OGH 12Os144/13p

OGH12Os144/13p23.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nagl als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Hüseyin S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 25. September 2013, GZ 26 Hv 29/13i‑31, sowie seine Beschwerde gegen einen Beschluss nach §§ 50, 51 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und dem zufolge auch der Beschluss auf Erteilung von Weisungen nach §§ 50, 51 StGB aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Betroffene Hüseyin S***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er am 19. November 2011 in L***** unter dem Einfluss einer primären Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, impulsiven und narzisstischen Anteilen, einer rezidivierenden depressiven Störung und einem Alkoholabhängigkeits‑ syndrom, einer psychotischen Störung mit wahnhaftem Erleben, Agitiertheit, psychomotorischer Unruhe und Dysphorie, somit eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, Süleyman G***** gefährlich mit dem Tod bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er diesen an der Kleidung erfasste und ihm gleichzeitig eine Schere an den Hals hielt, also eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustands als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zugerechnet würde, wobei nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er ohne Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Gemäß § 45 Abs 1 StGB wurde die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Im Ergebnis zutreffend zeigt der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge (Z 5) auf, dass das Urteil an einem Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmangel hinsichtlich der erheblichen Tatsache (zur Unterscheidung von entscheidenden Tatsachen vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 409) der Verwendung einer Schere als Mittel zur Drohung mit dem Tode leidet, weil der Zeuge Süleyman G*****, auf dessen im Urteil (aktenkonform) wiedergegebenen Aussagen (US 6 f) sich das Gericht gestützt hat (US 8), angab, den ihm vom Betroffenen an den Hals gehalten Gegenstand nicht erkannt zu haben (ON 2 S 17 vorletzter Absatz; ON 30 S 7 Mitte); weshalb das Gericht trotzdem von einer Drohung mittels einer Schere ausgegangen ist, lässt das Urteil unbeantwortet. Die aus dem äußeren Tatgeschehen, nämlich dem Anhalten einer Schere an den Hals, abgeleiteten Feststellungen zur subjektiven Tatseite, dass der (leugnende) Betroffene Süleyman G***** gefährlich mit dem Tod bedrohen wollte (US 9, vgl auch US 11), ist demnach ebenfalls unzureichend begründet. Denn die Tatrichter haben in der Verwendung einer Schere eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache, nämlich der aus dem äußeren Tatgeschehen erschlossenen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) subjektiven Tatseite in Ansehung einer Drohung mit dem Tode, erblickt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).

Auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde war daher nicht einzugehen.

Die Aufhebung des Ausspruchs der (bedingt nachgesehenen) Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB bedingt auch die Aufhebung der ‑ im Übrigen hinsichtlich der nicht näher definierten „hausärztlichen Kontrolle“, „fachärztlichen“ Untersuchung und dem Halten von „regelmäßigem Kontakt mit einem psychosozialen Dienst“ unbestimmten (vgl RIS‑Justiz RS0092363 [T2, T3]; Schroll in WK² StGB § 51 Rz 7) ‑ Weisungen nach §§ 50, 51 StGB.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur das Urteil zur Gänze und demgemäß auch der ‑ im Übrigen zu Unrecht in das Urteil aufgenommene (vgl Schroll in WK² § 50 Rz 16; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 50) ‑ Beschluss auf Erteilung von Weisungen nach §§ 50, 51 StGB aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache an das Landesgericht Feldkirch zu verweisen.

Mit seiner bloß angemeldeten Berufung und der (impliziten) Beschwerde war der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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