OGH 15Os50/13m

OGH15Os50/13m26.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz H***** wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 16. November 2012, GZ 20 Hv 34/12g-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen V./A./ und B./, demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde der Angeklagte Franz H***** des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I./A./), (richtig:) der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./A./ und B./), der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (IV./) sowie (richtig:) der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall StGB (V./A./) und (richtig:) der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB (V./B./) schuldig erkannt.

Nach § 19a StGB wurden „die sichergestellten Datenträger laut Standblatt ON 19“ konfisziert.

Nach dem Schuldspruch hat Franz H***** in G*****

I./A./ durch fortdauernde körperliche Misshandlungen und andere strafbare Handlungen gegen Leib und Leben eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er Romana H***** zwischen Juni 2009 und Juni 2011 zumindest ein Mal im Monat eine Ohrfeige gab, ihr im Dezember 2010 ein Mobiltelefon auf den Kopf schlug und sie zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2010 an den Haaren von einem Sessel zerrte, auf den Boden warf und schlug;

II./ andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

A./ Romana H***** im Mai oder Juni 2007 durch einen Schlag in das Gesicht, der einen Bluterguss im Augenbereich zur Folge hatte;

B./ Samuel H***** im Sommer 2010 durch einen Schlag mit dem Schraubenzieher, wodurch dieser eine blutende Wunde am Kopf erlitt;

IV./ eine pornographische Darstellung der am 3. Oktober 1996 geborenen Carina P*****, somit einer minderjährigen Person, nämlich einen Videofilm, der einen Geschlechtsverkehr von ihm und Carina P***** zeigt, hergestellt und zwar

A./ im April oder Mai 2011;

B./ im Juni 2011;

V./ sich zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten pornographische Darstellungen Minderjähriger, nämlich Bilder, die die Genitalien und/oder die Schamgegend zeigen, verschafft, und zwar

A./ eines etwa 10-jährigen und eines 12-jährigen Mädchens, mithin unmündiger Personen;

B./ zweier 15-jähriger und eines weiteren Mädchens, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge zuwider (Z 4) wurde der Antrag des Angeklagten auf Vernehmung der Zeugin Beatrix B***** zum Beweis dafür, dass er gegenüber seinen Kindern nicht gewalttätig war und sie nicht geschlagen hat, sondern die Gewalt vielmehr von Romana H***** ausging (ON 49 S 34), mangels Erheblichkeit für den Schuldspruch nach § 107b Abs 1 StGB ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen. Die Tatrichter erachteten das Beweisthema nämlich im Urteilszeitpunkt ohnehin als ausreichend klargestellt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342) und sprachen den Angeklagten vom Vorwurf der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB gegen seine Kinder Samuel H***** und Clarissa H***** (I./B./ und I./C./ der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 19. Juni 2012 [ON 38]) gemäß § 259 Z 3 StPO frei (US 4 zweiter Absatz, US 20 letzter Absatz f).

Zum Vorwurf der Körperverletzung des Samuel H***** durch einen Schlag (II./B./) gab der Angeklagte selbst an, dass die Zeugin B***** dazu keine Wahrnehmungen machen konnte (ON 49 S 34 letzter Absatz), sodass die Abweisung auch unter diesem Gesichtspunkt zu Recht erfolgte.

Die Tatsachenrüge (Z 5a), welche sich gegen die Feststellungen wendet, wonach der Angeklagte bereits kurz nach der Eheschließung im Jahr 2007 begann, seiner Ehefrau bei jeder Kleinigkeit eine heftige Ohrfeige zu geben (US 8 erster Absatz), wonach er wusste, dass Carina P***** nicht damit einverstanden war, dass er den gemeinsamen Geschlechtsverkehr zumindest zweimal mit seinem Handy filmte (US 13), und wonach er mit dem Griff des Schraubenziehers, den er wegen der Reparatur in der Hand hielt, auf Samuel H*****s Kopf einschlug (US 10), stellt diesen Urteilsannahmen bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und zielt solcherart - außerhalb der Anfechtungskategorien der Z 5a (RIS-Justiz RS0119583) - auf eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ab, ohne beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im Sinn dieses Nichtigkeitsgrundes zu wecken.

Die zu I./ das Vorliegen der zur Erfüllung des Tatbestands erforderlichen Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung (RIS-Justiz RS0127377) bestreitende Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht sowohl die Urteilskonstatierung, dass der Angeklagte seiner Ehefrau bereits kurz nach der Eheschließung im Jahr 2007 bei jeder Kleinigkeit eine heftige Ohrfeige gab (US 8 erster Absatz), als auch die Feststellungen, dass Romana H***** vom Angeklagten im Lauf dieser Ehe zumindest einmal im Monat einige Ohrfeigen bekam (US 7 letzter Absatz, US 8 erster Absatz, US 9 zweiter Absatz), wobei sich diese Übergriffe in der Intensität und Häufigkeit in der ersten Hälfte des Jahres 2011 verstärkten (US 9 zweiter Absatz), und verfehlt solcherart mangels Orientierung am festgestellten Sachverhalt die prozessordnungsgemäße Darstellung des Nichtigkeitsgrundes.

Die weitere Behauptung (Z 9 lit a), die Annahme fortgesetzter Gewaltausübung hätte trotz der Ausgestaltung des § 107b StGB als schlichtes Tätigkeitsdelikt (Fabrizy, StGB10 § 107b Rz 2) erfordert, dass das Opfer in seiner freien Lebensführung schwerwiegend beeinträchtigt sei, und die Handlungen des Täters geeignet seien, zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Opfers zu führen, wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0116565).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass den Schuldsprüchen V./A./ und B./ eine seitens des Angeklagten nicht geltend gemachte, sich zu seinem Nachteil auswirkende materielle Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

§ 207a StGB pönalisiert - soweit hier wesentlich - die Herstellung, das sich oder anderen Verschaffen und den Besitz pornographischer Darstellungen (mündiger und unmündiger Minderjähriger), deren Definition sich in Abs 4 dieser Bestimmung findet und zur Strafbarkeit von gegenständlich inkriminierten Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger fordert, dass es sich bei diesen um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen. Zur Subsumtion unter § 207a StGB bedarf es daher der Feststellung der Kriterien dieses normativen Tatbestandsmerkmals (12 Os 151/08k, 14 Os 26/13z). Fallbezogen haben die Tatrichter jedoch nur festgestellt, dass die Bilder die Genitalien und die Schamgegend eines etwa zehnjährigen und eines zwölfjährigen, sowie zweier 15-jähriger und eines weiteren Mädchens, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zeigen (US 14 zweiter Absatz). Konstatierungen dahingehend, dass diese Bilder reißerisch verzerrt seien und es sich bei diesen um auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, sind der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen.

Nur die im Rahmen der Beweiswürdigung angeführte Erwägung, wonach die Bilder des Brust- und Genitalbereichs eines ca 15-jährigen sowie eines unter 14 Jahre alten Mädchens „reißerisch verzerrt“ sind (US 20 zweiter Absatz), vermag die dazu fehlenden Feststellungen ebenso wenig zu ersetzen wie die Angabe der Fundstellen der Bilder (US 14 zweiter Absatz; vgl 14 Os 107/11h; RIS-Justiz RS0114639).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605 f) erfordert die Aufhebung der Schuldsprüche V./ (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Auch das Konfiskationserkenntnis ist, weil Feststellungen zur Verwendung der „sichergestellten Datenträger laut Standblatt ON 19“ (richtig: ON 13) zur Begehung einer (gegenständlich im Besonderen welcher) vorsätzlichen Straftat fehlen, mit Nichtigkeit behaftet. Zwar ist dies für den Angeklagten infolge seiner ausdrücklichen Erklärung in der Hauptverhandlung am 16. November 2012, „mit der Einziehung und Konfiskation der Gegenstände ON 13“ einverstanden zu sein (ON 49 S 14 letzter Absatz), iSd § 290 Abs 1 StPO ohne Nachteil (vgl RIS-Justiz RS0088201 [T9, T14]), doch war das Konfiskationserkenntnis in Ansehung der Aufhebung des Schuldspruchs V./ mangels Differenzierung, welche der „sichergestellten Datenträger“ (laut Standblatt Nr 361/11 [ON 13] ein PC, insgesamt 3 HDD, ein Notebook sowie 210 CDs und DVDs) der Angeklagte zur Begehung der vom Schuldspruch IV./ umfassten, und welche er zur allfälligen Verwirklichung der zu V./ inkriminierten Tathandlungen verwendet hat, zur Gänze aufzuheben.

Demgemäß war aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Schuldsprüchen V./, demgemäß auch im Strafausspruch und das Konfiskationserkenntnis aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten zu verweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen.

Ein Eingehen auf die verfehlte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für die erweiterte Strafbefugnis des § 39 StGB durch das Erstgericht (US 28 zweiter Absatz; § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) ist demnach nicht geboten.

Die Kostenersatzpflicht, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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