OGH 10ObS97/13g

OGH10ObS97/13g23.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. L*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84‑86, wegen Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld (Streitwert 2.217,96 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2013, GZ 7 Rs 6/13y‑14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 128/08 ua, ausgeführt hat, handelt es sich beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld um eine Geldleistung für einkommensschwache Eltern, dem wirtschaftlich der Charakter eines (potentiellen) Darlehens zukommt. Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich jedenfalls unbenommen, die Gewährung familienfördernder Leistungen, sofern diese nicht zugleich der Abgeltung einkommenssteuerrechtlicher Belastung dienen soll (was hier nicht der Fall ist), von der Einkommenssituation der Eltern abhängig zu machen. Es ist nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar naheliegend, an jenen Einkommensbegriff anzuknüpfen, der für Zwecke der Erhebung der Einkommenssteuer geschaffen wurde. Eine Anknüpfung an das Einkommen im Sinne der einkommenssteuerrechtlichen Bestimmungen für die Berechnung der Abgabe ist daher grundsätzlich nicht als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen.

2. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis ausgeführt, dass es keinen Bedenken begegnet, wenn der Gesetzgeber nicht einheitlich an das steuerlich maßgebliche Jahreseinkommen anknüpft, sondern einen differenzierenden und modifizierenden Ansatz wählt. Insbesondere ist es unbedenklich, bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vom Betrag der im Anspruchszeitraum zugeflossenen Lohneinkünfte (ohne Sonderzahlungen) auszugehen und diesen auf den Jahresbetrag umzurechnen sowie den Zuschuss sonstiger typischer Bezüge in Form der weithin üblichen Sonderzahlungen und des Abzugs von Sozialversicherungsbeiträgen durch eine pauschale Erhöhung des Ausgangsbetrags um 30 % zu berücksichtigen, was der Vermeidung einer aufwendigen Ermittlung und Kontrolle dieser Zahlungen und Beträge im Einzelfall dient.

3. Auch bei Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist gleich den Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit grundsätzlich der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte iSd § 2 Abs 2 EStG 1988 maßgeblich. Sozialversicherungsbeiträge stellen dabei Betriebsausgaben dar. Sie mindern die Einkünfte. Je höher sie sind, desto niedriger ist der steuerpflichtige Gewinn. Um eine Gleichbehandlung der Bezieher von Kinderbetreuungsgeld ‑ unabhängig von der Art der erzielten Einkünfte zu erreichen ‑ ist es daher erforderlich, auch bei den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit die im betreffenden Jahr des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge der Steuerbemessungsgrundlage wieder hinzuzuschlagen. Das System der Berechnung des Zuverdienstes bei sozialversicherungspflichtigen Einkünften beruht nämlich auf der Überlegung, dass man von der Steuerbemessungsgrundlage (Bruttoeinkünfte abzüglich Sozialversicherungsbeiträge) ausgeht und dann die Sozialversicherungsbeiträge wieder Hinzuschlägt, sodass diese in der Regel einen Duchlaufposten bilden. Diese Berechnungsweise (zuerst Abzug, dann hinzuschlagen) fußt auf dem Gedanken der größtmöglichen Gleichbehandlung der Eltern mit unterschiedlichen Einkunftsarten im Hinblick auf das Ergebnis der Berechnung unter Berücksichtigung der steuerlichen Gewinnermittlungsarten und dem uneinheitlichen österreichischen Sozialversicherungssystem. Deshalb wurde bei den Einkünften aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung wegen der uneinheitlichen Sozialversicherungsbeitragsätze ein pauschaler Zuschlag von 15 % gewählt (die weiteren 15 % entfallen auf die Sonderzahlungen), während bei den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit die im betreffenden Kalenderjahr des Leistungsbezugs vorgeschriebenen und gezahlten Sozialversicherungsbeiträge der Steuerbemessungsgrundlage wieder hinzugeschlagen werden (damit sind die Sozialversicherungsbeiträge wie schon erwähnt in der Regel bloße Durchlaufposten.). Letztlich kommt man nur durch diese gewählte Berechnungsart im Ergebnis zu einer größtmöglichen Gleichbehandlung der Kinderbetreuungsgeldbezieher, unabhängig von der Art der erzielten Einkünfte. Eine andere Art der Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen würde zu sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen und zur Unmöglichkeit einer laufenden Zuverdienstberechnung für die beziehenden Eltern führen (10 ObS 177/10t, SSV‑NF 25/3 ua).

Rechtliche Beurteilung

4. Vor diesem Hintergrund kann der erkennende Senat nicht finden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte in § 8 KBGG eine unsachlich benachteiligende Behandlung der Einkünfte selbständig erwerbstätiger Eltern gegenüber jenen unselbständig erwerbstätiger Eltern vorgenommen hätte. Die von der Revisionswerberin gegen diese Regelung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Gleichheitswidrigkeit vermögen nicht zu überzeugen. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass es dem Gleichheitssatz nicht widerspricht, wenn der Gesetzgeber bei einer Regelung von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (vgl 10 ObS 74/11x, SSV‑NF 25/77 mwN). Der erkennende Senat sieht sich daher auch im vorliegenden Fall zu der von der Revisionswerberin angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

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