OGH 6Ob170/13p

OGH6Ob170/13p30.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** L*****, gegen die beklagte Partei Mag. R***** K*****, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Mai 2013, GZ 12 R 182/13s-17, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Juli 2012, GZ 5 Cg 20/12s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der beklagte Rechtsanwalt führte gegen einen früheren Mandanten, den der klagende Rechtsanwalt vertrat, einen Honorarprozess, in dem er auch ein Schadenersatzbegehren stellte. In der Tagsatzung am 19. 12. 2011 vor dem Prozessgericht sagte der Beklagte bei seiner Einvernahme als Partei nach etwa zwei Stunden Folgendes aus:

„Hinsichtlich des von mir geltend gemachten Schadenersatzanspruches ist es so, dass ich ein Schreiben von [Kläger] bekommen habe, in dem er mir vorwirft, dem Beklagten erhebliche Summen unberechtigterweise verrechnet zu haben. In dem ganzen Schreiben wird mir der Vorwurf unterstellt, ich hätte gewerbsmäßigen Betrug begangen. Ich habe auf dieses Schreiben hin begonnen, das Ganze herauszusuchen, habe die E-Mails und den Akt noch einmal durchsucht und überlegt, wie ich das Ganze anlegen bzw widerlegen kann. Bei diesem Schreiben von [Kläger] handelt es um die Beilage ./E.“

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Unterlassung und den Widerruf der Äußerung, der Kläger habe dem Beklagten mit Schreiben vom 8. 8. 2011 unterstellt, gewerbsmäßig Betrug begangen zu haben.

Das Berufungsgericht bestätigte das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts. Die inkriminierte Äußerung sei keine Tatsachenbehauptung, sondern ein zulässiges Werturteil. Sie habe sich unmittelbar auf das vom Beklagten als Beweismittel vorgelegte Schreiben des Klägers bezogen, das in der Verhandlung vorgelegen sei. Sie sei daher nicht losgelöst vom Inhalt des Schreibens zu sehen, der allen Anwesenden (der Richterin, dem Mandanten des Klägers, in dessen Namen und aufgrund dessen Informationen er den Brief verfasst hatte, sowie den Streitteilen). Dass der Beklagte in dem Brief nicht namentlich des gewerbsmäßigen Betrugs beschuldigt werde, hätten daher alle Anwesenden gewusst. Vor diesem Hintergrund und im gegebenen Gesamtzusammenhang komme der beanstandeten Äußerung nur der Bedeutungsinhalt zu, dass der Beklagte die darin enthaltenen Angriffe gegen seine Person als so weitgehend empfinde, als würde man ihm gewerbsmäßigen Betrug unterstellen. Damit habe er den Inhalt des Schreibens einer Wertung unterzogen, der auch ein im Kern ausreichendes Tatsachensubstrat zugrunde gelegen sei, werde doch in dem Brief durch die Rückforderung des bereits gezahlten Honorars implizit die Verrechnung völlig wertloser Leistungen und insbesondere auch die Verrechnung einer gar nicht beauftragten Leistung sowie die Verrechnung einer zu hohen Stundenanzahl behauptet. Ein Wertungsexzess liege nicht vor. Dass sich nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale eines (gewerbsmäßigen) Betrugs aus dem Schreiben ableiten ließen, ändere daran nichts.

Rechtliche Beurteilung

Die nachträglich (§ 508 ZPO) mit der Begründung, der Oberste Gerichtshof könnte die Auffassung, es liege kein Wertungsexzess vor, als korrekturbedürftig beurteilen, zugelassene ordentliche Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt und ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0113943), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht angenommen werden können. Dies gilt auch für die Frage, was noch zulässige Kritik ist (RIS-Justiz RS0031832).

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass sich die Ermittlung des Sinns und Bedeutungsgehalts sowie die Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung richten (RIS-Justiz RS0031883, RS0032489), und hiefür auf den maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten (6 Ob 232/10a mwN) abgestellt.

Das Berufungsgericht stellte den Bezugszusammenhang, in dem die beanstandete Äußerung fiel, zutreffend dar. Seine Beurteilung, dass die Äußerung nach den Umständen des Falls ihrem Sinn und Bedeutungsgehalt nach eine zulässige Meinungsäußerung ist, ist jedenfalls vertretbar, ist es doch ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das Recht, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung belastet werden darf, sofern kein Rechtsmissbrauch in Form einer wissentlichen Behauptung falscher Tatsachen vorliegt (RIS-Justiz RS0022784, RS0105665, RS0114015; 6 Ob 196/12k mwN).

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers steht die Beurteilung nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 196/12k, kann doch nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Rede davon sein, dass der Beklagten die Aussage ausschließlich deshalb tätigte, um den Kläger anzuschwärzen. Die Äußerung stand zudem im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 10 Z 6 lit b RATG. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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