OGH 10Ob4/14g

OGH10Ob4/14g25.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L*****, geboren am *****, vertreten durch die Mutter A*****, diese vertreten durch Mag. Claudius May, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters B*****, vertreten durch Mag. Markus Huber, Rechtsanwalt in Salzburg, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 10. Dezember 2013, GZ 21 R 374/12i, 21 R 16/13v‑154, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00004.14G.0225.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die vom Rechtsmittelwerber für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bezeichnete Frage, ob der Mangel des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz durch die Möglichkeit einer Stellungnahme im Revisionsrekursverfahren behoben werden kann, stellt sich nicht, war er doch schon im Rekursverfahren Rechtsmittelwerber. Im Übrigen muss der (Revisions-)Rekurswerber, um einen erheblichen Verfahrensverstoß durch Verletzung des rechtlichen Gehörs wirksam geltend zu machen, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Rechtsmittel die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzeigen (5 Ob 1/09x; 1 Ob 155/10s ua). Um dem Rechtsmittelgericht die Prüfung, ob nicht eine Bestätigung „selbst aufgrund der Angaben im (Revisions‑)Rekursverfahren“ oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen erfolgen kann (§ 58 Abs 1 und 2 AußStrG), zu ermöglichen, muss von einem Revisionsrekurswerber, der die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, gefordert werden, dass er seine Rüge durch Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes entsprechend konkretisiert (RIS‑Justiz RS0123872). Diesem Gebot genügt die Ausführung im Revisionsrekurs nicht, bei Abführung eines mängelfreien Verfahrens wäre das Erstgericht „mit Sicherheit zu einem anderen Schluss gelangt und hätte weder das Besuchsrecht des Kindesvaters eingeschränkt noch die Anträge des Kindesvaters auf Verhängung von Zwangsmaßnahmen zur Einhaltung der (bisher) rechtswirksamen Besuchsrechtsregelung sowie auf Übertragung der alleinigen Obsorge abgewiesen“.

Das Erstgericht hat im angefochtenen Beschluss den entscheidungswesentlichen Inhalt der eingeholten Stellungnahmen, von denen der Rechtsmittelwerber vor der Beschlussfassung nicht verständigt worden war, ausreichend dargestellt, sodass der Rechtsmittelwerber im Rekurs die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes konkretisieren konnte. Welches zusätzliche Vorbringen er erstattet oder welche Beweisanträge er gestellt hätte, hätte er vor der Beschlussfassung zu den Erhebungsergebnissen Stellung nehmen können, hat er im Rekurs nicht dargetan.

Dass die damals sechs Jahre alte Tochter des Rechtsmittelwerbers nicht vom Erstgericht gehört wurde, begründet keinen Verfahrensverstoß, konnte sie doch durch den Jugendwohlfahrtsträger gehört werden (§ 105 Abs 1 AußStrG). Der Standpunkt des Kindes ist in der Stellungnahme des Jugendamts wiedergegeben und im Beschluss des Erstgerichts festgehalten.

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt, eingeschränkt oder gar entzogen werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommen, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0097114 [T10]) oder das Kindeswohl verletzt wurden (RIS‑Justiz RS0097114 [T1]). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stellt die unversöhnte Elternbeziehung eine große Belastung für die Minderjährige dar. Vor allem der Rechtsmittelwerber bezieht seine Tochter immer wieder in den Elternkonflikt ein. Durch sein Drängen auf Solidarität mit seinen Interessen bringt er das Kind in einen schweren Loyalitätskonflikt. Er wertet die Mutter gegenüber der Tochter konsequent ab und versucht, sie in den Augen des Kindes in ein schlechtes Licht zu stellen. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass vor diesem Hintergrund das Kindeswohl die vorläufige Einschränkung des Kontaktrechts erfordert, ist jedenfalls vertretbar (vgl 10 Ob 61/03y; RIS‑Justiz RS0047996 [T4]; RS0047782 [T5]).

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Mutter die Obsorge nicht zu entziehen ist, weil eine Gefährdung des Kindeswohls durch das Verhalten der Mutter nicht objektiviert werden konnte, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Im Hinblick darauf, dass der Revisionsrekurs gegen den den Beschluss des Erstgerichts ON 119 bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts nicht zulässig ist, kommt der Frage, ob das Rekursgericht den Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts ON 96 über die Änderung des Kontaktrechts zu Recht zurückgewiesen hat, nur noch theoretische Bedeutung zu, sodass auch insoweit eine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist.

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