Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. Oktober 2013, GZ 1 Ps 84/10m-9, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Dornbirn wird genehmigt.
Text
Begründung
Am 8. 10. 2013 stellte die Minderjährige (in Begleitung ihres obsorgeberechtigten Großvaters M*****, der angab, der beabsichtigten Eheschließung seiner Enkelin positiv gegenüberzustehen und ihren Antrag befürwortete) beim Bezirksgericht Dornbirn den Antrag, sie gemäß § 1 EheG für ehemündig zu erklären, weil sie beabsichtige, Herrn K*****, geboren am 25. 9. 1994, zu heiraten. Sie sei vor rund einem Jahr, als sie mit ihrem künftigen Ehegatten zusammengezogen sei, nach Vorarlberg gekommen.
Mit Beschluss vom 15. 10. 2013 übertrug das Bezirksgericht Donaustadt daraufhin die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Dornbirn, weil sich die Minderjährige nunmehr ständig im Sprengel dieses Bezirksgerichts aufhalte. Das Bezirksgericht Dornbirn lehnte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens im Wesentlichen mit der Begründung ab, § 111 JN sei als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen. Kurz vor Erreichen der Volljährigkeit sei - nach der Rechtsprechung - eine Zuständigkeitsübertragung nicht zweckmäßig, ebenso wie die Aufteilung einer - wie hier - für mehrere Geschwister geführten Pflegschaftssache.
Das Bezirksgericht Donaustadt, dessen Übertragungsbeschluss unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist zu genehmigen.
Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht auch von Amts wegen seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint. Diese Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Es sollen daher bei Kindern die Aufgaben des Pflegschaftsgerichts grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden, in dessen Sprengel der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sprechen offene Anträge im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN. Offene Anträge können nur dann bedeutsam sein, wenn das Wohl des Kindes aus besonderen Gründen von dem bisher befassten Gericht wirksamer beachtet werden kann, etwa weil dem übertragenden Gericht eine besondere Sachkenntnis zukommt (10 Nc 16/12b; 4 Nc 6/11m mwN).
Im vorliegenden Fall hat sich das Bezirksgericht Donaustadt mit dem aktuellen Antrag der Minderjährigen noch nicht näher befasst. Anhaltspunkte für eine besondere Sachkenntnis in Bezug auf den anhängigen offenen Antrag sind daher nicht zu erkennen.
Aber auch aus den Umständen, dass dieser Antrag (naturgemäß) kurz vor Erreichen der Volljährigkeit gestellt wird, und daraus, dass durch die Zuständigkeitsübertragung eine Aufteilung der (auch) für die jüngeren Geschwister der bald volljährigen Antragstellerin geführten Pflegschaft erfolgt, ist nicht abzuleiten, es läge nicht im Interesse der Minderjährigen, die Zuständigkeit dem anderen Gericht zu übertragen: Stehen doch diese Einwände dem vorrangigen Argument der herzustellenden Nähe zwischen dem Wohnsitz des Pflegebefohlenen und dem zur Führung des Pflegschaftsverfahrens zuständigen Gericht nicht entgegen (vgl 10 Nc 16/12b mwN).
Die mit Beschluss vom 15. Oktober 2013, GZ 1 Ps 84/10m-9, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts der Minderjährigen ist daher zu genehmigen.
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