OGH 7Ob198/12m

OGH7Ob198/12m23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** B*****, vertreten durch Mag. Martin Wolf, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.532,46 EUR und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. August 2012, GZ 4 R 122/12s-30, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. April 2012, GZ 57 Cg 2/11x-22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.049,04 EUR (darin enthalten 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Vorweg ist klarzustellen, dass sich der Kläger in erster Instanz nur darauf berufen hat, dass ihm die falschen Rückkaufswerte durch eine Mitarbeiterin der Beklagten „verbindlich bekannt gegeben“ worden seien und sich die Beklagte diese Bekanntgabe „als verbindlich zurechnen“ lassen müsse. Wie auch die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, begehrte er die Differenzen zu den richtigen - von der Beklagten ohnehin ausgezahlten - Rückkaufswerten somit allein als Vertragserfüllung. Schadenersatz wegen Verletzung nebenvertraglicher Pflichten hat er somit - worauf schon die Klagebeantwortung, die Berufung und das Berufungsgericht hinwiesen - gar nicht geltend gemacht (auch wenn die addierten Differenzbeträge einmal als „Gesamtschaden“ bezeichnet sind). Ein Eingehen auf die Ausführungen zu einem - nicht auf das Erfüllungsinteresse gerichteten - Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus der falschen Bekanntgabe ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt, weil sie dem Neuerungsverbot widersprechen.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob laufenden Mitteilungen des Versicherers über die Höhe des Rückkaufswerts im Zuge von Lebens-/Rentenversicherungen „rechtsgeschäftlicher (verbindlicher) Charakter zukommt“. Auch der Revisionswerber beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels darauf, dass diesbezüglich „keine (einheitliche) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs“ vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird damit nicht aufgezeigt.

Wenn ausländisches Recht anzuwenden ist, kann das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für sich allein die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht begründen. Ist fremdes Recht maßgeblich, kommt es auf dessen Anwendung in seinem ursprünglichen Geltungsbereich an. Aus diesem Grundsatz folgt, dass nur die Anwendung des fremden Rechts unter Hintansetzung der im ursprünglichen Geltungsbereich in Rechtsprechung und Lehre gefestigten Ansicht eine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (5 Ob 115/12s; vgl RIS-Justiz RS0113594; RS0042940). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat hingegen nicht (auch) die Aufgabe, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042948 [T16, T20]; RS0042940 [T3]), weil ihm hier die dem § 502 Abs 1 ZPO zugrunde gelegte Leitfunktion nicht zukommt (10 Ob 9/06f mwN); insoweit ist das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit daher nicht von Bedeutung (7 Ob 164/12m).

Auf die Vereinbarung zwischen den Parteien ist, was die noch offenen Fragen betrifft, unstrittig deutsches Sachrecht anzuwenden (§ 2 der Besonderen Bedingungen für Lebensversicherungsverträge mit der Direktion für Österreich [kurz: BBÖ]). Nach deutschem Recht liegt aber, wie der Oberste Gerichtshof - wenn auch in anderem Zusammenhang - bereits in 10 Ob 9/06f mwN festgehalten hat, ein abstraktes (schuldbegründendes, konstitutives, selbstständiges) Schuldanerkenntnis im Sinn der §§ 780, 781 BGB dann vor, wenn es vom Anerkennenden schriftlich abgegeben wird und wenn die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck kommenden Leistungswillen des Anerkennenden gestellt werden soll. Über diese selbstständige Natur des Versprechens müssen sich die Vertragspartner einig sein. Dies ist durch Auslegung anhand der schriftlichen Erklärung zu ermitteln. Eine Vermutung für ein abstraktes Leistungsversprechen besteht dabei nicht. Es stellt ein Indiz für eine selbstständige Verpflichtung dar, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird; ein selbstständiger Verpflichtungswille ist daher im Zweifel nicht anzunehmen, wenn in der schriftlichen Erklärung ein bestimmter Schuldgrund angegeben ist.

Im Unterschied zu diesem so genannten konstitutiven Schuldanerkenntnis stellt das deklaratorische (schuldbestätigende, kausale) Anerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage, sondern verstärkt diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch, dass es ihn Einwänden des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht. Entzogen werden dem Anspruchsgegner Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. Zweck eines solchen Anerkenntnisses ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen. Die Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses setzt insbesondere voraus, dass diese Rechtsfolgen der Interessenslage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Die Parteien müssen sich über Streitpunkte oder Ungewissheiten geeinigt haben, die aus ihrer Sicht nach den Umständen des Einzelfalls klärungs- und regelungsbedürftig waren. Die Wertung einer Erklärung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist im Wesentlichen Sache der „tatrichterlichen“ Feststellung und Auslegung also des Einzelfalls.

Vom abstrakten (konstitutiven) Anerkenntnis des § 781 BGB strikt zu trennen ist also das kausale (deklaratorische, bestätigende) Schuldanerkenntnis, durch das eine schon bestehende Schuld endgültig festgelegt wird. Dem rein tatsächlichen, nicht rechtsgeschäftlichen Anerkenntnis wohnt hingegen allein eine Beweisfunktion inne; diese drei Anerkenntnisformen sind durch Auslegung des Parteiwillens voneinander abzugrenzen (Gehrlein in Bamberger/Roth [Hrsg], in BeckOK26 BGB § 781 Rn 2 mwN).

Nach den dargelegten Grundsätzen deutschen Rechts ist es jedenfalls vertretbar, der - noch vor Kündigung des Vertrags erfolgten - Mitteilung eines Versicherers über die Höhe des Rückkaufswerts einen „Rechtsbindungswillen“ (vgl H.-W. Eckert in Bamberger/Roth [Hrsg], in BeckOK26 BGB § 145 Rn 35 [zu diesem Erfordernis jedes Vertragsabschlusses]) nicht zu unterstellen, sondern von einem rein tatsächlichen, nicht rechtsgeschäftlichen Anerkenntnis auszugehen; und es trifft auch zu, dass sich der Kläger in erster Instanz auf Schadenersatz (die Revision spricht nunmehr von culpa in contrahendo) gar nicht gestützt hat.

Die Beurteilung, dass die erteilte (unrichtige) Information über die Höhe des Rückkaufswerts - mangels Vorliegens eines rechtsgeschäftlichen Anerkenntnisses - nicht als verbindliche Leistungszusage für den theoretischen Fall einer vorzeitigen Aufkündigung angesehen werden kann, ist somit nicht zu beanstanden. Daher wird keine im Rahmen des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung aufgezeigt; handelt es sich doch auch bei der Frage der hier maßgeblichen Auslegung des Parteiwillens um eine Rechtsfrage, der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (8 Ob 101/11b und 7 Ob 40/09x jeweils mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0113193 und H.-W. Eckert in Bamberger/Roth [Hrsg], BeckOK26 BGB § 145 Rn 37 mwN [zur „weiten Kasuistik“ in der - durch Auslegung der jeweiligen Abrede zu lösenden - Frage, ob der in Abgrenzung zum Vertrag maßgebliche Rechtsgestaltungswille tatsächlich fehlt oder zugunsten des die vertraglichen Pflichten Einfordernden anzunehmen ist]).

Da erhebliche Rechtsfragen nicht geltend gemacht werden und auch sonst nicht zu beantworten sind, ist die Revision zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.

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