OGH 10ObS161/13v

OGH10ObS161/13v17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Robert Brunner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. Juli 2013, GZ 10 Rs 37/13d‑27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 21. November 2012, GZ 35 Cgs 119/12i‑20 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00161.13V.1217.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin lebt zumindest seit 8. 10. 2010 in Österreich. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 5. 3. 2012 wurde ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005 als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 22. 3. 2013 erteilt. Ihr Antrag auf Zuerkennung des Status gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 wurde abgewiesen.

Die Klägerin ist am linken Auge erblindet. Dem rechten Auge wurde die Linse entfernt, sodass mit Zusatzkorrekturen lediglich eine Sehschärfe von 0,1 erzielt werden kann. Das Gesichtsfeld des rechten Auges ist weitgehend ‑ von mehr als einer Quadrantenanopsie - verfallen. Eine Besserbarkeit diese Zustandsbilds ist auszuschließen.

Mit Bescheid vom 14. 3. 2012 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 30. 1. 2012 auf Zuerkennung des Pflegegeldes mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht dem anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem Bundespflegeldgesetz angehöre.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, ihr ab 1. 2. 2012 das Pflegegeld im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung und wendete zusammengefasst ein, die Klägerin sei als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 3a Abs 2 Z 2 BPGG einem österreichischen Staatsbürger nicht gleichgestellt. Da sie immer nur über eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung verfüge und ihr daher gemäß § 13 AsylG nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukomme, bestehe kein Anspruch auf Pflegegeld.

Das Erstgericht sprach der Klägerin das Pflegegeld der Stufe 3 ab 1. 2. 2012 bis zum 22. 3. 2013 zu. Rechtlich ging es davon aus, dass die Klägerin als hochgradig sehbehindert iSd § 4a Abs 4 BPGG anzusehen sei, weshalb ihr Pflegegeld der Stufe 3 gebühre. Als subsidiär Schutzberechtigte falle sie in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/83/EG . Diese Richtlinie enthalte Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen. Nach Art 29 Abs 1 der RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige des die Rechtsstellung gewährenden Mitgliedstaats Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Im Erwägungsgrund 35 der Richtlinie werde ausgesprochen, dass bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die Möglichkeiten der Einschränkung von Leistungen auf Kernleistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, sei so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasse, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsbürgern gewährt werde. Da es sich beim Pflegegeld um Leistungen aus der Krankenversicherung handle und die Richtlinie auch den Begriff des Mindesteinkommens bei Krankheit vorsehe, sei der Kernbereich nicht auf die bloße medizinische Versorgung im engeren Sinn zu beschränken, sondern umfasse auch die Leistung von Pflegegeld. Die in § 3a BPGG ersichtlichen Einschränkungen seien so zu verstehen, dass nur kurzfristig in Österreich aufhältige Personen wie Touristen und Asylwerber sowie nicht erwerbstätige EWR‑Bürger (ausgenommen Österreicher) und Schweizer während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts keinen Anspruch auf Pflegegeld haben sollen. Da die Klägerin aber als subsidiär Schutzberechtigte jedenfalls über einen längeren Zeitraum in Österreich aufhältig sei, seien die diesbezügliche Einschränkungen des BPGG richtlinienkonform auszulegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, dass subsidiär Schutzberechtigte Personen seien, denen dieser Status nach § 8 AsylG zuerkannt wurde, weil eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Subsidiär Schutzberechtigten komme nur eine jeweils befristete (verlängerbare) Aufenthaltsbewilligung zu. Die Personengruppe der subsidiär Schutzberechtigten werde weder bei den nach § 3a Abs 1 und 2 BPGG den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellten noch bei den nach § 3a Abs 3 BPGG vom Pflegegeldbezug ausgeschlossenen Personen genannt. Art 28 Abs 1 der Statusrichtlinie 2004/83/EG garantiere subsidiär Schutzberechtigten den Zugang zu notwendigen Sozialhilfeleistungen wie für eigene Staatsangehörige. Nach § 28 Abs 2 der RL haben die Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, die Sozialhilfe für Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte auf „Kernleistungen“ zu beschränken. Nach Erwägungsgrund 34 sei diese Möglichkeit so zu verstehen, dass diese Kernleistungen jedenfalls neben einem Mindesteinkommen und der Unterstützung bei Schwangerschaft und Elternschaft auch jene bei Krankheit umfasse, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates eigenen Staatsangehörigen gewährt werden. Da es sich europarechtlich beim österreichischen Pflegegeld um eine Leistung bei Krankheit handle, sei subsidiär Schutzberechtigten ab dem Zeitpunkt der Zuerkennung dieses Status Pflegegeld wie österreichischen Staatsbürgern zu gewähren. Mit Bescheid des Bundesasylamts sei der Klägerin die befristete Aufenthaltsbewilligung bis zum 22. 3. 2013 erteilt worden. Hintergrund dieser Entscheidung sei der von der Klägerin gestellte Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, nachdem zwar der Antrag auf internationalen Schutz mittels Bescheid vom 22. 3. 2011 abgewiesen, jedoch der Status als subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt worden war. Damit sei klargestellt, dass der Klägerin bereits am 22. 3. 2011 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war und zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Pflegegeld am 30. 1. 2012 bereits bestanden habe. Die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld und dessen Höhe seien von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogen worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage bestehe, ob subsidiär Schutzberechtigte Anspruch auf Pflegegeld haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur innerstaatlichen Rechtslage:

1.1. Zum Asylgesetz:

Die Klägerin stellte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (§ 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005). Mit diesem Antrag wird die Zuerkennung des Status als Asylberechtigte begehrt. Bei Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigte gilt er als Antrag auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter. Hat das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof das Fehlen zumindest eines Erfordernisses für die Gewährung von Asyl festgestellt, etwa das Vorliegen von asylrelevanten Fluchtgründen verneint, ist zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter vorliegen.

Subsidiär Schutzberechtigte sind Personen, denen dieser Status zuerkannt wurde, weil die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention bedeuten würde (Verletzung des Rechts auf Leben, die Gefahr unmenschlicher Behandlung, von Folter oder der Todesstrafe) oder die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihren Herkunftsstaat für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde (§ 8 Abs 1 AsylG). Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, der den Status eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, von der zuerkennenden Behörde eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Diese Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen auf Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Ab 1. 1. 2014 können die subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren Aufenthalt als subsidiär Schutzberechtigte einen unbefristeten Daueraufenthaltstitel erhalten (§ 45 Abs 12 Niederlassungs‑Aufenthaltsgesetz [NAG] idF BGBl I 2013/68). Der Status als subsidiär Schutzberechtigter erlischt, wenn dem Fremden der Status als Asylberechtigtem zuerkannt wird (§ 8 Abs 7 AsylG).

1.2. Zu den Landespflegegeldgesetzen:

Nach den ‑ mit 31. 12. 2011 außer Kraft getretenen ‑ jeweiligen Landespflegegeldgesetzen war die österreichische Staatsbürgerschaft Anspruchsvoraussetzung. Es fand sich aber auch eine Aufzählung von Fremden, die österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt waren. Bei dieser Gruppe handelt es sich insbesondere um Fremde,

‑ insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt,

‑ wenn mit ihrem Heimatstaat aufgrund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit bestand ...,

‑ denen nach den Bestimmungen des AsylG Asyl gewährt wurde,

‑ Personen, die durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum begünstigt waren oder deren Familienangehörige.

In den Landespflegegeldgesetzen waren Härteklauseln vorgesehen, nach denen die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nachgesehen werden konnte, wenn es die persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung sozialer Härten geboten erschienen ließen ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 3 Rz 119 f).

 

1.3. Zum Bundespflegegeldgesetz:

Mit dem Außerkrafttreten der Landespflegegeldgesetze per 31. 12. 2011 und der Überleitung des gesamten Pflegegeldwesens in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz des Bundes waren auch im Bereich des BPGG die anspruchsberechtigten Gruppen neu zu definieren und die Gruppe der bisherigen Landespflegegeldbezieher in den Zuständigkeitsbereich des Bundes einzubeziehen.

§ 3a Abs 1 BPGG idF des PflegegeldreformG 2012 BGBl I 2011/58 gewährt Anspruch auf Pflegegeld auch ohne Grundleistung für österreichische Staatsbürger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Nach dem Wegfall der landesgesetzlichen Härtefallregelungen ist für Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft Anspruch auf Pflegegeld nur mehr dann gegeben, wenn sie vom Anwendungsbereich des § 3a Abs 2 BPGG idF des PflegegeldreformG 2012 BGBl I 2011/58 erfasst sind.

Nach diesem sind den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt:

Z 1 Fremde, die nicht unter eine der folgenden Ziffern fallen, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen oder Unionsrecht ergibt , oder

Z 2 Fremde, denen gemäß § 3 des Asylgesetzes 2005, ... Asyl gewährt wurde, oder

Z 3 Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß §§ 65 und 65a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 ... oder gemäß §§ 51 bis 54a und 57 des Niederlassungs‑ und Aufenthaltsgesetzes .... verfügen, …, oder

Z 4 Personen, die über einen Aufenthaltstitel

a) „Blaue Karte EU“ gemäß § 42 NAG

b) „Daueraufenthalt‑EG“ gemäß § 45 NAG ...

c) „Daueraufenthalt‑Familienangehöriger“ gemäß § 48 NAG ...

d) „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs 2 NAG oder

e) gemäß § 49 NAG verfügen.

Nach § 3a Abs 3 BPGG idF des PflegegeldreformG 2012 BGBl I 2011/58 haben keinen Anspruch auf Pflegegeld gemäß Abs 1 insbesondere

Z 1 Personen, die gemäß § 3 Abs 3 und 4 in den anspruchsberechtigten Personenkreis einbezogen werden können, aber noch nicht einbezogen worden sind,

Z 2 nicht erwerbstätige EWR‑Bürger, Schweizer Staatsangehörige und deren Angehörige jeweils in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts,

Z 3 Personen während ihres visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Inland,

Z 4 Personen, die nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Asylgesetz 2005 haben (Asylwerber/innen).

Den in § 3a Abs 2 BPGG genannten Personengruppen kommt somit ohne Grundleistung und ohne österreichische Staatsbürgerschaft Anspruch auf Bundespflegegeld zu. Es handelt sich hiebei um Personengruppen, deren Gleichstellung mit Inländern völkerrechtlich schon bisher verpflichtend war. Dazu gehören insbesondere EWR‑Bürger/innen und deren Familienangehörige oder anerkannte Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (Gesetzesmaterialien zum Pflegegeldreformgesetz BGBl I 2011/58, 1208 der BlgNR 24. GP 9; Greifeneder/Liebhart aaO Rz 105).

Die Gesetzesmaterialien (1208 der BlgNR 24. GP 9 f) führen im Einzelnen weiter aus:

Abs. 2 Z 1 sieht eine Gleichstellung von Fremden vor, deren Gleichbehandlung sich aus Staatsverträgen bzw. Unionsrecht ergibt. Dieses Gleichstellungselement ist gleichsam auch ein Auffangtatbestand für jene Fälle, die nicht unter die folgenden Ziffern subsumiert werden können, aber grundsätzlich gleichstellungsberechtigt sind. In diesem Zusammenhang wäre etwa an türkische Staatsbürger/innen zu denken, die noch nicht über einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt‑EG' oder 'Daueraufenthalt‑Familienangehörige' verfügen, deren Gleichstellung jedoch unter Umständen auf der Grundlage des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (64/733 EWG) bzw. dem Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrates vorgegeben ist. ...

Aus dem Unionsrecht ‑ und hier insbesondere aus der VO (EG) Nr. 883/2004 ‑ ergibt sich, dass Unionsbürger/innen und anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose sowie deren Familienangehörige die gleichen Rechte und Pflichten im Bereich der sozialen Sicherheit genießen wie Inländer/innen. Eine Exportverpflichtung in den EWR ergibt sich unmittelbar aus der VO (EG) Nr. 883/2004, sofern eine Zuständigkeit Österreichs im Bereich der Krankenversicherung besteht. Dies soll sowohl für Personen, die ihren Pflegegeldanspruch aus einer Grundleistung gemäß § 3 ableiten als auch für den anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 3a gelten. Das Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich nicht nur auf Unionsbürger/innen samt deren Familienangehörigen, letztere im Übrigen auch dann, wenn es sich dabei um Drittstaatsangehörige handelt, sondern auch auf Staatsangehörige von Norwegen, Island, Liechtenstein sowie der Schweiz und deren Familienangehörige. ... Ergänzend werden im Wege der Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 auch bestimmte Drittstaatsangehörige (die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und innerhalb der Union ein grenzüberschreitendes Element nachweisen müssen) und deren Familienangehörige den Unionsbürgern gleichgestellt. Die in Abs. 2 Z 2 bis 4 genannten Fälle betreffen daher nur jene zusätzlichen Fälle, die nicht bereits durch dieses unmittelbar anwendbare Staatsvertragsrecht bzw. Unionsrecht erfasst werden. ...

In Abs 2 Z 4 werden z.B. weitere Personengruppen gleichgestellt, soweit sie einen bestimmten Aufenthaltstitel vorweisen können, der ihnen einen privilegierten Status einräumt. Dazu zählen ..., deren Gleichstellung sich aus Art 11 bzw Art 21 der RL 2003/109/EG ergibt. Hinsichtlich des Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ ergibt sich die Gleichstellung aus Art 14 Abs 1 lit e der RL 2009/50/EG ...“

 

§ 3a BPGG idF des PflegegeldreformG 2012 wurde am 29. 7. 2011 publiziert und trat mit 1. 1. 2012 in Kraft. Die durch das SRÄG 2012, BGBl I 2013/3 mit 1. 1. 2014 erfolgte Novellierung des § 3a BPGG enthält für den vorliegenden Zusammenhang jedoch keine substantiellen Änderungen.

1.4. Zur Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B‑VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich ‑ (Grundversorgungs-vereinbarung Art 15a B‑VG BGBl I 2004/80) und zum Grundversorgungsgesetz Bund 2005 BGBl 1991/405, geändert durch BGBl 2005/100):

Subsidiär Schutzberechtigte fallen unter die Grundversorgungsvereinbarung (Art 2 Abs 1 Z 3). Nach deren Art 6 Abs 1 Z 5 umfasst die Grundversorgung ua die Sicherung der Krankenversorgung im Sinne des ASVG durch Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge, die Gewährung allenfalls darüber hinausgehender notwendiger, durch die Krankenversicherung nicht abgedeckter Leistungen nach Einzelfallprüfung (Z 6) sowie „Maßnahmen für pflegebedürftige Personen“ (Z 7). Art 9, der Kostenhöchstsätze für die Erfüllung der Aufgaben nach Art 6 regelt, sieht einen Kostenhöchstsatz für die Sonderunterbringung für pflegebedürftige Personen von 2.480 EUR pro Monat vor. Unter Maßnahmen für pflegebedürftige Personen versteht die Grundversorgungs-vereinbarung daher offenkundig nur die Sonderunterbringung Pflegebedürftiger. Eine dem Pflegegeld entsprechende Leistung ‑ etwa bei häuslicher Pflege ‑ ist nicht vorgesehen ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 3 Rz 114). Derartige Leistungen sind auch im Grundversorgungsgesetz Bund 2005, BGBl 1991/405 idF BGBl 2005/100 nicht genannt. In dessen § 1 Z 3 wird lediglich auf die gemäß Art 6 und 7 der Grundversorungsvereinbarung zu erbringenden Leistungen verwiesen.

2. Zum Unionsrecht:

2.1. Am 29. 4. 2004 hat der Rat die Richtlinie 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog „Status‑RL“) erlassen. Ziel der Richtlinie ist die Festlegung von Mindestnormen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen. Weiters soll der Inhalt des zu gewährenden Schutzes vereinheitlicht werden. Er umfasst unter anderem den Schutz vor Zurückweisung, Informationsrechte, die Wahrung des Familienverbands, den Aufenthaltstitel, den Zugang zur Beschäftigung und Bildung, die Sozialhilfe, den Zugang zu Wohnraum, zu medizinischer Versorgung sowie zu Integrationsmaßnahmen. Nach Art 28 („Sozialhilfe-leistungen“) tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der die jeweilige Rechtsstellung gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Abweichend von dieser allgemeinen Regel des Abs 1 können die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

Art 29 der RL 2004/83/EG regelt die medizinische Versorgung. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige des die Rechtsstellung gewährenden Mitgliedstaats Zugang zu medizinischer Versorgung haben (Abs 1). Abweichend von der allgemeinen Regel nach Abs 1 können die Mitgliedstaaten die medizinische Versorgung beschränken, die sie dann im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren (Abs 2). Nach Art 29 Abs 3 gewährleisten die Mitgliedstaaten unter denselben Voraussetzungen wie Staatsangehörigen des die Rechtsstellung gewährenden Mitgliedstaats eine angemessene medizinische Versorgung von Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die besondere Bedürfnisse haben, wie schwangere Frauen, Menschen mit Behinderungen, Personen die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, oder Minderjährigen, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben.

Nach Erwägungsgrund Nr 34 der Richtlinie sollten bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die Möglichkeit der Einschränkung von Leistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen ist so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasst, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.

Gemäß Art 38 Abs 1 war die Richtlinie bis zum 10. 10. 2006 durch die erforderlichen Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften in innerstaatliches Recht umzusetzen.

2.2. Im Zuge der Arbeiten am „gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ wurde die RL 2004/83/EG überarbeitet und neu gefasst. Im Dezember 2011 wurde die RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 12. 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des gewährten Schutzes verabschiedet (ABl L 2011/337). Gemäß ihrem Art 41 trat sie am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, somit am 9. 1. 2012, in Kraft. Umzusetzen in innerstaatliches Recht sind die Regelungen bis 21. 12. 2013. Mit diesem Datum wird die RL 2004/83/EG außer Kraft treten. Die Regelungen über den Zugang zu Sozialhilfeleistungen in Art 29 sind ident mit jenen der Richtlinie 2004/83/EG . Sozialhilfeleistungen für subsidiär Schutzberechtigte dürfen weiterhin auf Kernleistungen eingeschränkt werden. Erwägungsgrund 45 bestimmt, dass darunter unter anderem Unterstützung bei Krankheit gemeint ist. Beim Zugang zur medizinischen Versorgung (Art 30) wurde aber die Einschränkung auf Kernleistungen nicht aufrechterhalten. Medizinische Versorgung muss nunmehr allen Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, zu denselben Bedingungen wie für eigene Staatsbürger gewährt werden (Peyrl, Der Anspruch von subsidiär Schutzberechtigten auf Pflegegeld, ÖZPR 2013, 111 [113]).

3.1. Im Schrifttum wurde darauf verwiesen, dass der EuGH in der Rs Jauch das Bundespflegegeld unter die Kategorie Leistung bei Krankheit im Sinne der damals noch geltenden VO (EWG) 1408/71 eingereiht habe (EuGH C‑215/99, Rs Jauch). Handle es sich beim österreichischen Pflegegeld um eine Leistung bei Krankheit, sei nach Art 28 Abs 1 und 2 der RL 2004/83/EG in Verbindung mit deren Erwägungsgrund 34 subsidiär Schutzberechtigten ab dem Zeitpunkt der Zuerkennung dieses Status Pflegegeld wie österreichischen Staatsbürgern zu gewähren (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld3 Rz 114).

3.2. Peyrl (Der Anspruch von subsidiär Schutzberechtigten auf Pflegegeld, ÖZPR 2013, 111 f) geht davon aus, dass nach dem Wegfall der landesgesetzlichen Härtefallregelungen Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft Anspruch auf Pflegegeld nur mehr dann zukomme, wenn sie von § 3a BPGG erfasst seien. Mangels einer expliziten Regelung für subsidiär Schutzberechtigte bleibe die Frage offen, ob diesen Pflegegeld zustehe bzw ob sich deren Anspruch auf Gleichstellung mit Österreichern aus dem Unionsrecht ergebe. Gleichstellungsbestimmungen iSd § 3a Abs 2 Z 1 BPGG seien in Art 28 und 29 der Statusrichtlinie 2004/83/EU enthalten. Seit der Entscheidung in der Rechtssache Jauch sei aufgrund der gebotenen einheitlichen Anwendung des Rechts der Union Pflegegeld europarechtlich aufgrund der begrifflichen Nähe zur Krankheit als eine Leistung bei Krankheit zu qualifizieren. Da der Begriff „Kernleistungen“ die Unterstützung bei Krankheit umfasse, sei der Pflegegeldanspruch von subsidiär Schutzberechtigten gemäß Art 3a Abs 2 Z 1 BPGG iVm Art 28 RL 2004/83/EG zu bejahen. Im Hinblick auf die Neufassung der Richtlinie, die bei der medizinischen Versorgung eine Beschränkungsmöglichkeit auf Kernleistungen nicht mehr vorsehe, sei für subsidiär Schutzberechtigte der Anspruch auf Pflegegeld sogar unabhängig von der Einordnung des Pflegegeldes als Leistung bei Krankheit oder der medizinischen Versorgung gegeben.

4. Der erkennende Senat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG sind Fremde, die nicht unter eine der folgenden Ziffern fallen, den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, wenn sich eine solche Gleichstellung aus dem Unionsrecht ergibt. Nach den bereits zitierten Gesetzesmaterialien (RV 1208 BlgNR 24. GP 9) ist die genannte Bestimmung somit ein Auffangtatbestand für jene Personen, die nicht unter § 3a Abs 2 Z 2 bis 4 BPGG subsumiert werden können, aber grundsätzlich aufgrund von Staatsverträgen oder dem Unionsrecht österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. In den zitierten Gesetzesmaterialien wird weiters darauf hingewiesen, dass sich aus dem Unionsrecht ‑ und hier insbesondere aus der VO (EG) Nr 883/2004 ‑ ergibt, dass Unionsbürger/innen und anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose sowie deren Familienangehörige die gleichen Rechte und Pflichten im Bereich der sozialen Sicherheit genießen wie Inländer/innen. Auslösender Faktor für die österreichische Verpflichtung zur Gleichstellung auch in Bezug auf Pflegegelder im Wege der VO (EG) Nr 883/2004 waren die Entscheidungen des EuGH in den Rs Jauch und Hosse, in denen der Gerichtshof sowohl das Bundes‑ als auch das Landespflegegeld unter die Kategorie Leistung bei Krankheit im Sinne der (damals noch) VO (EG) Nr 1408/71 eingereiht hat (vgl RV 1208 BlgNR 24. GP 9).

4.2. Art 28 der RL 2004/83/EG sieht vor, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates erhalten müssen. Im Fall von subsidiär Schutzberechtigten können die Mitgliedstaaten diese allerdings auf „Kernleistungen“ beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

4.3. Art 29 der RL 2004/83/EG regelt den Zugang zu medizinischer Versorgung in ähnlicher Weise: Grundsätzlich muss dieser für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte zu denselben Bedingungen wie für eigene Staatsbürger gegeben sein; auch hier besteht aber die Möglichkeit der Beschränkung auf „Kernleistungen“ für subsidiär Schutzberechtigte.

4.4. Nach dem Erwägungsgrund Nr 6 der RL 2004/83/EG ist es das wesentliche Ziel dieser Richtlinie einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird. Es ist daher nach dem Erwägungsgrund Nr 33 insbesondere zur Vermeidung sozialer Härtefälle angezeigt, Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur sozialen Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

4.5. Nach dem Erwägungsgrund Nr 34 der RL 2004/83/EG sollen bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung die Modalitäten und Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die Möglichkeit der Einschränkung von Leistungen für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen ist so zu verstehen, dass dieser Begriff zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft und bei Elternschaft umfasst, sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.

4.6. Aus dem 34. Erwägungsgrund der RL geht somit hervor, dass der Begriff der Kernleistungen zumindest ein Mindesteinkommen sowie Unterstützung bei Krankheit, bei Schwangerschaft und bei Elternschaft erfasst. Zunächst ist festzustellen, dass die in diesem Erwägungsgrund enthaltene Aufzählung, die den in Art 28 und 29 der RL verwendeten Begriff der „Kernleistungen“ veranschaulicht, nicht erschöpfend ist, wie die Verwendung des Wortes „zumindest“ zeigt. Dass in diesem Erwägungsgrund nicht ausdrücklich auf Pflegegeld Bezug genommen wird, bedeutet somit nicht, dass dieses keine der Kernleistungen darstellt, auf die der Grundsatz der Gleichbehandlung zwingend anzuwenden ist (vgl EuGH 24. 4. 2012, C‑571/10, Kamberaj, Rn 85 zu dem insoweit vergleichbaren Art 11 Abs 4 der RL 2003/109 ).

4.7. Weiters ist, da die Gleichstellung der Rechtsstellung der Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit den Staatsangehörigen des Mitgliedstaats die Grundregel nach Art 28 Abs 1 und Art 29 Abs 1 der RL bildet, die in Abs 2 dieser beiden Artikel für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene Ausnahme eng auszulegen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der österreichische Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hätte, von der in Art 28 Abs 2 und Art 29 Abs 2 der RL vorgesehenen Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung Gebrauch zu machen (vgl EuGH 24. 4. 2012, C‑571/10, Kamberaj, Rn 86 ff).

4.8. Schließlich ist festzustellen, dass die im 34. Erwägungsgrund der RL 2004/83/EG enthaltene Verweisung auf das nationale Recht nur die Modalitäten der Gewährung der fraglichen Leistungen betrifft, dh die Festlegung der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Leistungen und der Höhe dieser Leistungen sowie der entsprechenden Verfahren (vgl EuGH 24. 4. 2012, C‑571/10, Kamberaj, Rn 89).

4.9. Die Bedeutung und die Tragweite des Begriffs „Kernleistungen“ iSd Art 28 Abs 2 und 29 Abs 2 der RL 2004/83/EG sind daher unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem dieser Begriff verwendet wird, und des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels zu ermitteln, das nach Erwägungsgrund Nr 6 der RL im Wesentlichen darin liegt, einerseits ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird, wobei es insbesondere zur Vermeidung sozialer Härtefälle angezeigt ist, diesen schutzbedürftigen Personen ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren (vgl Erwägungsgrund Nr 33).

4.10. Art 28 und 29 der RL 2004/83/EG betreffen in ihrem Zusammenhang Fragen des Inhalts des internationalen Schutzes, vor allem der mit diesem Status verbundenen Rechte. Der EuGH betont in ständiger Rechtsprechung das Gebot der einheitlichen Anwendung und Auslegung des Rechts der Union, da dies zu größerer Rechtssicherheit beiträgt (vgl EuGH 21. 12. 2011, C‑424/10 und C‑425/10, Ziolkowski ua und Szeja, Rn 34 mwN). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der EuGH in den Rs Jauch und Hosse sowohl das Bundes‑ als auch das Landespflegegeld den Leistungen bei Krankheit zugeordnet hat und auch der österreichische Gesetzgeber bei der Neufassung des anspruchsberechtigten Personenkreises nach § 3a BPGG durch das Pflegegeldreformgesetz 2012, BGBl I 2011/58, von dieser europarechtlichen Zuordnung des Pflegegeldes zu den Leistungen bei Krankheit ausgegangen ist (vgl RV 1208 BlgNR 24. GP 9).

5. Da Pflegegeld somit europarechtlich eine Leistung bei Krankheit darstellt und der Terminus „Kernleistungen“ jedenfalls auch die „Unterstützung bei Krankheit“ umfasst, haben subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG iVm Art 28 RL 2004/83/EG Anspruch auf Pflegegeld, weil sich ein Anspruch auf Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern aus dem Unionsrecht ergibt (in diesem Sinne auch Peyrl, Der Anspruch von subsidiär Schutzberechtigten auf Pflegegeld, ÖZPR 2013/77, 111; Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld³ Rz 114). Diese Beurteilung trägt auch dem Umstand Rechnung, dass gerade der Personenkreis der subsidiär Schutzberechtigten auf Grund der Lebensumstände besonders schutzwürdig ist und diese Personen durch den Eintritt einer Pflegebedürftigkeit keinen zusätzlichen Nachteil erleiden sollen.

6. Ausgehend von diesen Erwägungen war der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.

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