OGH 2Ob62/13a

OGH2Ob62/13a30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** G*****, und 2. E***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, gegen die beklagte Partei DI Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in Linz, wegen 45.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Februar 2013, GZ 1 R 190/12k-56, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Klagsgegenständlich sind die Verfahrenskosten des zivilgerichtlichen Vorprozesses, in welchem die Kläger - gestützt auf das Sachverständigengutachten des hier Beklagten im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten des Vorprozesses - unterlegen sind. Das Berufungsgericht verneinte die Bindungswirkung dieser Entscheidung für den gegenständlichen Anspruch aus dem Titel der Sachverständigenhaftung.

2. Die Revisionswerber zitieren die Entscheidung 2 Ob 10/96, wonach die materielle Rechtskraft nicht nur bei Identität des Anspruchs oder im Falle des „begrifflichen Gegenteils“ wirkt, sondern auch - lediglich als Bindungswirkung - im Falle der Präjudizialität, dh wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für den neuen Anspruch ist. Bereits in dieser Entscheidung wurde aber auch ausgesprochen, dass „Entscheidungsharmonie“ zwar grundsätzlich erstrebenswert ist, die Grenzen der materiellen Rechtskraft aber allein deswegen nicht ausgeweitet werden können; mit dem Gedanken der „Rechtssicherheit“ ist es durchaus vereinbar, wenn eine für unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage eines Urteils im Vorprozess der Entscheidung im Folgeprozess nicht mehr zugrunde gelegt wird. Die gegenteiligen Thesen der älteren Rechtsprechung, auf die sich die Revisionswerber berufen, sind überholt (vgl RIS-Justiz RS0102102).

3. Eine Vorfrage im oben genannten Sinn würde vorliegen, wenn über den neuen Anspruch nur dann entschieden werden kann, wenn gleichzeitig als Voraussetzung hiefür über den rechtskräftig entschiedenen Anspruch erkannt wird (3 Ob 104/11g; RIS-Justiz RS0041567).

Dieser Fall liegt hier nicht vor. Hier wurde im Vorprozess über die Verantwortlichkeit des dort Erstbeklagten (und des zweitbeklagten Haftpflichtversicherers) für den gegenständlichen Verkehrsunfall (Massenkarambolage) entschieden, während nunmehriger Verfahrensgegenstand die Sachverständigenhaftung des Beklagten wegen des von ihm im Strafverfahren erstatten Gutachtens ist.

4. Das Berufungsgericht ist daher im Rahmen der nunmehr ständigen Rechtsprechung von der mangelnden Bindungswirkung der Entscheidung des Vorprozesses für dieses Verfahren ausgegangen, was schon auf Basis des (für den Obersten Gerichtshof bindenden) Umstands, wonach nicht feststellbar ist, ob das Gutachten des Beklagten richtig oder falsch war und ob es fachlich vertretbar war, zur Abweisung der Klage führen musste.

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