OGH 7Ob161/13x

OGH7Ob161/13x2.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 111.300 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Juni 2013, GZ 5 R 62/13x-61, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte bot der Klägerin Öllieferungen zu einem ermäßigten Preis für den Zeitraum von drei Jahren an. Voraussetzung des Zustandekommens einer solchen Vereinbarung war die Bestätigung der Klägerin, dass etwaige Schadenersatzansprüche aus einem Vorfall vom September 2008 damit abgegolten seien.

Die Klägerin gründet ihre nunmehr geltend gemachte Forderung auf das konkludente Zustandekommen dieser Vereinbarung.

1. Unstrittig ist auf den vorliegenden Sachverhalt deutsches Recht anzuwenden.

2. Entspricht die Auslegung der nach den kollisionsrechtlichen Normen anzuwendenden ausländischen Sachnorm durch das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des ausländischen Höchstgerichts und der ausländischen Lehre, so ist das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0042948).

3. Willenserklärungen können, soweit keine Formvorschriften entgegenstehen, konkludent abgegeben werden. Bei Willenserklärungen dieser Art findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck; der Erklärende nimmt vielmehr Handlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen. Auf konkludente Willenserklärungen finden die allgemeinen Grundsätze über Willenserklärungen Anwendung (Palandt/Ellenberger in Bürgerliches Gesetzbuch [2013] Einführung Vor § 116 BGB Rz 6 mwN).

3.1 Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind daher auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH X ZR 37/12 mwN).

Die Qualifizierung eines Verhaltens als schlüssige Annahmeerklärung setzt das Bewusstsein voraus, dass für das Zustandekommen des Vertrags zumindest möglicherweise noch eine Erklärung erforderlich ist. Der Erklärende muss zumindest Zweifel an dem Zustandekommen des Vertrags haben. Soweit einem tatsächlichen Verhalten auch ohne ein solches Erklärungsbewusstsein oder ohne einen Rechtsbindungswillen die Wirkung einer Willenserklärung beigelegt werden, geschieht dies zum Schutz des redlichen Rechtsverkehrs und setzt einen Zurechnungsgrund voraus. Ein solcher liegt nur vor, wenn ein sich in missverständlicher Weise Verhaltender bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass die in seinem Verfahren liegende Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH V ZR 85/09 mwN).

3.2 Danach scheidet die Würdigung der Beauftragung einer weiteren Öllieferung durch die Klägerin als eine auf die Annahme des - die Abgabe eines Anspruchsverzichts voraussetzenden - Vergleichsangebots gerichtete Willenserklärung aus. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin auf das Angebot der Beklagten vorerst gar nicht reagierte und erst Monate danach - ohne jegliche Bezugnahme darauf - einen weiteren Lieferauftrag erteilte, war das Verhalten der Klägerin weder als die von ihr gewünschte Willenserklärung aufzufassen, noch musste die Beklagte das Verhalten als solche verstehen.

3.3 Nach den dargelegten Grundsätzen des deutschen Rechts ist es auch jedenfalls vertretbar, der Lieferung des Heizöls zu einem geringeren Preis durch die Beklagte nicht die Wirkung einer Willenserklärung dahin beizulegen, dass sie - selbst ohne Verzicht der Klägerin auf den behaupteten Schadenersatzanspruch - den Vergleich doch abschließen wollte. Dies wird vor allem auch durch ihre Erklärung verdeutlicht, wonach der Preisnachlass für die Lieferungen (nur) im Mai 2009 gelten sollte.

4. Da erhebliche Rechtsfragen nicht geltend gemacht werden und auch sonst nicht zu beantworten sind, ist die Revision zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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