OGH 4Ob63/13p

OGH4Ob63/13p23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E***** D*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C***** R*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Unterlassung (Streitwert: 7.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 12. Juli 2012, GZ 18 R 210/11b‑82, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 9. August 2011, GZ 3 C 611/05g‑77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Rechtssache war bereits Gegenstand einer Entscheidung des erkennenden Senats; hinsichtlich Vorbringen, Verfahrensgang und Sachverhalt wird auf den im ersten Rechtsgang gefassten Beschluss (4 Ob 196/07p) verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit der Beweisrüge befasst und die Feststellungen des Erstgerichts aufgrund seiner für zutreffend befundenen Beweiswürdigung übernommen. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Gericht zweiter Instanz auseinandergesetzt hat, ist vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0043371).

2.1. In seiner Entscheidung 4 Ob 196/07p hat der Senat ausgesprochen, dass jedenfalls dem durch Äste einer auf dem Nachbargrund stehenden Pflanze im Luftraum über seiner Liegenschaft gestörten Eigentümer Unterlassungsansprüche zur Behebung eines seine Güter konkret gefährdenden und deshalb rechtswidrigen Zustands nach § 364 ABGB ‑ unter Überwälzung der gesamten notwendigen Kosten ‑ zu gewähren ist. Die Möglichkeit zur Beseitigung eines Überhangs gemäß § 422 ABGB lässt den Anspruch auf Unterlassung unzulässiger negativer und positiver Immissionen durch Pflanzen auf dem Nachbargrund nach § 364 ABGB jedenfalls dann unberührt, wenn die Ausübung des Selbsthilferechts nicht leicht und einfach zu bewerkstelligen ist. Immissionsabwehransprüche gegen einen von Pflanzen auf der Nachbarliegenschaft ausgehenden „positiven“ Eigentumseingriff in Gestalt eines Überhangs sind jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Immission die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt werden kann.

2.2. Der Senat hat an dieser Auffassung auch in der Folge festgehalten und einen Beseitigungsanspruchs iSd §§ 354, 362 iVm § 364 Abs 2 ABGB im Falle eines Überhangs von Ästen zuerkannt (4 Ob 43/11v: Die Beklagte hat durch Unterlassen der Veranlassung baumpflegerischer Maßnahmen nicht nur in die geschützte Rechtsposition der Klägerin als Eigentümerin der betroffenen Liegenschaft eingegriffen, sie hält diesen in das Nutzungsrecht des Eigentümers eingreifenden Zustand weiterhin aufrecht; ihr widerrechtliches Verhalten führt einen das Eigentumsrecht der Klägerin beeinträchtigenden Dauerzustand herbei, dessen Beseitigung die Klägerin verlangen kann; vgl RIS‑Justiz RS0079560 [T1]). Davon im Anlassfall abzuweichen besteht im nunmehr dritten Rechtsgang weder die Möglichkeit (vgl zur Selbstbindung RIS‑Justiz RS0007010), noch ein inhaltlicher Anlass.

2.3. Dass die Bäume auf dem Grund des Beklagten in ihrer konkreten Anordnung und Größe ortsunüblich sind, steht fest. Das Berufungsgericht hat nach einer sorgfältigen Interessenabwägung der nach den Grundsätzen der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien die von diesem Pflanzenwuchs ausgehende Beeinträchtigung der Liegenschaft der Klägerin unter anderem deshalb als unzumutbar beurteilt, weil durch den in seinen Ausmaßen nahezu einzigartigen Überhang während der Vegetationsperiode mehr als die Hälfte der möglichen Sonnenstunden infolge Schattenwurfs wegfallen.

2.4. Mit dieser Beurteilung im Einzelfall hat das Berufungsgericht weder seinen ihm in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, noch ist ihm ein an die Grenze des Missbrauchs gehender Fehler unterlaufen (vgl RIS‑Justiz RS0007104 [T4]).

3. Die Frage der Passivlegitimation des Beklagten hat der Senat in seiner den Aufhebungsbeschluss zweiter Instanz bestätigenden Vorentscheidung mit ausführlicher Begründung bejaht und damit abschließend beantwortet (vgl RIS‑Justiz RS0042403; RS0042014 [T1, T2]).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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