OGH 9ObA5/13w

OGH9ObA5/13w24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** W*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl Rechtsanwälte Kommandit‑Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 56.966,28 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2012, GZ 10 Ra 51/12m‑19, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 16. November 2011, GZ 27 Cga 100/11i‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Arbeitgeberkündigung nicht nur im Fall des tatsächlichen Zugangs, sondern auch dann als zugegangen, wenn der Arbeitnehmer das Zugehen der Kündigung des Arbeitgebers wider Treu und Glauben verhindert. Die Verpflichtung für die Möglichkeit des Zugangs vorzusorgen, ist umso stärker zu gewichten, je eher mit der Möglichkeit der Kündigung zu rechnen ist (RIS‑Justiz RS0028552 ua). Dies wurde vom Berufungsgericht für den 25. 7. 2011 bejaht, als sich der Kläger trotz Ersuchens eines Kollegen, auf den Vorgesetzten zu warten, entfernte, weil er die Ausfolgung der Kündigung befürchtete. Ob ein Fall der absichtlichen Zugangsvereitlung vorliegt, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab, und begründet daher mangels Möglichkeit der Verallgemeinerung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.

Demgegenüber meint der Kläger, eine erhebliche Rechtsfrage darin zu erblicken, dass „seitens der Judikatur keine allgemein gültige Grenze der eigenen Selbstgefährdung bei der Übernahme eines Poststücks“ vorliege. Diese Überlegung ist schon vom Ansatz her verfehlt, weil es keine „allgemein gültige Grenze“ der Zumutbarkeit, den Zugang einer Kündigung zu ermöglichen, geben kann, hängen doch Fragen der Zumutbarkeit nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (10 ObS 137/09h; 10 ObS 72/10a; RIS‑Justiz RS0029874, RS0021095 ua).

Im Übrigen war das Erstgericht gerade nicht von der Richtigkeit der Angaben des Klägers überzeugt, er habe wegen Herzschmerzen nicht mehr auf den Vorgesetzten warten wollen, sondern hielt es für wahrscheinlicher, dass er sich deshalb vor dem Eintreffen des Vorgesetzten entfernte, um die Entgegennahme der Kündigung zu verhindern. Vor dem Hintergrund einer den Zugang der Kündigung vermeidenden Absicht des Klägers kommt es aber nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger, wenn er den Zugang nicht hätte vereiteln wollen, noch einen anderen Grund gehabt hätte, nicht auf seinen Vorgesetzten zu warten, gingen doch die Vorinstanzen erkennbar davon aus, dass dieser andere Grund hier nicht ausschlaggebend war, um sich dem Zugang der Kündigung zu entziehen.

Dass das Berufungsgericht eine Nichtigkeit des Ersturteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO „nicht aufgegriffen“ habe, begründet keine unrichtige rechtliche Beurteilung, weil der vom Kläger angenommene Fall dieser Bestimmung, dass das Ersturteil mit sich selbst in unlösbarem Widerspruch stehe, nicht vorliegt und daher vom Berufungsgericht auch nicht aufgegriffen werden musste. Das Erstgericht hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es von der Version des Klägers, dass er wegen Herzschmerzen nicht auf den Vorgesetzten zugewartet habe, nicht überzeugt war, sondern vielmehr davon ausging, dass sich der Kläger ‑ ungeachtet dessen, ob er Herzschmerzen verspürte oder nicht ‑ deshalb entfernte, um den Zugang der Kündigung zu verhindern bzw hinauszuzögern.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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