OGH 8Ob57/13k

OGH8Ob57/13k29.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin S***** H*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger. Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner und Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in Gmunden, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 13. Februar 2013, GZ 21 R 31/13b-37, mit dem der Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 14. November 2012, GZ 8 S 4/05w-33, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos behoben.

Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die öffentliche Bekanntmachung des gesamten Spruchs des Beschlusses vom 14. November 2012 zu veranlassen und den Rekurs zusammen mit allenfalls noch einlangenden weiteren Rechtsmitteln nach Ablauf der dafür offenstehenden Frist neuerlich an das Rekursgericht vorzulegen.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel der Schuldnerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag der Schuldnerin, das Abschöpfungsverfahren zu beenden und die Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 2 2. Fall IO zu erteilen, ab; es erklärte das Abschöpfungsverfahren gemäß § 213 Abs 3 IO für beendet, setzte die Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis 30. 6. 2015 aus und legte fest, dass die Schuldnerin innerhalb dieser Frist auf den sich ergebenden offenen Forderungsbetrag auf die 10%-Quote aller Verbindlichkeiten noch 4.200 EUR zu bezahlen habe, um von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit zu werden.

Der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und die Dauer des Aussetzungszeitraums wurde am 29. 11. 2012 in der Insolvenzdatei bekannt gemacht und mit Wirkung vom 5. 12. 2012 an den Vertreter der Schuldnerin zugestellt. Die Höhe der aufgetragenen Ergänzungszahlung scheint in der Insolvenzdatei nicht auf.

Das Rekursgericht wies den am 19. 12. 2012 eingebrachten Rekurs der Schuldnerin, der sich gegen die Abweisung des Antrags nach § 213 Abs 2 IO sowie eventualiter gegen die Höhe des für die Erlangung der Restschuldbefreiung noch zu zahlenden Betrags richtete, als verspätet zurück. Für den Beginn der Rekursfrist gegen öffentlich bekannt zu machende Beschlüsse, zu denen eine Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO zähle, sei nach der ständigen Rechtsprechung auf das Datum der Veröffentlichung in der Insolvenzdatei abzustellen, unabhängig davon, ob und wann auch eine individuelle Zustellung an die Beteiligten erfolgt sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zur Klärung der Rechtsfrage, ob ein Beschluss gemäß § 213 Abs 3 IO der öffentlichen Bekanntmachung bedarf, für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Schuldnerin ist aus den vom Rekursgericht angeführten Erwägungen zulässig, er ist auch berechtigt.

Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung des erkennenden Senats betreffend die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung von Beschlüssen über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens zutreffend dargestellt (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO; vgl 8 Ob 64/11m; 8 Ob 37/11s; 8 Ob 41/12f; 8 Ob 8/13d).

Gemäß § 257 Abs 2 IO wird die Rechtsmittelfrist gegen Beschlüsse, für die eine öffentliche Bekanntmachung vorgesehen ist, bereits mit der Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS-Justiz RS0065237; RS0110969).

Nach § 213 Abs 6 IO ist der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekanntzumachen. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 8 Ob 8/13d dargelegt, dass auch ein Beschluss des Insolvenzgerichts, in dem das Abschöpfungsverfahren unter Versagung einer Restschuldbefreiung („Ausmaß Null“) für beendet erklärt wird, unter die Regelung des § 213 Abs 6 IO fällt und daher zwingend zu veröffentlichen ist.

Im vorliegenden Fall hat das Insolvenzgericht zwar die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens ausgesprochen, aber entsprechend § 213 Abs 3 IO die Entscheidung über die Restschuldbefreiung unter Festsetzung einer Ergänzungszahlung ausgesetzt. Der Zweck der Bestimmungen über die mit Zustellwirkung verbundene öffentliche Bekanntmachung in einem Vielparteienverfahren, nämlich die Wirkung wesentlicher Beschlüsse einheitlich zu einem für jeden Beteiligten erkennbaren Zeitpunkt eintreten zu lassen (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, InsG § 174 KO Rz 2), spricht dafür, die Veröffentlichungspflicht immer bei Beendigung des Abschöpfungsverfahrens zum Tragen kommen zu lassen. Die Anordnung der Bekanntmachung nach § 213 Abs 6 IO unterscheidet nicht zwischen den vorangestellten Varianten der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens; keinesfalls kann dieser Bestimmung entnommen werden, dass Entscheidungen über die Aussetzung der Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 3 IO deswegen, weil sie zwei zeitlich getrennte Beschlüsse erfordert, von der Bekanntmachungspflicht zur Gänze ausgenommen sein sollten.

Auch in der Literatur wird übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass im Fall einer getrennten Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO jedenfalls der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens öffentlich bekanntzumachen ist. Unterschiedliche Auffassungen bestehen in der Frage, ob dies mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung auch für den späteren Beschluss gilt, mit dem, je nachdem ob die Ergänzungszahlungen erfüllt wurden, über die Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung entschieden wird (bejahend: Kodek, Handbuch Privatkonkurs Rz 717, 722; ggt: Mohr in Konecny/Schubert, InsG § 213 Rz 30; ders, Privatkonkurs 71).

Während die letztere Frage im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden muss, ist als Ergebnis festzuhalten, dass die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens nach § 213 Abs 3 IO öffentlich bekanntzumachen ist.

Ein Beschluss nach § 213 Abs 3 IO hat aber auch jene Ergänzungszahlungen zu enthalten, bei deren Erfüllung innerhalb der Aussetzungsfrist dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu erteilen sein wird. Im Fall der Erfüllung der aufgetragenen Ergänzungszahlungen ist die Erteilung der Restschuldbefreiung zwingend. Bereits in diesem Stadium ‑ und nicht erst bei der späteren Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung ‑ erscheint es geboten, zur Überprüfung der Angemessenheit der Auflagen auch den Gläubigern ein Rekursrecht zu ermöglichen (vgl Kodek aaO Rz 717); die Information der Gläubiger über die Höhe der Ergänzungszahlungen ist außerdem für den Umfang der bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung zulässigen Exekutionen von Bedeutung (§ 213 Abs 3 letzter Satz IO).

Auch das Insolvenzgericht selbst ist an seine bei Auferlegung der Ergänzungszahlung festgelegten Vorgaben gebunden und kann die Restschuldbefreiung nach Ende der Aussetzungsfrist nicht mehr von geänderten Bedingungen abhängig machen. Mit dem Beschluss über die Höhe der Ergänzungszahlung wird daher tatsächlich bereits über das Ausmaß der Restschuldbefreiung im Sinne des § 213 Abs 6 IO abgesprochen, nur die Entscheidung über ihre Erteilung oder Versagung bleibt vorbehalten. Bei einer am Zweck der Bestimmung orientierten Auslegung des § 213 Abs 6 IO ist daher auch dieser Beschlussinhalt öffentlich bekanntzumachen.

Im vorliegenden Fall ist eine Veröffentlichung der Höhe der aufgetragenen Ergänzungszahlung in der Ediktsdatei nicht erfolgt, sodass die Zustellwirkung der Bekanntmachung insoweit nicht eintreten konnte. Der Rekurs der Schuldnerin ist daher als rechtzeitig zu behandeln (vgl 1 Ob 564/54, SZ 27/81; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, KO § 176 Rz 18). Über den Rekurs der Schuldnerin kann aber derzeit noch nicht entschieden werden, bevor nicht auch allen anderen Verfahrensbeteiligten im Wege einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung rechtliches Gehör verschafft wurde.

Das Erstgericht wird daher die Bekanntmachung des gesamten Spruchs seines angefochtenen Beschlusses nachzuholen und nach Ablauf der damit ausgelösten Rekursfrist das Rechtsmittel der Schuldnerin zusammen mit allfälligen weiteren einlangenden Rekursen neuerlich der zweiten Instanz vorzulegen haben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte