OGH 7Nc19/13y

OGH7Nc19/13y13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI R***** D*****, vertreten durch Kerres Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Jank Weiler Rechtsanwälte OG in Wien, und den Nebenintervenienten MMag. Dr. K***** P*****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 773.961,52 EUR sA, über den Ablehnungsantrag der beklagten Partei betreffend den Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** ist in der Rechtssache 2 Ob 17/13h befangen.

Die Kosten des Ablehnungsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Für das Verfahren ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der zweite Senat zuständig.

Ein Mitglied dieses Senats wird von der Beklagten als befangen abgelehnt. Die Beklagte stützt sich dabei im Wesentlichen darauf, dass der Kläger in den Jahren 2002 bis 2007 über ein von der Beklagten eingerichtetes Wertpapierdepot Aktien der I*****-AG und der I*****t-AG gekauft habe. Mit der vorliegenden Klage begehre er Zug um Zug die Rückabwicklung der Ankaufsverträge; er sei durch unrichtige und unvollständige Informationen der Beklagten, die die Aktien als sichere Veranlagung dargestellt habe, getäuscht worden. Das nunmehr abgelehnte Mitglied des Senats habe in mehreren Verfahren mit ähnlichen Sachverhaltskonstellationen seine Befangenheit angezeigt. Der Oberste Gerichtshof habe die Befangenheit aufgrund dieser Anzeigen stets bejaht. Den Entscheidungen 9 Nc 13/10a und 9 Nc 38/12f sei zu entnehmen, dass dieses Mitglied des Senats, beraten durch den A*****, Aktien der I*****-AG erworben und die Geltendmachung allfälliger Ansprüche über eine Prozessfinanzierung in Erwägung gezogen habe, wobei auch die hier Beklagte als mögliche Anspruchsgegnerin in Frage gekommen sei. Bereits die Befangenheitsanzeigen durch das Mitglied des Senats selbst schafften den Anschein der Befangenheit.

Der Kläger stimmte dem Ablehnungsantrag der Beklagten zu.

Der betroffene Hofrat des Obersten Gerichtshofs hat sich in seiner Stellungnahme zu diesem Ablehnungsantrag für nicht befangen erklärt. Er habe vor 2007 über den A***** Aktien der I*****-AG und der I*****t-AG erworben und sei vom Kursverfall dieser Wertpapiere betroffen. 2009 habe er hinsichtlich allfälliger eigener Ansprüche in diesem Zusammenhang gegen die I*****-AG oder andere in Frage kommende natürliche oder juristische Personen (ausgenommen den A*****) einem Prozessfinanzierer ein Abtretungsangebot zur allfälligen gerichtlichen Geltendmachung solcher Ansprüche gemacht. Im Zusammenhang mit diesen Veranlagungen habe er bisher zweimal seine Befangenheit angezeigt, wobei er sich nicht befangen gefühlt, sondern vielmehr für fähig gehalten habe, die anstehenden Rechtsfragen objektiv zu beurteilen. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass im Fall der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen durch den Prozessfinanzierer auch sein Name aufscheinen und damit zumindest der Anschein seiner Befangenheit entstehen könnte. Der Prozessfinanzierungsvertrag betreffend I*****/I*****t sei aufgekündigt. Er beabsichtige im Zusammenhang mit dieser Veranlagung, keine Ansprüche mehr geltend zu machen. Damit sei auch der Anschein einer Befangenheit nicht mehr gegeben.

Der Ablehnungsantrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist (RIS-Justiz RS0046052). Bei der Prüfung, ob Befangenheit vorliegt, ist im Interesse des Ansehens der Justiz grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen; schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, muss jedenfalls vermieden werden (RIS-Justiz RS0046052, RS0045949). Dementsprechend genügt es, wenn die Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, also bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS-Justiz RS0045949 [T2, T4]), auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte (RIS-Justiz RS0045949 [T5]).

Dieser mögliche Anschein ist hier zu bejahen.

Hofrat ***** sah sich selbst bereits zweimal veranlasst, seinen Erwerb auch hier strittiger Aktien und die Abtretung eigener Ansprüche an einen Prozessfinanzierer zur gerichtlichen Geltendmachung als solche Umstände anzuzeigen, die den äußeren Anschein der Voreingenommenheit entstehen lassen könnten. Dieser Anschein der Voreingenommenheit fällt im Hinblick auf den bereits durch die Kursverluste eingetretenen Schaden nicht allein dadurch weg, dass Hofrat ***** eine weitere (gerichtliche) Verfolgung nicht beabsichtigt. Auch wenn sich Hofrat ***** in seiner Entscheidungsfreiheit subjektiv nicht beeinträchtigt fühlt, könnte trotzdem für einen objektiven Beobachter zumindest der Eindruck entstehen, dass die richterliche Entscheidung von sachfremden Motiven beeinflusst sein könnte. Dabei wird nämlich, auch wenn die Selbstanzeige von Hofrat ***** nicht mit einer subjektiven Voreingenommenheit einhergeht, schon durch diese Selbstanzeige der Anschein der Befangenheit gerade gegenüber Außenstehenden verstärkt. Die Befangenheit von Hofrat ***** ist daher zu bejahen.

Die Aufhebung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 ZPO ist nicht erforderlich, weil ihr kein Einfluss auf die erst zu fällende Sachentscheidung zukommt (§ 25 JN).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO. Wird die Zweiseitigkeit des Verfahrens bejaht, besteht kein Grund, an der bisher einen Kostenersatz ablehnenden Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0035778) festzuhalten. Bildet das Ablehnungsverfahren daher einen Zwischenstreit, ist über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden (4 Ob 143/10y). Im vorliegenden Fall ist die Kostenentscheidung jedoch vorzubehalten, weil ein Zwischenstreit erfordert, dass eine Partei einen Antrag stellt, dem die andere entgegentritt. Dies ist hier nicht gegeben.

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