Spruch:
1. Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird zufolge Änderung ihrer Firma auf „o***** GmbH“ richtiggestellt.
2. Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über das Unterlassungs- und das Widerrufsbegehren und in der Abweisung eines Teilbegehrens von 10.000 EUR sA rechtskräftig geworden ist, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass es im Ausspruch über das Zahlungsbegehren lautet:
„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 10.000 EUR samt 4 % Zinsen ab 17. Juni 2011 zu zahlen.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 18.712,50 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 2.430,68 EUR Umsatzsteuer, 4.128,50 EUR Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung „K*****“. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Ö*****“. Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin, Portalinhaberin, Vermarkterin und Betreiberin des elektronischen Mediums www.o ***** , bei dem es sich um den Online-Auftritt der Zeitung der Erstbeklagten handelt. Die Drittbeklagte ist eine Tochtergesellschaft der Erstbeklagten und stellt dieser die redaktionellen Inhalte für ihre Zeitung zur Verfügung. Strittig ist folgender Artikel, der am 3. Juni 2011 in der Zeitung der Erstbeklagten und im Online-Medium der Zweitbeklagten erschienen ist:
„K***** berichtet bewusst falsch.
Die K***** hat gestern in geschäftsschädigender Weise behauptet, Ö***** habe einen „Hacker-Angriff“ auf G***** Freund E***** K***** P***** durchgeführt. Das ist falsch. Es gab niemals einen „Hacker-Angriff“ von Ö***** auf die Internet-Adressen von P*****. Richtig ist vielmehr, dass ein in Kündigung befindlicher Mitarbeiter in einer privaten Aktion Internet-Recherchen durchgeführt hat. Diese Recherchen - ob es sich um „Hacker-Versuche“ gehandelt hat, wird eine Untersuchung zeigen - wurden weder von Ö***** beauftragt, noch wurden sie in Ö***** verwendet. Der Mitarbeiter ist bei Ö***** nicht mehr beschäftigt. Gegen die K***** wurde gestern wegen des absichtlich falschen Berichts Klage eingebracht. Ebenso gegen EK P*****. Bleibt die Frage: Warum hat die K***** so enge Beziehungen zu P*****? Warum geht die K***** gegen kritische Medien in Fall P***** vor‑ und schreibt selbst kein kritisches Wort über die Causa G*****? Kann es sein, dass K*****-Herausgeber C***** D***** Geschäfte mit P***** und G***** betrieben hat? Und dass die Staatsanwaltschaft beim Verkauf des D***** durch G***** auch Millionen-Geldflüsse von D***** prüft?“
Die Beklagten reagierten damit auf einen Artikel in der Zeitung der Klägerin, der erstmals am Abend des 1. Juni 2011 erschienen war. Darin hatte die Klägerin unter der Überschrift „Datenklau-Affäre und Billigblatt“ berichtet, dass man versucht habe, von einer IP-Adresse, die einer mit den Beklagten verbundenen Gesellschaft zuzuordnen sei, in das E-Mail-System eines (dritten) Unternehmers einzudringen. Grundlage für diesen Bericht war eine gegen diese Gesellschaft erlassene einstweilige Verfügung gewesen. Die Klägerin hatte der Erstbeklagten Gelegenheit gegeben, zum Vorwurf Stellung zu nehmen; diese hatte vor dem Erscheinen der Abendausgabe nicht reagiert. Nach dem Erscheinen bezeichnete sie den Bericht der Klägerin in einer Aussendung als „Falschmeldung“; der Datenzugriff sei eine „private Aktion“ eines bereits gekündigten Mitarbeiters gewesen.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin, die Beklagten zu verpflichten,
a. die Behauptung zu unterlassen, die Klägerin verbreite wissentlich / absichtlich falsche Tatsachen,
b. einen entsprechenden Widerruf zu veröffentlichen,
c. Schadenersatz von 20.000 EUR zu leisten.
Für den im Revisionsverfahren allein strittigen Schadenersatzanspruch stützt sich die Klägerin auf § 16 Abs 2 UWG. Die Behauptung der bewussten Falschberichterstattung habe gegen § 7 UWG verstoßen und ihr Persönlichkeitsrecht schwerwiegend beeinträchtigt.
Die Beklagten wenden ein, die Behauptung der bewussten Falschberichterstattung sei wahr gewesen. Jedenfalls liege aber keine schwerwiegende Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten vor, die den Zuspruch von Schadenersatz rechtfertigte.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Widerrufsbegehren statt und wies das Schadenersatzbegehren ab. Die Behauptung, die Klägerin berichte bewusst und absichtlich falsch, könne nur als herabsetzend verstanden werden und erfülle daher den Tatbestand des § 7 UWG. Den Wahrheitsbeweis habe die Beklagte nicht erbracht. Daher seien das Unterlassungs- und das Widerrufsbegehren berechtigt. Immaterieller Schadenersatz stehe der Klägerin aber nicht zu, weil der beanstandete Artikel nicht über das im fast täglichen Schlagabtausch zwischen den Parteien Übliche hinausgegangen sei. Besondere Umstände, die den mit jeder Wettbewerbsverletzung verbundenen Ärger überstiegen, lägen nicht vor.
Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Berufung der Beklagten müsse aus näher dargestellten Gründen scheitern; der Unterlassungs- und der Widerrufsanspruch bestehe zu Recht. Aber auch die Klägerin dringe mit ihrer Berufung nicht durch: Immaterieller Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG könne zwar auch juristischen Personen zugesprochen werden. Voraussetzung sei jedoch das Vorliegen besonderer Umstände; der mit jeder Wettbewerbsverletzung verbundene Ärger reiche nicht aus. Vielmehr müsse eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person vorliegen. Davon könne hier keine Rede sein. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen 4 Ob 49/95 und 4 Ob 176/08y hätten qualifizierte Beschimpfungen des Mitbewerbers betroffen. Damit sei die Behauptung unrichtiger Berichterstattung, die im Wettbewerb zwischen den Streitteilen an der Tagesordnung liege, nicht zu vergleichen.
Die Beklagten ließen die Entscheidung über das Unterlassungs- und das Widerrufsbegehren in Rechtskraft erwachsen, die Klägerin die Abweisung eines Teilbegehrens von 10.000 EUR.
In ihrer außerordentlichen Revision strebt die Klägerin den Zuspruch von 10.000 EUR an. Das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 16 Abs 2 UWG abgewichen; die Behauptung der bewussten Falschberichterstattung sei ein schwerwiegender Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht. Die Beklagten beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung des Schadenersatzanspruchs von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.
1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zum Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG an sich richtig wiedergegeben (4 Ob 49/95 = SZ 68/177 ‑ Leserverblödung; 4 Ob 176/08y = MR 2009, 55 ‑ Perlen vor die Säue; RIS-Justiz RS0090635, RS0090640). Danach kann auch juristischen Personen, die wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben können, nach § 16 Abs 2 UWG eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen sein, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei sind auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden zu berücksichtigen. In jedem Fall muss es sich aber ‑ im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen ‑ um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln. Gradmesser für die Höhe des Schadens sind der von der betroffenen juristischen Person erlangte Ruf und seine durch die Schwere der Wettbewerbsverletzung herbeigeführte Beeinträchtigung.
2. Richtig ist, dass hier ‑ anders als in 4 Ob 49/95 (= ÖBl 1996, 134 ‑ Leserverblödung) oder 4 Ob 176/08y (= MR 2009, 55 ‑ Perlen vor die Säue) ‑ keine qualifizierte Beschimpfung der Klägerin vorlag. Es mag auch zutreffen, dass der bloße Vorwurf der Falschberichterstattung die soziale Wertstellung der Klägerin noch nicht so gravierend beeinträchtigt hätte, dass Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG zuzusprechen gewesen wäre. Zwar hat der Senat in der Entscheidung 4 Ob 126/89 (= SZ 62/192 ‑ Zeitungsente) ausgesprochen, dass der unzutreffende Vorwurf einer „Zeitungsente“, also einer (bloß) objektiv unrichtigen Meldung, wegen des dadurch gefährdeten Vertrauens in die Seriosität der Berichterstattung Schadenersatz von (umgerechnet) 3.634 EUR rechtfertige. Es könnte aber tatsächlich fraglich sein, ob diese strenge Haltung noch den tatsächlichen Verhältnissen auf dem österreichischen Zeitungsmarkt ‑ zumal im beinahe täglichen Schlagabtausch zwischen den Parteien, der von einem wechselseitigen Absprechen der Seriosität geprägt ist - entspricht.
3. Darauf kommt es hier aber nicht an. Denn im vorliegenden Fall haben die Beklagten der Klägerin eine bewusste Falschberichterstattung unterstellt. Dieser Vorwurf geht weit über jenen der bloßen Unrichtigkeit einer Meldung („Ente“) hinaus. Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit der Klägerin ganz grundlegend in Zweifel gezogen. Denn eine Zeitung, die ‑ offenkundig im eigenen Interesse ‑ wissentlich falsch berichtete, verlöre zu Recht jegliches Vertrauen ihrer Leser und Anzeigenkunden; einen schwerer wiegenden Vorwurf kann man einem Medium kaum machen. Unter diesen Umständen ist der (zuletzt) begehrte Schadenersatz von 10.000 EUR jedenfalls berechtigt.
3. Auf dieser Grundlage hat die Revision der Klägerin Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, dass der Klägerin Schadenersatz von 10.000 EUR zugesprochen wird.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich für das Verfahren erster Instanz auf § 43 Abs 2 ZPO. Die Klägerin hat mit ihrem Unterlassungs- und Widerrufsbegehren zur Gänze obsiegt, beim Schadenersatzbegehren lag keine die Anwendung von § 43 Abs 2 ZPO ausschließende Überklagung vor. Die Kosten sind daher auf einer Bemessungsgrundlage von 46.000 EUR zuzusprechen. In zweiter Instanz sind die Beklagten mit ihrer Berufung zur Gänze unterlegen, weswegen sie der Klägerin nach §§ 41, 50 ZPO die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen haben. Der Klägerin gebühren weiters Kosten für ihre eigene Berufung (§§ 43 Abs 2, 50 ZPO) und die Revision (§§ 41, 50 ZPO), dies jeweils auf einer Bemessungsgrundlage von 10.000 EUR. Dazu kommen die Kosten des gewonnenen Sicherungsverfahrens.
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