OGH 1Ob111/13z

OGH1Ob111/13z19.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, Strafgefangener, *****, vertreten durch Dr. Thomas Fritzsche, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 171.100 EUR sA und Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2013, GZ 14 R 206/12k-50, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. August 2012, GZ 32 Cg 7/11a-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Sein Leistungsbegehren stützt der Kläger alternativ auf zwei ganz unterschiedliche Sachverhalte. Einerseits begehrt er den Betrag von 171.100 EUR für den Entzug seiner Freiheit im Zeitraum vom 26. 6. 2002 bis zum 8. 11. 2011, wobei er davon ausgeht, dass ihm ein Betrag von 50 EUR pro Tag zustünde. Andererseits erklärte er, sein Zahlungsbegehren auch auf Schmerzengeld zu stützen, weil er nicht ausreichend therapiert und ärztlich versorgt worden sei, und ein „behandlungsbedürftiger psychiatrischer bzw psychischer Zustand“ vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Eine solche „alternative Klagenhäufung“, ist nach herrschender Rechtsprechung unzulässig, weil dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO nicht entsprochen wird (RIS-Justiz RS0031014 [T20]). Ein Kläger kann nicht einen Pauschalbetrag geltend machen und es dem Gericht überlassen, ihm diesen auf der einen oder der anderen von mehreren vorgetragenen unterschiedlichen Sachverhaltsgrundlagen zuzuerkennen.

Kann die Klage nun aber schon mangels Bestimmtheit des Zahlungsbegehrens nicht erfolgreich sein, stellen sich die in der Revision erörterten Fragen zur allfälligen materiellen Berechtigung der geltend gemachten Klagegründe nicht.

2. Im Rahmen seines Feststellungsbegehrens begehrt der Kläger die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus der Unterlassung von Resozialisierungsmaßnahmen und therapeutischen Behandlungen während seiner Strafhaft, insbesondere wegen „verspäteter“ bedingter Entlassung.

Wenn das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die vom Kläger zur Begründung seines Feststellungsbegehrens herangezogenen Bestimmungen des StVG nicht geeignet sind, einen Anspruch des Strafgefangenen auf ganz bestimmte Maßnahmen mit dem Ziel bzw Ergebnis einer Resozialisierung zu begründen, kann darin keine Fehlbeurteilung erblickt werden.

§ 20 Abs 1 StVG weist auf das allgemeine Ziel des Vollzugs von Freiheitsstrafen hin, den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen und ihn abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Nach Abs 2 leg cit sind die Strafgefangenen zur Erreichung dieser Zwecke und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Strafvollzugsanstalten von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen ihrer Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen. Der letzte Punkt wird in § 56 Abs 1 StVG nur geringfügig konkretisiert. Während in Satz 1 lediglich wiederholt wird, dass bei der Durchführung aller Maßnahmen des Strafvollzugs eine erzieherische Einwirkung auf die Gefangenen anzustreben ist, ordnet Satz 2 an, dass die Strafgefangenen außerdem in Einzel- und Gruppenaussprachen sowie auf andere geeignete Weise noch besonders erzieherisch betreut werden sollen.

Abgesehen davon, dass das Gesetz also keine genaueren Anordnungen darüber trifft, welche konkreten erzieherischen Maßnahmen welcher Intensität dem jeweiligen Strafgefangenen anzubieten sind, und darüber hinaus von den Tatsacheninstanzen festgestellt wurde, dass der Kläger keineswegs von derartigen Betreuungsmaßnahmen gänzlich ausgeschlossen wurde, zeigt der Revisionswerber auch nicht nachvollziehbar auf, welche konkreten Erziehungshilfen er für geboten gehalten hätte und inwieweit diese geeignet gewesen wären, das von ihm angestrebte Ziel der bedingten Entlassung zu erreichen. Entsprechendes gilt für die von ihm ganz allgemein monierte Unterlassung von psychiatrischen Behandlungen, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass § 56 Abs 2 StVG die psychohygienische und psychotherapeutische Betreuung von Strafgefangenen nur insoweit vorsieht, als sie in Anstalten, in denen dies im Hinblick auf die durchschnittliche Zahl der dort angehaltenen Strafgefangenen und die durchschnittliche Dauer ihrer Strafzeit den Grundsätzen einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung nicht widerspricht, zur Erreichung des erzieherischen Zwecks zweckmäßig erscheint.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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