadenersatz gemäß § 933a ABGB geltend gemacht werde.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sie ihr Gutachten sach- und fachgerecht erstellt habe und dass das Klagebegehren unschlüssig sei. Auf einen bestimmten Erfolg habe der Kläger keinen Anspruch.

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens mit Teilurteil ab. Der Sachverständige habe ein eigenes fachliches Urteil über den ihm vorgelegten Sachverhalt oder den von ihm aufgenommenen Befund nach den Maßstäben des § 1299 ABGB abzugeben. Ein Anspruch auf Übergabe eines Gutachtens mit einem bestimmten Inhalt (hier im Sinn der vom Kläger als richtig angesehenen Höhe des Ersatzes gemäß § 16 KlGG) könne nicht, auch nicht nach den Regeln des Gewährleistungs‑ oder Schadenersatzrechts, durchgesetzt werden. Das Begehren auf Festlegung des „richtigen“ Werts des Ersatzes durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten entspreche darüber hinaus nicht dem Bestimmtheitsgebot. Dem Klagebegehren sei weder zu entnehmen, welcher Sachverständige dies übernehmen solle, noch bis wann, auf welcher Grundlage und in welcher Form.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Teilurteil erhobenen Berufung nicht Folge. Der Vertrag über die Erstellung des Gutachtens sei ein Werkvertrag. Der Sachverständige hafte nicht, wenn das nach den Regeln der Wissenschaft erarbeitete Gutachten in der Folge nicht standhalte. Es widerspreche diametral dem Sinn der Erstellung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens, würde sich der Sachverständige an die Wunschergebnisse des Auftraggebers halten müssen. Der Kläger habe auch nicht vorgebracht, dass er bei der Beklagten ein Gutachten mit einem bestimmten Ergebnis in Auftrag gegeben habe, sodass die Beklagte kein solches Gutachten schulde. Das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe es in ihrem Gutachten unterlassen, schlüssig und nachvollziehbar zu begründen, weshalb der Ersatz gemäß § 16 KlGG innerhalb von drei Jahren im Vergleich zu einem Vorgutachten von 48.776 EUR auf 30.331 EUR gesunken sei, unterstelle die Richtigkeit des Vorgutachtens. Der Kläger habe aber nicht vorgebracht, dass der Beklagten der Auftrag erteilt worden sei, ein Gutachten mit begründetem Vergleich zu einem Vorgutachten zu erstellen. Die bloße Behauptung, die Mangelhaftigkeit des Gutachtens der Beklagten liege in dessen „Unrichtigkeit“ bei Vergleich mit einem drei Jahre alten Vorgutachten, sei nicht ausreichend konkret, um einen Mangel darzutun, sodass das Klagebegehren auch nicht schlüssig sei. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens liefe damit auf einen reinen Erkundungsbeweis hinaus.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der hier angestrebten Verbesserung eines Sachverständigengutachtens Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei, die ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ‑ nicht zulässig ist.

I. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren unter anderem auch deshalb abgewiesen, weil sie das Klagebegehren als unbestimmt und unschlüssig erachtet haben. Diesem Abweisungsgrund und den dazu erstatteten Ausführungen der Vorinstanzen tritt der Revisionswerber in seinem Rechtsmittel inhaltlich gar nicht entgegen.

II. Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf verwiesen, dass der Sachverständige aus dem zwischen ihm und seinem Auftraggeber geschlossenen Vertrag verpflichtet ist, nach den Regeln der Wissenschaft sein Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige haftet grundsätzlichen nicht, wenn das von ihm erstattete Gutachten den Regeln der Wissenschaft entspricht (RIS‑Justiz RS0021664). Im Allgemeinen hat aber der Besteller aus dem mit dem Sachverständigen geschlossenen Vertrag keinen Anspruch auf ein bestimmtes, von ihm einzig als „richtig“ akzeptiertes Ergebnis des Gutachtens (hier: auf Übereinstimmung eines Bewertungsgutachtens mit einem früher eingeholten Gutachten). Dies dürfte mittlerweile offenbar auch der Revisionswerber erkennen, der in der Revision versucht, seinen Anspruch auf ein „richtiges“ Gutachten ua auch im Sinne des Anspruchs zu deuten, er habe Anspruch auf ein fach- und sachgerechtes Gutachten; dazu zählt er verschiedene Umstände auf, aus denen er schließt, dass die Beklagte in verschiedener Hinsicht ein solches Gutachten nicht erstattet habe.

III. Abgesehen davon, dass es sich bei den dazu vorgebrachten Behauptungen zu einem erheblichen Teil um in dieser Form in erster Instanz nicht vorgebrachte und daher unzulässige Neuerungen handelt, ist auch aus diesem Vorbringen für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Die vom Revisionswerber aufgezählten Mängel finden in seinem Leistungsbegehren nämlich keinerlei Niederschlag. Dieses Begehren richtet sich vielmehr auf Übergabe eines „der Höhe nach richtigen“ Gutachtens, wobei die „Richtigkeit“ des Ergebnisses des zu übergebenden Gutachtens ausschließlich durch den Verweis auf das „vom gerichtlichen Sachverständigen … erstattete Schätzgutachten“ präzisiert wird, was aber einerseits dem Umstand widerspricht, dass der Sachverständige kein der Höhe nach bestimmtes Ergebnis seines Gutachtens schuldet, andererseits aber auch das Klagebegehren schon deshalb unbestimmt macht, weil damit nicht einmal klar ist, ob sich der Kläger auf ein bereits vorliegendes Gutachten oder auf ein erst im gerichtlichen Verfahren zu erstattendes Gutachten bezieht, dessen Einholung das Berufungsgericht im Übrigen unter den gegebenen Umständen in vertretbarer Weise als Durchführung eines Erkundungsbeweises qualifiziert hat.

IV. Das Gericht darf eine Partei nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht bedacht hat (vgl RIS‑Justiz RS0037300); dies gilt auch im Fall der Unschlüssigkeit des Klagebegehrens. Dieser Grundsatz wird aus den §§ 182, 182a ZPO abgeleitet (RIS‑Justiz RS0108816). Nach diesen Bestimmungen ist das Gericht allerdings nicht zur Erörterung eines Vorbringens gezwungen, dessen Schwächen bzw Ergänzungsbedürftigkeit bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen des Gegners hat die betroffene Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365).

V. Das Erstgericht hat bereits in seinem Verbesserungsbeschluss vom 7. 12. 2012 (ON 2) Bedenken gegen die Schlüssigkeit des (ursprünglichen) Leistungsbegehrens unter anderem mit der Begründung geäußert, dass der Anspruch auf ein „richtiges Gutachten“ nicht exequierbar sei. Die Beklagte wendete in weiterer Folge die mangelnde Schlüssigkeit auch des verbesserten Klagebegehrens ein.

Der Kläger hat den im Ergebnis zutreffenden Einwänden in keiner Weise Rechnung getragen, sodass das Berufungsgericht zu Recht in der Abweisung des Klagebegehrens (auch) mangels Schlüssigkeit und Bestimmtheit keine unzulässige Überraschungsentscheidung sah.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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