OGH 12Os64/13y

OGH12Os64/13y17.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol, Mag. Michel, Dr. Oshidari und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut E***** und andere wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 122 Hv 31/07h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Helmut E***** und der G***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 16. November 2012, AZ 19 Bs 202/12p, 203/12k, 204/12g, und gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 23. Dezember 2010, AZ 14 Os 143/09z, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Helmut E***** wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juli 2008, GZ 122 Hv 31/07h-1933, der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB sowie der Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 AktG und nach § 41 Z 1 PSG schuldig erkannt. Die G***** wurde unter einem gemäß § 20 Abs 4 StGB (aF) zur Zahlung von 5.087.098 Euro verurteilt.

In teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Helmut E***** sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) hob der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 23. Dezember 2010, AZ 14 Os 143/09z, Teile des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie (jeweils zur Gänze) die Schuldsprüche wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und der Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 AktG sowie § 41 Z 1 PSG ebenso auf wie den die G***** betreffenden Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 Abs 4 StGB (aF).

Die Anklage wegen dieser vom Obersten Gerichtshof (mit Ausnahme des Urteilsfaktums I./A./1./e./, zu dem im Gerichtstag ein Freispruch erging) unter Anordnung einer neuen Hauptverhandlung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesenen Urteilsfakten wurden betreffend Helmut E***** mit Erklärung der Staatsanwaltschaft Wien vom 12. Jänner 2012 gemäß § 227 Abs 1 StPO (aus dem Grunde des § 192 Abs 1 Z 1 StPO) zurückgezogen (ON 1 S 3g).

Gemäß § 72 StPO erklärte die Privatbeteiligte B***** AG mit Eingaben vom 24. Jänner 2012 und vom 29. Februar 2012, die Anklage gegen Helmut E***** hinsichtlich der noch nicht rechtskräftig erledigten Anklagepunkte sowie den gegen die G***** gerichteten Antrag auf Abschöpfung der Bereicherung aufrecht zu erhalten (ON 2534 S 11 [= ON 2537 S 9] und ON 2549).

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. April 2012, GZ 122 Hv 31/07h-2599, wurden (unter anderem) unter Punkt 2./ - soweit hier von Interesse - die auf Aufhebung der einstweiligen Verfügungen vom 27. Juni 2006 (ON 85), 28. Juni 2006 (ON 89), 10. Juli 2006 (ON 136 und 139) und 20. Juli 2006 (ON 169) sowie die auf Heraus- bzw Freigabe des Stiftungsvermögens gerichteten Anträge der G***** vom 28. Oktober 2011 (ON 2509), 13. Februar 2012 (ON 2541) und 6. März 2012 (ON 2569) hinsichtlich der Punkte 1./a./ und 2./ der zweiten einstweiligen Verfügung vom 10. Juli 2006 (ON 139) abgewiesen und im Übrigen (mit Ausnahme der in Punkt 3./ des Beschlusses vom 3. April 2012 aufgezählten Teile der einstweiligen Verfügungen, zu welchen sich das Landesgericht für Strafsachen Wien zur Entscheidung über deren Anfechtung als nicht zuständig erachtete) zurückgewiesen.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Helmut E***** und der G***** vom 19. April 2012 (ON 2627) gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 16. November 2012, AZ 19 Bs 202/12p, 203/12k, 204/12g, mit dem auch über andere Beschwerden gegen den angefochtenen Beschluss sowie gegen weitere erstinstanzliche Beschlüsse entschieden wurde, in Punkt 3./ nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen Punkt 3./ des genannten Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 16. November 2012 sowie (im Ergebnis) gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 23. Dezember 2010, AZ 14 Os 143/09z, gestellten Erneuerungsantrag des Helmut E***** und der G***** kommt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Berechtigung zu.

Für einen nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich solcherart um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 MRK sinngemäß. Damit ist (auch) die Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art 35 Abs 1 MRK) ein Zulässigkeitskriterium für den in Rede stehenden Erneuerungsantrag. Diesem Erfordernis wird nur dann entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach sowie in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; RIS-Justiz RS0122737 [T2 und T13]; Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 26 und 34 ff).

Diese Anfechtungskriterien bleiben von den Antragstellern, soweit sie sich auf den gegenständlichen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien beziehen, unbeachtet. Denn eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum nach Art 5 StGG und Art 1 des ersten ZPMRK sowie „hilfsweise“ eine „Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Sinn einer Verletzung des unter diesen fallenden Sachlichkeitsgebots“ wird erstmals im Erneuerungsantrag behauptet, womit es diesem an der gebotenen horizontalen Rechtswegerschöpfung gebricht.

Da sich der Gerichtshof nach Art 35 Abs 2 lit b MRK mit „im Wesentlichen“ bereits geprüften Beschwerden nicht mehr befasst und demnach auch Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht nochmals unmittelbar - dh ohne vorherige Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - zum Gegenstand eines Erneuerungsantrags gemacht werden können (RIS-Justiz RS0122737 [T11, T12, T23 und T37]), ist auch der - im Übrigen verspätete (Art 35 Abs 1 MRK; vgl RIS-Justiz RS0122736) - Antrag des Helmut E***** und der G*****, „der OGH möge im Sinne seiner Ausführungen in seiner Entscheidung zu 14 Os 143/09z vom 23. 12. 2010 (insbesondere Urteilsseite[n] 37 ff) die Verjährungsfrage neuerlich prüfen und entsprechend einen Freispruch zugunsten des Angeklagten Helmut E***** bzw der Haftungsbeteiligten fällen“, unzulässig.

Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher bei nichtöffentlicher Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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