OGH 6Ob214/12g

OGH6Ob214/12g8.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj P***** K*****, vertreten durch die Mutter A***** K*****, beide *****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei mj C***** A*****, vertreten durch die Mutter M***** E*****, beide *****, vertreten durch Dr. Silvia Anderwald ua Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen 70.000 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. August 2012, GZ 2 R 135/12h‑47, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 18. Juni 2012, GZ 23 Cg 48/10y‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00214.12G.0508.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.133,54 EUR (darin enthalten 355,59 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der am 29. Dezember 1997 geborene Kläger und der am 15. August 1996 geborene Beklagte besuchten (gegen Entgelt und unabhängig voneinander) am 28. August 2009 das Strandbad M*****. Dort befindet sich ein 16 m hoher Sprungturm, der die Möglichkeit bietet, aus der Höhe von 3,5 bzw 10 m von Plattformen ins Wasser zu springen. Von einer weiters erreichbaren Höhe von 13 m, von der früher eine Wasserrutsche wegging, gibt es keine derartige Plattform, sondern ein 1 m hohes Geländer mit einem Hinweis auf der Tafel „Springen vom Geländer und Traverse verboten“.

Das Strandband wird von der M***** GmbH betrieben. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 26. Juli 2007 und 2. Juni 2009 wurde dieser Sprungturm gesperrt.

Die Betreiberin des Strandbads sperrte darauf auch den Turm mit einem entsprechenden Hinweis, eröffnete ihn in der Folge aber am 3. August 2009 wieder, ohne dass eine behördliche Erlaubnis für die Öffnung des Sprungturms vorlag.

Am 26. August 2009 fragte ein ebenfalls 13‑jähriger Freund des Beklagten den Bademeister, ob sie auch von der obersten Plattform springen dürften. Dieser erteilte ihnen damals die einmalige Erlaubnis unter der Voraussetzung, dass nichts passiert und sie aufpassen. Der Beklagte war damals nicht anwesend. Ihm war und ist bewusst, dass „etwas passieren kann, wenn man hinunterspringt und auf einem Schwimmer landet, und dass es wichtig ist, auf etwaige Schwimmer hinunterzuschauen“.

Im Sommer 2009 sprang der Beklagte wie andere Jugendliche auch immer wieder von diesem Sprungturm und von der obersten (13 m) Plattform des Sprungturms, so auch am 28. August 2009. Auch der Kläger sprang von diesem Turm, und zwar von der 10 m Plattform, in den See und befand sich neben drei anderen Personen noch im Wasser auf dem Weg zum Ausstieg, als auch der Beklagte aus 13 m Höhe hinuntersprang. Dabei traf der Beklagte auf den im Wasser schwimmenden Kläger, der dadurch das Bewusstsein verlor, im See versank und schwere Verletzungen mit Dauerfolgen davontrug.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 27. April 2011 wurde der Geschäftsführer der M***** GmbH M***** K***** schuldig erkannt, den Kläger und den Beklagten durch Außerachtlassen der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit als verantwortlicher Geschäftsführer fahrlässig am Körper verletzt zu haben, indem er es unterließ, ungeachtet der behördlichen Sperrung des Sprungturms Absperrmaßnahmen zu treffen, die die Benutzung der obersten Plattform unmöglich machen, und geeignete Kontrollmaßnahmen zur Einhaltung der behördlichen Bescheide durchzuführen und den Badebetrieb so zu organisieren, dass eine Benützung dieser Plattform verhindert werden kann. Auch die M***** GmbH wurde für die von ihrem Geschäftsführer als Entscheidungsträger rechtswidrig und schuldhaft begangenen Taten als Verband verantwortlich und wie M***** K***** zu einer Geldstrafe verurteilt. Im Adhäsionsverfahren wurde dem Kläger ein Teilschmerzengeld von 1.000 EUR, dem Beklagten ein solches von 100 EUR zuerkannt.

Die Parteien stellten außer Streit, dass weder beim Kläger noch beim Beklagten eine Verletzung elterlicher Aufsichtspflichten vorliegt.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 70.000 EUR Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche Schäden aus dem Badeunfall. Von einer aufsichtspflichtigen Person im Sinn des § 1309 ABGB könne kein Ersatz erlangt werden. Der Beklagte hafte gemäß § 1310 ABGB. Sein Fehlverhalten sei ihm als 13‑Jährigem durch die Verbotsschilder einsichtig gewesen. Überdies verfüge er über Vermögen durch das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 1.254.400 EUR.

Der Beklagte wendete ein, ihm als Unmündigem könne kein Verschulden angelastet werden. Viele Jugendliche hätten den Sprungturm von allen Plattformen aus benützt, auch der Kläger sei gesprungen und sei beim Unfall in dem als gefährdet gekennzeichneten Bereich des Sees geschwommen. Er hätte zu einem anderen Ausstiegspunkt schwimmen müssen. Er sei gerade aufgetaucht und für den Beklagten zuvor daher nicht sichtbar gewesen. Weil alle gesprungen seien, habe auch der Beklagte davon ausgehen können, springen zu dürfen. Der Bademeister habe bestätigt, dass das Springen auch von der 13 m‑Plattform gestattet sei. Die angebrachte Verbotstafel habe der Beklagte nur auf die Traverse und das Geländer bezogen, von denen aus nicht gesprungen werden dürfe. Die Gemeinde M***** habe auch noch nach dem Unfall das Strandbad unter Hinweis auf den 16 m hohen Sprungturm beworben. Die Voraussetzungen des § 1310 ABGB seien nicht zur Gänze erfüllt, da der Versicherungsschutz allenfalls nicht ausreiche, die gravierenden Dauerschäden des Klägers zu erfüllen. § 1310 ABGB sei hier schon im Hinblick auf die Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Bademeister im Sinn des § 1309 ABGB überhaupt nicht anwendbar. Hätte der Bademeister den Sprungbetrieb ordnungsgemäß überwacht, wäre es zum Unfall nicht gekommen.

Das Erstgericht stellte mit Teil‑ und Zwischenurteil auf Basis des Alleinverschuldens des Beklagten das gänzliche Zurechtbestehen des Leistungsbegehrens und die Haftung des Beklagten für sämtliche Schäden aus dem Badeunfall vom 28. August 2009 bis zur Höhe der Privathaftpflichtversicherungssumme von 1.254.400 EUR und darüber hinaus im Ausmaß von zwei Dritteln fest. Es traf ua die oben wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, es ergäben sich weder Anhaltspunkte für eine Haftung nach § 1308 noch nach § 1309 ABGB. Die zuletzt genannte Bestimmung ziele auf die Aufsichtspflicht der Eltern ab, die nicht durch den Kauf einer Eintrittskarte auf den Bademeister übertragen werde. Die subsidiäre Haftung des noch unmündigen Beklagten setze gemäß § 1310 ABGB subjektives Verschulden voraus, das hier zu bejahen sei, habe der Beklagte doch die Notwendigkeit verstanden, zu schauen und sich von der Gefahrlosigkeit des Sprungs zu vergewissern. Die Unterlassung dieser Vorsichtsmaßnahmen sei dem Beklagten schon nach dem ersten Fall des § 1310 ABGB als Verschulden zurechenbar. Dem Beklagten sei überdies bekannt gewesen, dass ein Springen von der obersten Plattform ausgeschildert verboten gewesen sei. Von der behördlichen Totalsperre des Turms sei den Badegästen aber nichts bekannt gewesen, sodass dem Kläger nicht vorgehalten werden könne, von der ungehindert zugänglichen 10 m‑Plattform gesprungen zu sein. Im Übrigen könne ihm ein Mitverschulden schon altersbedingt und auch deshalb nicht angelastet werden, weil von seinem Schwimmbereich ein ohnehin verbotener Absprung aus 13 m oder 14 m (vom Geländer) kaum wahrnehmbar und zu erwarten gewesen sei. Es sei daher vom Alleinverschulden des Beklagten auszugehen und seine unbeschränkte Haftung bis zur Versicherungsdeckung, darüber hinaus billigerweise aber nur zu zwei Drittel festzustellen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichts und führte weiter aus, der Beklagte behaupte gar nicht die Anwendbarkeit des § 1308 ABGB. Die Subsidiarität seiner Haftung nach § 1310 ABGB wegen Sorgfaltsverstößen der Leute des Badebetriebs nach § 1309 ABGB bestehe nicht, weil der Gesetzgeber die dort genannte Aufsichtspflicht auf das Gesetz, die Obsorgepflicht der Eltern oder auf öffentlich‑rechtliche Unterordnungsbeziehungen, wie zB beim Schulbesuch, und nur auf solche Rechtsgeschäfte gegründet sehe, mit denen der zur Obsorge Verpflichtete diese Verpflichtung übertrage, wie zB bei Unterbringung Unmündiger bei Pflegefamilien oder in Jugendheimen und Ferienlagern. Eltern könnten ihre Obsorgeverpflichtung nicht dadurch auf eine Badeanstalt abwälzen, dass sie dem Kind das Geld für die Eintrittskarte in die Badeanstalt geben und der Badbetreiber das Kind darauf am Badebetrieb teilnehmen lasse. Dass die Badeanstalt wegen Verletzung allfälliger Sorgfaltspflichten ihrer Leute (§ 1313a ABGB) aus der Nichterfüllung von Nebenpflichten aus dem Vertrag gegebenenfalls auch solidarisch mit dem Beklagten haften könnte, hindere dessen Haftung nicht. Der gegenteiligen Ansicht Reischauers (in Rummel 3 § 1310 Rz 2) sei nicht zu folgen, weil § 1310 ABGB ausdrücklich nur auf eine allfällige Subsidiarität gegenüber den Haftungsfällen der § 1308 und § 1309 ABGB abstelle.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur zitierten Ansicht Reischauers, wonach ein solidarisch auch ohne Verletzung einer gesetzlichen Aufsichtspflicht haftender Dritter den unmündigen Minderjährigen von seiner Haftung befreie, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Anwendbarkeit des § 1309 ABGB

Soweit der Beklagte seiner Haftung entgegenhalten will, die Betreiberin des Strandbads bzw deren Bademeister hafteten gemäß § 1309 ABGB, was eine Haftung des Beklagten nach § 1310 ABGB ausschließe, wird er auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen, die folgendermaßen ergänzt werden:

Aufsichtspflichtige Personen sind zunächst jene Personen, denen kraft Gesetzes die Obsorge für das Kind obliegt. Dies sind in erster Linie die Eltern (§§ 177‑179 ABGB idF des KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15). Während des Unterrichts und bei Schulveranstaltungen trifft auch Lehrer eine Aufsichtspflicht (§ 51 SchUG). Ferner kann sich die Aufsichtspflicht aus einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung ergeben (Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 1309, Rz 4; Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 § 1309 Rz 4; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1309 Rz 2; Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1309 Rz 2 f).

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurden als aufsichtspflichtige Personen im Sinne des § 1309 ABGB ua Kindergärtnerinnen (1 Ob 8/91, 10 Ob 2441/96k), Betreuer in einem Jugendwohnheim (6 Ob 1/60, 7 Ob 251/06x), Erzieher (6 Ob 851/82), Lehrer (7 Ob 752/80, 8 Ob 115/00w, 1 Ob 91/08a) und der Lenker eines Kfz im Hinblick auf minderjährige Beifahrer (2 Ob 45/60) angesehen.

In der Entscheidung 3 Ob 35/98p (ZVR 1998/143) verlangte der Oberste Gerichtshof für eine rechtsgeschäftliche Übernahme der Aufsicht ein Anbot, auf die aufsichtsbedürftige Person aufzupassen, und dessen eindeutige Annahme durch Übergabe des Minderjährigen zur Aufsicht.

Der vorliegende Sachverhalt ist mit der rechtsgeschäftlichen Übernahme der Aufsicht durch Kindergärtner, Kindermädchen oder auch sonstige Personen nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu den genannten Fällen verpflichtet sich eine Badeanstalt allein durch den Verkauf von Eintrittskarten gerade nicht dazu, die den Eltern zukommende Aufsichtspflicht über einen Minderjährigen für die Zeit des Badebesuchs zu übernehmen.

Von der Aufsichtspflicht im Sinne des § 1309 ABGB sind die ‑ hier allenfalls verletzten ‑ allgemeinen Verkehrssicherungspflichten eines Badbetreibers (vgl RIS‑Justiz RS0023950) zu unterscheiden (vgl auch das hier ergangene Strafurteil).

2. Zur Subsidiarität des Anspruchs nach § 1310 ABGB

2.1. Allgemeines

Deliktsunfähige Schädiger trifft grundsätzlich keine Haftung. Allerdings ordnet § 1310 ABGB eine Haftung Deliktsunfähiger nach Maßgabe der Billigkeit an. Nach dieser Bestimmung soll das Gericht mit Erwägung des Umstands, ob dem Beschädiger, ungeachtet er gewöhnlich seines Verstands nicht mächtig ist, in dem bestimmten Falle nicht dennoch ein Verschulden zur Last liege, oder, ob der Beschädigte aus Schonung des Beschädigers die Verteidigung unterlassen habe, oder endlich, mit Rücksicht auf das Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten, auf den ganzen Ersatz, oder doch einen billigen Teil desselben erkennen. Eine Ersatzpflicht besteht aber selbst dann nicht, wenn der Geschädigte vom Aufsichtspflichtigen Ersatz wegen einer von diesem zu verantwortenden Pflichtverletzung erhalten kann (§ 1309 ABGB). Denn § 1310 ABGB macht die Ersatzpflicht davon abhängig, dass der Beschädigte „auf solche Art den Ersatz nicht erhalten“ kann. Aus § 1310 ABGB ergibt sich somit, dass die Haftung des Deliktsunfähigen gegenüber der Haftung eines Aufsichtspflichtigen subsidiär ist (etwa Harrer in Schwimann , ABGB 3 § 1310 Rz 1 f). Sie erfasst nach herrschender Meinung sowohl jene Fälle, in denen den Aufsichtspflichtigen mangels Verschuldens keine Ersatzpflicht trifft, als auch jene der nicht erfolgreichen Durchsetzung und Einbringlichkeit eines an sich bestehenden Ersatzanspruchs.

2.2. Lehre

Nach überwiegender Ansicht betrifft die Subsidiarität nur die Ansprüche gegenüber den in § 1309 ABGB genannten Personen und nicht gegenüber sonstigen Ersatzpflichtigen. Die Haftung eines Dritten, der etwa deshalb schadenersatzpflichtig wird, weil er den Unmündigen zur Schädigung veranlasst hat, steht einer Anwendung des § 1310 ABGB nicht entgegen ( Koziol , Haftpflichtrecht II 2 311; Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 3 , § 1310 Rz 2; Wolff in Klang 2 VI § 1310, 78; Schacherreiter in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.00 § 1310 Rz 6).

Reischauer in Rummel ABGB 3 § 1310 Rz 2, vertritt dagegen die Ansicht, nach der ratio der §§ 1308 und 1309 ABGB sei Subsidiarität wohl auch gegeben, wenn von einem nicht aufsichtspflichtigen Dritten voll Ersatz erlangt werden könne.

2.3. Rechtsprechung

Bereits in der Entscheidung 2 Ob 129/70 (verstärkter Senat) wurde ausgesprochen, dass dann, wenn für die Schädigung ein Deliktsfähiger im Sinne des § 1301 ABGB mitverantwortlich war und dieser zufolge § 1302 ABGB vom Geschädigten in Anspruch genommen wurde, auch der Deliktsunfähige so weit regresspflichtig ist, als seine Haftung nach § 1310 ABGB reicht (= RIS‑Justiz RS0026589).

Nach der Entscheidung 2 Ob 115/80 führt ein Mitverschulden des Geschädigten nicht zum gänzlichen Erlöschen seines Ersatzanspruchs. Vielmehr ist die Schadensteilung nach § 1304 ABGB gemäß § 1308 ABGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Geschädigte das schädigende Verhalten des Unmündigen geradezu veranlasst hat. Wenn jedoch der Geschädigte und der Unmündige unabhängig voneinander Bedingungen für die Entstehung des Schadens gesetzt haben, bleibt es bei der Schadensteilung nach § 1304 ABGB. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn ein Mitverschulden des Geschädigten den Ersatzanspruch gegenüber dem Deliktsunfähigen nicht ausschlösse, das Mitverschulden eines Dritten hingegen schon.

In den Entscheidungen 7 Ob 31/95 und 7 Ob 514/96 wurde bei gemeinsamer Schadensverursachung durch mündige und unmündige Minderjährige eine solidarische Haftung nach § 1302 ABGB bejaht: Es gebe jedenfalls dann keinen Anlass, von dem in § 1302 ABGB verankerten Grundsatz der solidarischen Haftung mehrerer zusammenwirkenden Schädiger abzuweichen, wenn eine Haftpflichtversicherung zugunsten des in Anspruch genommenen Minderjährigen bestehe (RIS‑Justiz RS0074212).

Schließlich wurde im Hinblick auf den Versicherungsregress Versicherern von nach dem EKHG haftenden Kfz‑Haltern im Regressweg Ersatz durch deliktsunfähige (Mit‑)Schädiger zugebilligt (8 Ob 48/75 = ZVR 1976/14; 7 Ob 52/83 = ZVR 1983/7).

2.4. Ergebnis

Für den oben (2.2.) dargestellten Standpunkt Reischauers könnte sprechen, dass das Vermögen Deliktsunfähiger dergestalt noch weitergehend Schutz fände.

Dagegen lässt sich aber zunächst einwenden, dass Reischauers Sichtweise nach dem Gesetzeswortlaut des § 1310 ABGB keineswegs zwingend ist, stellt der Gesetzgeber für die Subsidiarität der Haftung des Unmündigen in § 1310 ABGB doch (nur) auf den Tatbestand des § 1309 ABGB ab („auf solche Art“). Weiters steht eine haftungsbegründende Verletzung der Aufsichtspflicht in der Regel in einem inneren Zusammenhang mit der Schadenszufügung durch den Deliktsunfähigen, während ein sonstiger, aufgrund eigenen Fehlverhaltens haftender Dritter oftmals gar keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Deliktsunfähigen hat.

Hinreichende oder gar überwiegende Gründe, von der zitierten Rechtsprechung abzukehren und die Subsidiarität der Haftung nach § 1310 ABGB generell auf Fälle eines deliktsfähigen Mit‑ oder Nebentäters auszuweiten, bestehen nicht. Die Haftung des Beklagten ist daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil möglicherweise auch die Badbetreiberin oder deren Geschäftsführer dem Kläger haftet.

So hat sich auch jüngst der 9. Senat gegen eine generelle Subsidiarität der Haftung nach § 1310 ABGB gegenüber sonstigen (auch nicht auf § 1309 ABGB gestützten) Schadenersatzansprüchen ausgesprochen (9 Ob 49/12i).

3. Zur Verschuldensteilung

Soweit sich der Revisionswerber gegen seine Haftung von zwei Dritteln wendet, soweit die Höhe der Versicherungssumme der Privathaftpflichtversicherung überschritten wird, ist Folgendes auszuführen:

Bei der Festlegung des

Ausmaßes des Ersatzes gemäß § 1310 ABGB sind alle vorhandenen Elemente in die Billigkeitserwägung mit einzubeziehen, so etwa auch das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers. Unter „allen mit einzubeziehenden Elementen“ ist selbstverständlich auch das Verhalten bzw Verschulden des Geschädigten zu verstehen (RIS‑Justiz RS0027544 [T1]). Nach den konkreten Umständen kann es der Billigkeit entsprechen, die Haftung des Schädigers auf das Maß der Deckung durch die Haftpflichtversicherung zu beschränken (RIS‑Justiz RS0027695). Ist dem Schädiger das subjektive Einsichtsvermögen in die Gefährlichkeit seiner Handlungsweise voll zuzurechnen und trifft ihn daher ein Verschulden im Sinne des ersten Falls des § 1310 ABGB, so ist eine Erörterung über die Vermögensverhältnisse des Schädigers zur Zeit der Urteilsfällung (dritter Fall des § 1310 ABGB) entbehrlich. Wenngleich es nicht auf die Vermögenssituation des Schädigers ankommt ‑ dies muss konsequenterweise auch für das Vermögen des Geschädigten gelten ‑ ist dennoch das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Geschädigten in die Billigkeitserwägungen einzubeziehen. Das Verschulden des Schädigers ist aber stärker zu gewichten (RIS‑Justiz RS0027532 [T2]).

Dem im Schädigungszeitpunkt 13‑jährigen Beklagten ist ein gewichtiges Maß an Fahrlässigkeit anzulasten, weshalb die Haftung von zwei Dritteln über die Höhe der Versicherungssumme hinaus nicht zu beanstanden ist (vgl RIS‑Justiz RS0027590).

4. Der vom Revisionswerber erhobene Vorwurf, die Vorinstanzen hätten dem Beklagten das Alleinverschulden zugeordnet, trifft für das Berufungsgericht, das ausdrücklich die solidarische Haftung der Badeanstalt für möglich gehalten hat, nicht zu. Im Übrigen ist im Hinblick auf die sich aus § 1302 ABGB ergebende Solidarhaftung mehrerer Schädiger die Frage einer allfälligen Verschuldensteilung zwischen dem Beklagten einerseits und der Badbetreiberin und deren Geschäftsführer andererseits nicht entscheidungsrelevant.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz beträgt nur 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).

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