Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil (in der berichtigten Fassung) einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.334,06 EUR bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin enthalten 389,01 EUR an USt) und die mit 1.872,68 EUR bestimmten Kosten der Revision (darin enthalten 279,78 EUR an USt und 194 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger (als Käufer) vereinbarte mit dem Lebensgefährten der Beklagten (als Verkäufer) mündlich, von diesem zwei Liegenschaften um den Kaufpreis von 320.000 EUR zu erwerben. Der Verkäufer war in schlechten finanziellen Verhältnissen und verlangte, dass im schriftlichen Kaufvertrag nur ein Kaufpreis von 280.000 EUR ausgewiesen sei; über den restlichen an ihn zu leistenden Betrag von 40.000 EUR sei eine Schuldurkunde beim Notar zu errichten, in der der Name des Verkäufers nicht aufscheinen dürfe, um diesen nicht an seine Gläubiger abführen zu müssen. Am 4. Jänner 2008 erfolgte nicht nur die Unterfertigung des Kaufvertrags zwischen dem Kläger und dem Verkäufer mit einem Kaufpreis von 280.000 EUR bei einem Notar, sondern auch die Unterfertigung der nachstehenden Schulderklärung in Gestalt eines vollstreckbaren Notariatsakts durch den Kläger und die Beklagte:
„ [Der Kläger] bestätigt, [der Beklagten] einen Betrag von EUR 40.000,00 schuldig zu sein, welcher ihm zum Ankauf der Liegenschaft [des Verkäufers] aufgrund des Kaufvertrages vom 4. 1. 2008 zur Verfügung gestellt wurde. [Der Kläger] verpflichtet sich, den Betrag von EUR 10.000,00 binnen einer Woche und den Restbetrag von EUR 30.000,00 binnen sechs Wochen nach grundbücherlicher Durchführung des Kaufvertrages an [die Beklagte] zurückzuzahlen.“
Bis zur Vertragsunterfertigung hatte der Kläger mit der Beklagten (der Lebensgefährtin des Verkäufers) noch keinen Kontakt gehabt, sämtliche Gespräche zur Schulderklärung wurden zwischen dem Verkäufer und dem Kläger geführt. Die Beklagte hatte dem Kläger kein Darlehen gewährt, zwischen den beiden ist kein Geld geflossen und es sollte kein Darlehensvertrag abgeschlossen werden; die beiden waren sich einig, dass nur der Schein eines Rechtsgeschäfts hervorgerufen werden soll (Ersturteils S 7).
Der Kläger bezahlte die erste Rate von 10.000 EUR an die Beklagte. Aufgrund behaupteter Schadenersatz-, Gewährleistungs- und Preisminderungs-ansprüche gegen den Verkäufer war der Kläger nicht mehr bereit, den Restbetrag in Höhe von 30.000 EUR zu leisten.
Das Erstgericht bewilligte der Beklagten mit Beschluss vom 10. Oktober 2011 aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts vom 4. Jänner 2008 zur Hereinbringung von 30.000 EUR sA gegen den Kläger die Forderungsexekution nach § 294a EO, die Fahrnisexekution sowie die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft; die Forderungs- und Fahrnisexekutionen wurden ausgeschieden und unter einem anderen Aktenzeichen weiter behandelt.
Der Kläger begehrt die Unzulässigerklärung der bewilligten Exekutionen mit der Begründung, es handle sich bei dem vollstreckbaren Notariatsakt um ein Scheingeschäft, ein wirksamer Exekutionstitel liege nicht vor. Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen habe der Verkäufer verlangt, dass neben dem ausgewiesenen Betrag von 280.000 EUR, den der Kläger im Übrigen bezahlt habe, ein weiterer Betrag von 40.000 EUR bezahlt werden solle, für den ein als Darlehensvertrag deklarierter „Scheinvertrag“ unterschrieben werden solle, in dem die Beklagte als Darlehensgeberin aufscheinen solle. Tatsächlich habe es sich dabei um eine Zusatzvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Verkäufer gehandelt; es sei zwischen den Streitteilen weder ein Darlehensvertrag abgeschlossen noch eine entsprechende Leistung aus einem solchen Vertrag erbracht worden. Das dem Notariatsakt zugrunde liegende Rechtsgeschäft zwischen den Streitteilen entspreche nicht wechselseitigen Willenserklärungen und daher nicht der tatsächlichen Rechtslage bzw dem tatsächlichen Inhalt des vom Kläger ausschließlich mit dem Verkäufer abgeschlossenen Kaufvertrags. Der Notariatsakt könne das tatsächlich nicht bestehende Grundgeschäft nicht sanieren. Es bilde einen Impugnationsgrund, wenn aufgrund eines nur zum Schein abgeschlossenen Vergleichs vereinbarungswidrig Exekution geführt werde; das müsse auch für jeden anderen übereinstimmend nur zum Schein geschaffenen Exekutionstitel gelten. Da sich nachträglich zahlreiche Umstände ergeben hätten, die Schadenersatz-, Gewährleistungs- und Preisminderungsansprüche des Klägers gegen den Verkäufer zur Folge hätten, bestehe keine Bereitschaft, restliche 30.000 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte bestritt ein Scheingeschäft und wendete ein, auf der vom Kläger erworbenen Liegenschaft hätten sich Fahrnisse der Beklagten befunden, welche der Kläger ebenfalls habe kaufen wollen. Anlässlich der Kaufvertragsunterfertigung habe der Kläger mitgeteilt, dass er den Kaufpreis für die Fahrnisse der Beklagten nicht habe, weshalb sich die Streitteile aus Kostengründen und auch auf Wunsch des Klägers darauf geeinigt hätten, den Notariatsakt zu unterfertigen. Die erste Rate von 10.000 EUR sei auch bezahlt worden. Der offensichtliche Parteiwille umfasse nicht die Vereinbarung, dass aufgrund des Notariatsakts nicht Exekution geführt werden dürfe.
Das Erstgericht ging von dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen, zum Teil disloziert festgestellten Sachverhalt aus und gab der Klage statt, weil es einen Impugnationsgrund bilde, wenn von den Parteien übereinstimmend nur zum Schein ein Exekutionstitel geschaffen worden sei, dessen Inhalt nicht der wahren Parteiabsicht entspreche.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil in eine Klageabweisung ab. Es verwarf die Beweisrüge und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. In der Argumentation in der Rechtsrüge, der Darlehensvertrag verdecke einen Vertrag zugunsten einer Dritten, nämlich der Beklagten, der 40.000 EUR zugewendet werden sollten, erblickte es einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot. Allerdings erachtete es das Vorbringen des Klägers als unschlüssig, weil eine über die Parteienabsicht hinausgehende Exekutionsführung, die einem Exekutionsverzicht gleichzuhalten sei, nur dann vorliege, wenn die Parteien bei Schaffung des Titels die Absicht gehabt hätten, diesen nicht einer Zwangsvollstreckung zugrunde zu legen. Nur die (ursprüngliche) übereinstimmende Absicht, nicht Exekution führen zu wollen, sei dem (nachträglichen) Exekutionsverzicht gleichzusetzen und daher in analoger Anwendung des § 36 Abs 1 Z 3 EO ein Impugnationsgrund.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich doch für zulässig, weil es als Impugnationsgrund ausreichend sein könnte, dass die Existenz eines Scheingeschäfts behauptet werde.
Der Kläger strebt mit seiner Revision die Wiederherstellung des Ersturteils an, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung. Es liege ein zur Gänze nichtiger Exekutionstitel vor, auf den sich die Beklagte gar nicht berufen könne, sodass es keiner gesonderten Vereinbarung über die Nichtführung einer Exekution bedürfe. Es verstehe sich von selbst, dass niemand mit einem nichtigen Notariatsakt als Exekutionstitel in den Genuss einer Exekutionsführung kommen könne.
Die Beklagte bestreitet in ihrer Revisionsbeantwortung sowohl die Zulässigkeit als auch die inhaltliche Berechtigung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil darin eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zum Umfang der Behauptungslast des Klägers aufgezeigt wird, und deshalb das Rechtsmittel im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils auch berechtigt ist.
1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits festgehalten, dass der Verpflichtete, der behauptet, dass die Exekutionsbewilligung nicht mit der dem Exekutionstitel zugrundeliegenden Parteienabsicht im Einklang stehe, Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung erheben kann, wobei der Klagegrund nach § 36 Abs 1 Z 3 EO (Exekutionsverzicht) analog anwendbar sei (1 Ob 537/78 = JBl 1979, 267; 3 Ob 53, 54/92). Weiters wurde ausgesprochen, dass dies auch gilt, wenn die Parteien die in der Vergleichsurkunde festgehaltenen Willenserklärungen im wechselseitigen Einverständnis (zumindest teilweise) bloß zum Schein abgegeben haben, also für den Fall eines Scheingeschäfts iSd § 916 Abs 1 ABGB; auch ein solcher Fall ist mit dem Exekutionsverzicht vergleichbar, der gemäß § 36 Abs 1 Z 3 EO einen Grund für Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung bildet, weshalb auch hierauf diese Bestimmung analog anzuwenden ist (3 Ob 50/92 [der Entscheidungsbegründung ist eine gesonderte Behauptung der Klägerin, eine Exekutionsführung sei nicht beabsichtigt gewesen, nicht zu entnehmen]).
Es entspricht auch der herrschenden Ansicht im Schrifttum, dass dem Scheingeschäft ein durch Parteienvereinbarung zustande gekommener Exekutionstitel (wie zB ein vollstreckbarer Notariatsakt), dessen Inhalt nicht der wahren Parteienabsicht entspricht, gleichzusetzen ist, sodass der Verpflichtete einer auf einen solchen Exekutionstitel gestützten Exekutionsbewilligung jedenfalls mit Impugnationsklage entgegentreten kann (Jakusch in Angst 2 § 36 EO Rz 32 f; vgl Deixler‑Hübner/Rebernig in Burgstaller/Deixler‑Hübner EO § 36 Rz 32).
2. Wird schon die Schaffung eines Exekutionstitels (hier eines vollstreckbaren Notariatsakts), in dem ein beiderseits gewolltes Scheingeschäft dokumentiert ist, einem Exekutionsverzicht gleichgehalten, so bedarf es einer weitergehenden Behauptung, die Parteien hätten damals die Absicht gehabt, den Titel einer Zwangsvollstreckung nicht zugrunde zu legen, nicht. Denn allein die Absicht, nur zum Schein eine Verpflichtung des (später) Verpflichteten festzulegen, schließt es aus, dieser „Verpflichtung“ die Durchsetzbarkeit im Weg einer Zwangsvollstreckung zu gewähren und einen entsprechenden Parteiwillen anzunehmen. Andernfalls, wenn also ein als solches erkanntes Scheingeschäft dennoch durchsetzbar wäre, würde die Möglichkeit eröffnet, Vereinbarungen, die dem wahren Willen der beteiligten Parteien gar nicht entsprechen, sondern ‑ wie hier ‑ der Gläubigerbenachteiligung dienen sollen, dessen ungeachtet mit staatlicher Hilfe zu vollziehen.
Von einem unschlüssigen Vorbringen des Klägers kann daher keine Rede sein. Abgesehen davon wäre in der nachgetragenen Behauptung, die mit dem Scheingeschäft geschaffene Verpflichtung solle nicht zwangsvollstreckt werden, bloß eine Ergänzung des Klagevorbringens zu erblicken, der die Eventualmaxime nicht entgegensteht (RIS‑Justiz RS0001307).
3. Nach den Feststellungen bestand Einigkeit zwischen dem Kläger und der Beklagten, dass mit dem vollstreckbaren Notariatsakt nur der Schein einer Zahlungspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten hervorgerufen werden soll, und diente dessen Errichtung nur dazu, dass der Verkäufer gegenüber seinen Gläubigern eine Forderung über 40.000 EUR verheimlichen kann. Das Argument der Revisionsbeantwortung, der Inhalt des Notariatsakts verdecke einen Vertrag zu Gunsten der Beklagten als Dritte, mit dem ihr 40.000 EUR zugewendet werden sollten, übergeht daher in unzulässiger Weise den festgestellten Sachverhalt. Das verdeckte Geschäft war tatsächlich die mündliche Vereinbarung einer weiteren Kaufpreisschuld des Klägers gegenüber dem Verkäufer von 40.000 EUR (zusätzlich zu den im schriftlichen Kaufvertrag genannten 280.000 EUR). Aus diesem Rechtsgrund existiert kein Exekutionstitel, insbesondere nicht zugunsten der Beklagten.
4. Das Erstgericht hat der Impugnationsklage daher zu Recht stattgegeben, weshalb das Ersturteil einschließlich der unbekämpft gebliebenen Kostenentscheidung wiederherzustellen ist.
Die Kostenentscheidung zum Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der ‑ zutreffend verzeichneten ‑ Kosten seiner Berufungsbeantwortung und seiner Revision.
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