Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 163,14 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin veranstaltet berufsbegleitende Kurse für die Ausbildung zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger/zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester. Die Beklagte wurde im Jänner 2013 auf einen solchen Kurs aufmerksam, der im Oktober 2012 begonnen hatte. Sie erkundigte sich telefonisch bei der Klägerin, ob sie daran noch teilnehmen könne. Eine Mitarbeiterin der Klägerin bestätigte ihr, dass sie bei der nächsten Veranstaltung am 1. Februar 2013 in den Kurs einsteigen könne, und übermittelte ihr die Anmeldeunterlagen. Dazu gehörten ein Anmeldeformular, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, eine Kursbeschreibung mit den einzelnen Terminen und Unterlagen zur Beurteilung der Aufnahmevoraussetzungen, die von der Beklagten auszufüllen waren. Die Kosten gab die Klägerin wie folgt an:
„Die Ausbildungskosten betragen […] monatlich 340 EUR. Somit ergeben sich über die Gesamtausbildungsdauer (Oktober 2012 ‑ April 2016) 44 Beitragsmonate und eine Gesamtinvestition von 14.960 EUR [...].“
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten einen Hinweis auf das Rücktrittsrecht nach § 5d KSchG. Daran schloss sich folgende Klausel:
„Erfolgt ein Vertragsabschluss zur Teilnahme an einem Seminar bzw. Kurs innerhalb von 7 Tagen vor Beginn der jeweiligen Veranstaltung, ist die Inanspruchnahme des kostenfreien Rücktritts ausgeschlossen. Sollte dennoch vom Kurs- bzw. Seminarteilnehmer der Rücktritt oder eine Nichtteilnahme an der Veranstaltung erklärt werden, ist dennoch die gesamte Kursgebühr zu entrichten.“
Die Beklagte übermittelte der Klägerin am 25. Jänner 2013 mit E-Mail ihre Anmeldung. Am selben Tag stellte die Klägerin eine Rechnung über die gesamten Ausbildungskosten von 14.960 EUR aus, die sie im Postweg an die Beklagte übermittelte. Die Rechnung enthielt den Aufdruck: „Wir danken Ihnen für Ihren Auftrag. Zahlbar nach Erhalt der Rechnung.“ Die Möglichkeit einer monatlichen Zahlung wurde nicht erwähnt.
Nach Zugang der Rechnung teilte die Beklagte der Klägerin mit E-Mail vom 31. Jänner 2013 mit, dass sie aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen aus dem Vertrag „aussteigen“ wolle. An den Kursveranstaltungen nahm sie nicht teil.
Die Klägerin begehrt 14.960 EUR. Es sei ein Vertrag zustande gekommen. Der Rücktritt der Beklagten sei nicht wirksam, weil mit der Vertragserfüllung gegenüber der Klägerin am 1. Februar 2013, also innerhalb von sieben Werktagen nach Vertragsabschluss, begonnen werden sollte (§ 5f Z 1 KSchG). Die dies regelnde Klausel in den AGB sei ausreichend transparent.
Die Beklagte wendet ein, dass kein Vertrag zustande gekommen sei, weil Dissens über die Fälligkeit des Entgelts bestanden habe. Jedenfalls sei aber der innerhalb von sieben Werktagen erklärte Rücktritt wirksam, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfüllungshandlung gegenüber der Beklagten gesetzt habe. Die erste Seminarveranstaltung, an der die Beklagte teilnehmen sollte, habe erst am Tag nach dem Rücktritt stattgefunden. Zudem sei die in den AGB enthaltene Information über das Rücktrittsrecht intransparent gewesen.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.
Zwar sei ein Vertrag zustande gekommen, die Beklagte sei aber wirksam zurückgetreten. Denn das Rücktrittsrecht entfalle nach § 5f Z 1 KSchG nur dann, wenn der Unternehmer bereits Erfüllungshandlungen gegenüber dem Verbraucher gesetzt habe. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Weiters müsse der Unternehmer den Verbraucher gesondert über die Folgen einer Leistungserbringung vor Ablauf der Rücktrittsfrist informieren; sonst bleibe das Rücktrittsrecht aufrecht. Darüber werde der Verbraucher in den AGB nicht aufgeklärt; er werde vielmehr aufgrund der Klausel meinen, dass bereits die Vereinbarung der Leistungsfrist zum Entfall des Rücktrittsrechts führe. Die Klausel sei daher nach § 6 Abs 3 KSchG intransparent und für die Beklagte unwirksam. Die Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob sich der Unternehmer auch dann auf § 5f Z 1 KSchG berufen könne, wenn er noch keine Erfüllungshandlung gesetzt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Richtig ist, dass Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob der Rücktritt von einem Fernabsatzgeschäft nach § 5f Z 1 KSchG erst dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer schon mit Erfüllungshandlungen gegenüber dem Verbraucher begonnen hat, oder ob es für den Ausschluss des Rücktritts genügt, dass ‑ wie hier ‑ Erfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist vereinbart wurde. Ersteres entspricht zwar der praktisch einheitlichen Lehre (Apathy in Schwimann 3 § 5f KSchG Rz 2; Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG3 § 5f Rz 2; Krejci in Rummel 3 §§ 5a - 5i KSchG Rz 34; Schurr in Klang3 § 5f KSchG Rz 3) und ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien (EB zur RV 1998 BlgNR 20. GP 25 f), kann aber aus dem Wortlaut der Bestimmung tatsächlich nicht zwingend abgeleitet werden. Denn das Gesetz verwendet in Bezug auf den Beginn der Erfüllung das Präsens („begonnen wird“), nicht eine Vergangenheitsform („begonnen wurde“ oder „begonnen worden ist“). Damit scheint die Auslegung der Klägerin vertretbar, wonach bei vereinbartem Beginn der Erfüllung innerhalb von sieben Werktagen ab Vertragsschluss ein Rücktritt auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer noch keine Erfüllungshandlung gesetzt hat.
2. Dieser Wortlaut hilft der Klägerin aber nicht weiter. Denn die §§ 5e und 5f KSchG dienen der Umsetzung der FernabsatzRL (RL 97/7/EG) und sind daher richtlinienkonform auszulegen (4 Ob 204/12x mwN). In der Richtlinie ist die Formulierung aber eindeutig. Denn dort lautet die § 5f Z 1 KSchG zugrunde liegende Bestimmung (Art 6 Abs 3) wie folgt:
„Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, kann der Verbraucher das in Absatz 1 vorgesehene Widerrufsrecht nicht ausüben bei
- Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen, deren Ausführung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Frist von sieben Werktagen gemäß Absatz 1 begonnen hat; [..]“
Auch die englische und die französische Fassung beziehen sich auf eine bereits begonnene Dienstleistung: „if performance has begun“ bzw „dont l'exécution a commencé“. Der Widerruf ist daher schon nach dem Wortlaut der Richtlinienbestimmung nur dann ausgeschlossen, wenn der Unternehmer bereits eine Erfüllungshandlung gesetzt hat. Das entspricht auch dem offenkundigen Zweck dieser Regelung: Der Unternehmer soll davor geschützt werden, dass der Verbraucher zurücktritt, nachdem die Dienstleistung schon ‑ zumindest teilweise ‑ erbracht wurde. Dieses Problem stellt sich aber nicht, wenn der Unternehmer ohnehin noch gar nicht tätig geworden ist. Noch klarer wird das in der ‑ hier allerdings noch nicht anwendbaren ‑ Neuregelung des Fernabsatzrechts mit der VerbraucherrechteRL (RL 2011/83/EU) , wonach der Widerruf nur bei vollständiger Erfüllung der Vertragspflicht ausgeschlossen ist (Art 16 lit a RL 2011/83/EU ).
3. § 5f Z 1 KSchG ist auf dieser Grundlage dahin auszulegen, dass der Rücktritt erst dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer eine Erfüllungshandlung gegenüber dem Verbraucher gesetzt hat. Schon aus diesem Grund muss die Revision der Klägerin scheitern. Daher kann offen bleiben, ob überhaupt ein Vertrag zustande kam, obwohl Angebot (Kursanmeldung) und Annahme (Rechnung) in Bezug auf die Zahlungsmodalitäten nicht übereinstimmten, und ob die Information über den Ausschluss des Rücktrittsrechts ausreichend transparent war, was nach der in einem Verbandsklageverfahren ergangenen Entscheidung 7 Ob 84/12x wohl zu verneinen wäre.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)