European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0100OB00014.13A.0528.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnhausanlage M***** in 1150 Wien. Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 19. 3. 2010 das Geschäftslokal R01 auf Stiege 14 dieser Anlage.
Die Klägerin begehrt die Zahlung der auf das Bestandobjekt entfallenden Betriebskosten ab Beginn des Mietverhältnisses in Höhe von zuletzt 4.466,31 EUR sA sowie die Räumung des Bestandobjekts. Der Beklagte vertrete den unhaltbaren rechtlichen Standpunkt, nur Hauptmietzins zu schulden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, im Mietvertrag sei ein Pauschalmietzins in Höhe von 330,08 EUR inklusive Umsatzsteuer monatlich vereinbart worden. Die Klägerin habe diesen Pauschalmietzins auch monatelang vorgeschrieben. Erst Ende Dezember 2010 bzw Anfang Jänner 2011 seien dem Beklagten erstmals auch Betriebskosten vorgeschrieben worden. Der Text des Mietvertrags stamme allein von der Klägerin. Sollte sich die Klägerin im Mietvertrag undeutlich ausgedrückt haben, gereiche dies ausschließlich ihr zum Nachteil. Es treffe den Beklagten jedenfalls kein grobes Verschulden am Entstehen eines Mietzinsrückstands.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Zahlungsbegehren der Klägerin statt. Nach seinen weiteren Feststellungen wurde dem Beklagten auf dessen Anfrage wegen einer Anmietung des erwähnten Geschäftslokals von einer Mitarbeiterin der Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass dem Vormieter Investitionen in Höhe von 2.500 EUR abzulösen sein werden und das Geschäftslokal „so um die 500 EUR kosten werde“, wobei nicht näher besprochen wurde, was die 500 EUR sein hätten sollen. Im Jänner 2010 erhielt der Beklagte von der Klägerin einen Besichtigungsschein für das Bestandobjekt, auf welchem unter anderem ein „monatlicher Mietzins von ca 535,80 EUR“ angeführt war. In weiterer Folge bezahlte der Beklagte nach Besichtigung des Objekts über Aufforderung der Klägerin ca 2.500 EUR Ablöse an den Vormieter, um den Mietvertrag zu erhalten. Etwa zwei Wochen später erhielt der Beklagte von einer Mitarbeiterin der Klägerin einen Anruf, wonach er am 10. 3. 2010 bei der Klägerin den Mietvertrag unterzeichnen könne. Bis zur Unterzeichnung des Mietvertrags am 10. 3. 2010 wurden zwischen den Parteien keine weiteren Gespräche über die Bedingungen des Mietvertrags geführt.
Am 10. 3. 2010 legte die Mitarbeiterin der Klägerin dem Beklagten den von der Klägerin verfassten Mietvertrag (Beilage A) vor. Danach überlässt die Vermieterin den im Pkt 1.(3) bezeichneten Mietgegenstand dem Mieter ab 20. 3. 2010 auf unbestimmte Zeit [Pkt 1.(1)]. Nach Pkt 3.(1) des Mietvertrags wird als Hauptmietzins der im Rechenblock unter Pkt 1.(3) ausgewiesene Betrag vereinbart. Nach Pkt 4. des Mietvertrags werden die auf den Mietgegenstand entfallenden Betriebskosten und besonderen Aufwendungen im Wege von Jahrespauschalen gemäß § 21 (3) MRG verrechnet. In der „ziffernmäßigen Darstellung der vereinbarten Leistungen“ [Pkt 1.(3) des Mietvertrags] ist unter der Rubrik „Hauptmietzins bei Vermietung“ ein Betrag von „275,06“ EUR und unter der Rubrik „Umsatzsteuer“ der Betrag von „55,01“ EUR angeführt. In der Rubrik „Betriebskosten u. besondere Aufwendungen ‑ a conto Zahlung“ ist irrtümlich der Betrag „0,00“ EUR eingetragen. Dieser Umstand beruhte auf einem Versehen seitens der Klägerin bei der EDV‑mäßigen Erfassung bei der Erstellung der Mietvertragsurkunde. Der Beklagte las sich den Mietvertrag (Beilage A) durch und unterzeichnete ihn in der Folge gemeinsam mit der Mitarbeiterin der Klägerin. Mit der Unterzeichnung des Mietvertrags erhielt der Beklagte von der Mitarbeiterin der Klägerin als Information einen EDV‑Ausdruck, in dem als „Übersicht ‑ 1. Vorschreibung“ der „Mietzins inkl USt für März 2010“ mit „121,03“ EUR und der „Mietzins inkl USt für April 2010“ mit „330,07“ EUR angeführt war. Über den Inhalt der schriftlichen Mietvertragsurkunde hinausgehende Gespräche zwischen der Mitarbeiterin der Klägerin und dem Beklagten fanden nicht statt. Der Mitarbeiterin der Klägerin war die Höhe des Mietzinses von der MA 25 vorgegeben worden und sie hatte mit dem Beklagten nur noch die Unterzeichnung des von ihr vorbereiteten Mietvertrags durchzuführen.
In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhalts gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, die Mietvertragsurkunde sei mangels eines abweichenden übereinstimmenden Parteiwillens so auszulegen, wie die darin enthaltenen Erklärungen über das geschuldete Entgelt bei objektiver Betrachtung der Sachlage zu verstehen seien. Schon die einfache Auslegung des Pkt 4. des Mietvertrags ergebe, dass die Bezahlung von Betriebskosten vereinbart worden sei. Im Übrigen sei der Argumentation der Klägerin zu folgen, wonach es sich bei der Auflistung unter Pkt 1.(3) des Mietvertrags nur um einen sogenannten „Rechenblock“ handle, welcher offenbar nur informativen Charakter habe. Die tatsächliche Vereinbarung über die Zahlung von Betriebskosten ergebe sich aus Pkt 4. des Mietvertrags. Nur bei eindeutiger Vereinbarung eines Pauschalmietzinses oder bei einem zweifelsfreien Verzicht auf Betriebskosten entfalle die Verpflichtung zur Bezahlung von Betriebskosten. Im Übrigen entspreche es auch der Übung des Verkehrs, dass Betriebskosten zu bezahlen seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Erstgerichts Folge und wies das Zahlungsbegehren ab. Nach seinen Rechtsausführungen sei entscheidend, wie ein redlicher Erklärungsempfänger die Erklärung des Vertragspartners verstehen konnte. Bei der von der Klägerin vorbereiteten Vertragsurkunde handle es sich um einen üblicherweise verwendeten Formularmietvertrag, der durch Einsetzen von Namen, Vertragszweck und anderer individueller Vertragsmerkmale entsprechend adaptiert werden könne. In Pkt 1.(3) des Vertrags werde auf die „ziffernmäßige Darstellung der vereinbarten Leistungen“ verwiesen. Es folgten nach der Beschreibung des gegenständlichen Bestandobjekts die ziffernmäßige Angabe des Hauptmietzinses und der Umsatzsteuer sowie die Höhe der Rechtsgebühr für den Mietvertrag und die Fernwärme. Unter „Betriebskosten u. besondere Aufwendungen“ sei als Betrag „0,00“ EUR ausgewiesen. Nach dem Wortsinn dieser Vertragserklärung habe ein objektiver Erklärungsempfänger davon ausgehen dürfen, dass an (Gesamt‑)Mietzins 330,07 EUR geschuldet werden. Im Hinblick darauf, dass es sich um einen von der Klägerin verwendeten Formularmietvertrag gehandelt habe, ändere auch die Tatsache daran nichts, dass Pkt 4. des Mietvertrags darauf hinweise, dass „die auf den Mietgegenstand entfallenden Betriebskosten und besonderen Aufwendungen im Wege von Jahrespauschalen gemäß § 21 Abs 3 MRG verrechnet werden“, weil grundsätzlich von der Vollständigkeit der Angaben der geschuldeten Leistungen auszugehen sei. Der Eindruck, den der Beklagte aus der Vertragserklärung gewinnen konnte, sei noch dadurch bestärkt worden, dass er anlässlich der Mietvertragsunterfertigung als Information einen EDV‑Ausdruck erhalten habe, in dem der Mietzins inklusive USt für März 2010 (entsprechend dem Mietvertragsbeginn am 19. 3. 2010) mit 121,03 EUR und für April mit 330,07 EUR ausgewiesen worden sei. Dieser Betrag sei dem Beklagten auch tatsächlich zehn Monate lang vorgeschrieben worden. Der Beklagte habe daher unter Berücksichtigung dieser Umstände auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des in der Vertragsurkunde angegebenen Mietzinses vertrauen dürfen. Die Berufung erweise sich somit bereits aus rechtlichen Erwägungen als berechtigt, weshalb auf die vom Beklagten ebenfalls erhobene Beweisrüge nicht mehr einzugehen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die im Einzelfall vorzunehmende Vertragsauslegung nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts zu einem nach Ansicht des erkennenden Senats unvertretbaren Auslegungsergebnis führt, und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
Die Klägerin macht zusammengefasst geltend, der gesamte Vertragstext des Mietvertrags könne von einem objektiven Erklärungsempfänger keinesfalls dahin verstanden werden, dass daraus der Verzicht der Klägerin auf die Einhebung der Betriebskosten abgeleitet werden könne, zumal in dem Vertrag von einem „Hauptmietzins“ und nicht von einem „Pauschalmietzins“ die Rede sei und die Zahlung von Betriebskosten auch der Übung des Verkehrs entspreche.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
1. Die Anfechtung des über einen Betrag von 4.466,31 EUR ergangenen Urteils über Betriebskostenrückstände, welches Begehren mit einem Räumungsbegehren verbunden ist, ist gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig, weil es sich um eine unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit handelt, bei der über eine Räumung zu entscheiden ist (1 Ob 55/11m; 5 Ob 250/09i uva; RIS‑Justiz RS0042922, RS0042977 ua).
2. Bei der Auslegung von Willenserklärungen nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehenzubleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger ‑ nach den Umständen objektiv ‑ erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (vgl allgemein RIS‑Justiz RS0017915, RS0014160 ua).
3. Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall vom Beklagten unbekämpft gebliebenen Sachverhalt angewendet, spricht zunächst schon die Auslegung nach dem Wortsinn der Punkte 3.(1) „Als Hauptmietzins wird der im Rechenblock unter Pkt 1.(3) ausgewiesene Betrag vereinbart.“ und 4. „Die auf den Mietgegenstand entfallenden Betriebskosten und besonderen Aufwendungen werden im Wege von Jahrespauschalen gemäß § 21 (3) MRG verrechnet.“ dafür, dass neben dem Hauptmietzins auch Betriebskosten geschuldet werden. Die erwähnten Formulierungen können von einem redlichen Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden, dass neben dem Hauptmietzins auch Betriebskosten zu bezahlen sind, wie dies auch der Bestimmung des § 15 MRG und der Verkehrsübung entspricht. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass ‑ auch wenn es sich bei dem vom Beklagten unterfertigten Mietvertrag um ein Vertragsformular gehandelt hat ‑ der gesamte Vertragsinhalt zur Vertragsauslegung heranzuziehen ist und daher auch die erwähnten Punkte 3.(1) und 4. des Mietvertrags zu berücksichtigen sind. Die Parteien haben damit entgegen der Rechtsansicht des Beklagten keinen Pauschalmietzins vereinbart, da eine echte Pauschal-mietzinsvereinbarung in der Zusammenfassung sämtlicher Mietzinsbestandteile in einem einzigen Betrag liegt. Sie liegt vor, wenn unabhängig von der tatsächlichen Höhe der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben ein Globalbetrag zu entrichten ist. Eine gesonderte Einhebung von Betriebskosten und öffentlichen Abgaben ist in diesem Zusammenhang daher nicht zulässig (vgl 7 Ob 75/12y, immolex 2012/76, 246 [ Hagen ]; 5 Ob 121/11x jeweils mwN ua; RIS‑Justiz RS0069848). Die in Pkt 3.(1) und 4. des Mietvertrags vorgesehene gesonderte Einhebung des Hauptmietzinses und der auf den Mietgegenstand entfallenden Betriebskosten und besonderen Aufwendungen steht daher der vom Beklagten behaupteten Vereinbarung eines Pauschalmietzinses entgegen.
4. Soweit das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, der Beklagte habe aufgrund der im Mietvertrag unter Pkt 1.(3) vorgenommenen „ziffernmäßigen Darstellung der vereinbarten Leistungen“ anhand des Eintrags „Betriebskosten u. besondere Aufwendungen ‑ a conto Zahlung 0,00“ davon ausgehen können, dass von ihm lediglich ein (Gesamt‑)Mietzins von 330,07 EUR monatlich, aber darüber hinaus keine Betriebskosten geschuldet werden, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser Eintrag nur auf den Hauptmietzins für März 2010 und nur auf die Höhe einer Betriebskostenacontozahlung, nicht aber auch auf die ‑ im Vorhinein nicht bekannte ‑ Höhe der Betriebskosten bezieht und daher aufgrund der Systematik des Vertrags dadurch nicht die in Pkt 4. des Mietvertrags festgelegte Verpflichtung zur Zahlung von Betriebskosten und besonderen Aufwendungen im Wege von Jahrespauschalen generell aufgehoben wird. Im Übrigen muss nach § 914 ABGB auch nach der Übung des redlichen Verkehrs angenommen werden, dass zwar die Überlassung des Nutzungsrechts für die in Pkt 1.(3) des Mietvertrags näher bezeichneten Räumlichkeiten durch den vereinbarten Hauptmietzins abgegolten sein sollten, dass aber die nach dem individuellen Verbrauch zu bestimmenden, zu dieser Zeit des Vertragsabschlusses eine unbekannte und nicht bestimmbare Größe darstellenden Betriebskosten vom Mieter entsprechend seinem Verbrauch gesondert zu tragen sind. Dies entspricht dem allgemein üblichen Inhalt von Mietverträgen redlicher und vernünftiger Mietvertragsparteien (vgl auch LGZ Wien MietSlg 37.077).
5. Ausgehend von dem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung allein zugrundegelegten Inhalt der Vertragsurkunde kann daher der Mietvertrag von einem redlichen Erklärungsempfänger nicht dahin verstanden werden, dass daraus der Verzicht auf die Einhebung der Betriebskosten abgeleitet werden könnte, zumal in dem Vertrag von „Hauptmietzins“ und nicht von einem „Pauschalmietzins“ die Rede ist und die Zahlung von Betriebskosten durch den Mieter auch der Übung des Verkehrs entspricht.
6. Um den Rechtsfall aber auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten in seiner Berufung bekämpften Feststellungen und dafür begehrten Ersatzfeststellungen abschließend beurteilen zu können, bedarf es der Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht. Es war daher das angefochtene Urteil zur neuerlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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