OGH 7Ob45/13p

OGH7Ob45/13p17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Patrick Thun‑Hohenstein, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 33.400 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. November 2012, GZ 2 R 104/12w‑24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18. April 2012, GZ 13 Cg 48/11f‑20, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.891,44 EUR (darin enthalten 315,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 2010 kaufte die Beklagte über Vermittlung eines Herrn K***** bei einem panamesischen Unternehmen gebrauchte Stahlrohre, die über Zwischenschaltung des ukrainischen Unternehmens G***** D***** an die Beklagte übersendet werden sollten. Die Klägerin war mit der Durchführung des Transports von Kiew nach Bürmoos beauftragt. Sie bediente sich dazu eines ukrainischen Subfrächters. Die Ware wurde am 19. 8. 2010 geladen und am 20. 8. 2010 verzollt. Anschließend fuhr der LKW in Richtung ungarischer Grenze, wo er von den ukrainischen Behörden wegen des Verdachts, dass die Ladung nicht mit den Begleitpapieren übereinstimme, angehalten wurde. Das Zugfahrzeug samt Anhänger wurde beschlagnahmt. Über Betreiben des ukrainischen Subfrächters wurde die Zugmaschine am 20. 10. 2010 freigegeben, der Auflieger wurde schließlich am 7. 2. 2011 samt der Ware an den Subfrächter herausgegeben. Die Ware wurde letztlich am 29. 3. 2011 am Hof des Subfrächters entladen.

Im Revisionsverfahren ist strittig, ob die Beklagte für das von der Klägerin infolge der Beschlagnahme verrechnete Standgeld (Stehzeitentgelt) aufzukommen hat. Die Vorinstanzen bejahten dies und gingen von folgenden weiteren Feststellungen aus:

Die Beklagte wickelte im Zeitraum 2006/2007 mit der Klägerin zahlreiche Transportaufträge aus Russland ab. Dabei übermittelte die Klägerin jeweils Auftragsbestätigungen, in denen auf die Geltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf deren Abrufbarkeit auf ihrer Website hingewiesen wurde. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthielten folgende Regelung: „Die Frachtrate versteht sich zuzüglich der vereinbarten Kosten für Zusatzleistungen und zuzüglich der üblichen Nebenspesen. Standgeld in GUS, TR, Kaukasus‑Republiken, Orientländer: 24 Stunden frei für Be‑/Entladung (inkl Zollformalitäten) in Westeuropa, 48 Stunden frei für Be‑/Entladung (inkl Zollformalitäten) in GUS, TR, Kaukasus‑Republiken bzw Orientländer. Darüber hinaus verrechnen wir 420 EUR pro angefangene 24 Stunden.“ In den darauffolgenden Jahren erteilte die Beklagte der Klägerin keine Aufträge.

Im Zusammenhang mit dem Kauf von gebrauchten Stahlrohren ging im August 2010 eine Internetanfrage von G***** D***** bei der Klägerin wegen des Transports von Metallrohren von Kiew nach Bürmoos ein. Am 13. 8. 2010 kontaktierte ein Mitarbeiter der Klägerin G***** D***** telefonisch wegen des Abschlusses eines schriftlichen Vertrags. Er erhielt die Auskunft, dass die Beklagte Auftraggeberin sei. Der Mitarbeiter der Klägerin rief daraufhin am 16. 8. 2010 die Beklagte an. Bei diesem Telefonat mit H***** F***** (Vater des nunmehrigen Geschäftsführers; früherer Geschäftsführer der Beklagten, der nach wie vor im Unternehmen mitarbeitet) teilte er mit, er habe eine Anfrage von G***** D***** aus der Ukraine betreffend mehrere Ladungen und es sei ihm mitgeteilt worden, dass die Beklagte Auftraggeberin sei. Dies beantwortete H***** F***** mit den Worten: „Wenn es nicht anders geht, dann soll es so sein.“ Über Frachtpreise und andere Bedingungen wurde bei diesem Telefonat nicht gesprochen.

Die Beklagte beauftragt im Jahr den Transport von rund 500 LKW‑Ladungen. H***** F***** war bekannt, dass bei Transporten aus Russland 48 Stunden für die Verladung und 24 Stunden für die Verzollung in der Fracht enthalten sind. Der Mitarbeiter der Klägerin wies nicht darauf hin, dass es bei Transporten aus der Ukraine immer wieder zu Anhaltungen von Transportfahrzeugen an der Grenze und damit zu Stehzeiten und in einigen wenigen Fällen pro Jahr auch zu Beschlagnahmen kommt.

H***** F***** war zuvor bereits vom Vermittler des Ankaufs der Metallrohre kontaktiert worden, ob er sich um die Fracht dieser Stahlrohre kümmern könne. Nach seinem Telefonat mit H***** F***** übermittelte der Mitarbeiter der Klägerin seinem Gesprächspartner eine E‑Mail mit Frachtkosten aus verschiedenen Destinationen in der Ukraine nach Bürmoos. Weitere Informationen enthielt diese E‑Mail nicht. H***** F***** antwortete mit E‑Mail wie folgt: „... Danke für Ihre Preisinfo ‑ Herr K***** ... aus Frankfurt wird Sie kontaktieren und wir übernehmen ‑ also Firma F***** GmbH ... [Beklagte] ‑ übernimmt die Frachtkosten für diese Ladung Stahlrohre ‑ 1.350 EUR aus Raum Kiew. (...) Wir sind bekannt in Ihrem Haus ‑ und hoffen, dass wir weiterhin etliche Transporte diesmal aus der Ukraine mit Ihnen ohne Probleme durchführen können ... .“

Die Klägerin übermittelte noch am selben Tag eine Auftragsbestätigung an die Beklagte über den Transport von 20.000 kg Stahlrohren von Kiew nach Bürmoos zu einem Frachtpreis von 1.350 EUR, wobei als Ladestelle nur Kiew angegeben war, die genaue Ladestelle jedoch noch freigelassen wurde. Des Weiteren waren in dieser Auftragsbestätigung dieselben Verweise auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten wie in den seinerzeitigen Auftragsbestätigungen von 2006 und 2007. H***** F***** erhielt diese Auftragsbestätigung und sah sie auch. Ob er sie im Detail durchlas, kann nicht festgestellt werden.

Der am 19. 8. 2010 verladenen Ware war ein Frachtbrief angeschlossen, in dem als Absender G***** D*****, als Empfänger die Beklagte und als Transporteur der Subfrächter angeführt waren.

Nach der Anhaltung des LKWs an der ukrainisch/ungarischen Grenze informierte die Klägerin die Beklagte mit mehreren E‑Mails vom Auflaufen von Standgeldkosten von 200 EUR pro Tag. Es folgten E‑Mails am 27. 9., 15. 10., 7. 12. und 27. 12. 2010, in denen die Klägerin der Beklagten jeweils über den Stand der Dinge berichtete und auch auf weiter anlaufende Stehzeitkosten hinwies.

Von einem ukrainischen Gericht wurde die Ware als Abfall eingestuft, gegen den Fahrer auf Grund der Geringfügigkeit der Rechtsverletzung ein mündlicher Verweis ausgesprochen und die Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände (Fracht, Sattelauflieger und Dokumente) an den Fahrer verfügt. Dieser Beschluss wurde am 5. 2. 2011 rechtskräftig. Über Klage von G***** D***** wurden von einem ukrainischen Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. 3. 2011 die Handlungen des Zollamts Chop als rechtswidrig erkannt und das Zollamt verpflichtet, die Beförderungsmittel mit den Waren nach deren Zollabwicklung die ukrainische Zollgrenze passieren zu lassen. Ob die LKW‑Zugmaschine nach der Freigabe bis zum Vorliegen der Gerichtsentscheidung über die Grenze fahren hätte dürfen, kann nicht festgestellt werden.

Weiters kann nicht festgestellt werden, ob die transportierte Ware im Frachtschein falsch deklariert war; ebensowenig, dass es sich bei den transportierten Rohren um Metallschrott gehandelt hätte.

Die Klägerin legte der Beklagten insgesamt vier Rechnungen über insgesamt 175 Stehtage á 200 EUR, welche die Beklagte nicht anerkannte.

Der Subfrächter der Klägerin legte am 23. 9. 2011 gegenüber der Klägerin Rechnung über 22.100 EUR für die Standzeit des LKW vom 23. 8. 2010 bis 29. 3. 2011 und über 17.168 EUR für andere Ausgaben (Reisen zum Gericht, zu den Zollämtern, fällige Leasingraten samt Verzugszinsen für die Stillstandszeit, Anwaltskosten). Die Klägerin bezahlte diese Rechnung bislang nicht.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 33.400 EUR sA von der Beklagten. Die Transportkosten hätten inklusive 48 Stunden für die Beladung 1.350 EUR betragen. Für alle anderen Stehtage würden jedoch 420 EUR pro angefangenem Tag als Standgeld verrechnet. Dies sei auch in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehen, die der Beklagten auf Grund des ständigen Geschäftskontakts bekannt seien. Kulanterweise werde statt des vereinbarten Standgelds von 420 EUR nur 200 EUR pro Tag gefordert. Erst am 29. 3. 2011 habe ihr Subunternehmer bei der Staatsanwaltschaft die Erlaubnis zur Entladung des Trailers erwirken können. Die Klägerin sei der Anweisung der Beklagten, die Ware zum Versender zurück zu transportieren und dort abzuladen, nachgekommen. Für den Zeitraum bis 5. 2. 2011 gebühre ein Standgeld für 167 Stehtage á 200 EUR (33.400 EUR). Der Schaden der Klägerin liege in der Vorschreibung der Kosten für die Stehzeit durch den Subunternehmer, der der Klägerin auf Grund der Nichtverwendbarkeit des Trailers im Zeitraum 23. 8. 2010 bis 29. 3. 2011 eine Rechnung über 39.286 EUR gelegt habe. Die Klägerin habe bislang noch keine Zahlung geleistet, weil sie das gegenständliche Verfahren abwarten wolle. Zudem bestehe ein Anspruch auf Standgeld auch nach Art 16 CMR, weil die Beklagte trotz mehrmaliger Aufforderung keine Weisung erteilt habe.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz ‑ ein, der Klägerin sei kein Schaden und auch kein Verdienstentgang entstanden, weil sie sich eines Subunternehmers bedient habe. Die Beklagte sei zu keiner Zeit berechtigt oder verpflichtet gewesen, der Klägerin oder dem Subfrachtführer Weisungen zu erteilen. Allgemeine Geschäftsbedingungen seien nicht vereinbart worden. Eine ständige Geschäftsbeziehung bestehe zwischen den Streitteilen nicht, weil seit 2007 kein Auftrag mehr an die Klägerin vergeben worden sei. Beschlagnahmt worden sei lediglich der Sattelauflieger; hiefür gebe es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin keine Entgeltbestimmung. Dem von der Klägerin beauftragten Subfrachtführer sei ein rechtswidriges Verhalten anzulasten, weil er bei Verladung des Frachtguts dessen Übereinstimmung mit den ihm übergebenen Papieren zu überprüfen gehabt hätte. Weder der Subfrachtführer noch die Klägerin seien gegen die Beschlagnahme gehörig vorgegangen, weil insbesondere Rechtsmittel nicht erhoben worden seien. Der Absender G***** D***** habe mittlerweile durch ein Gericht klären lassen, dass die Beschlagnahme rechtswidrig gewesen sei; es sei die gesamte Amtshandlung für rechtswidrig erklärt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ‑ mit der Ausnahme der teilweisen Abweisung des Zinsenbegehrens ‑ statt. Die Beklagte habe die Klägerin mit dem Transport beauftragt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien Vertragsinhalt geworden. Hinsichtlich des Zeitraums 2006/2007 sei von einer zumindest stillschweigenden Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auszugehen. Die Vertragsgespräche zwischen H***** F***** und dem Mitarbeiter der Klägerin und dessen E‑Mail habe daher nur als Angebot, den Transport unter Zugrundelegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin durchzuführen, verstanden werden können. Dem Umstand, dass ab 21. 10. 2010 nur mehr der Sattelauflieger beschlagnahmt gewesen sei, habe die Klägerin ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass sie für den gesamten Zeitraum weniger als die Hälfte des vereinbarten Standgelds begehre. Das Standgeld stehe unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Auftraggebers zu. Lediglich Umstände, die vom Frachtführer zu vertreten seien, führten zu einem Entfall des Entgeltanspruchs. Dass die Klägerin ein Verschulden an der Festhaltung und Beschlagnahme des LKWs oder Aufliegers oder an der Dauer dieser Beschlagnahme treffe, sei nicht der Fall. Die Beklagte habe auch nicht dargetan, durch welche konkreten Maßnahmen die frühere Freigabe des LKW erreicht hätte werden können oder welche Versäumnisse der Klägerin anzulasten seien. Eine Verletzung der Prüfpflicht des Frachtführers im Sinn des Art 8 CMR komme schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Falschdeklaration der transportierten Waren in den Begleitpapieren nicht feststehe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es aus, der Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die eine Standgeldklausel enthielten, sowie die Standgeldklausel selbst in der nach Auftragserteilung übermittelten Auftragsbestätigung stellten ein Angebot auf Vertragsergänzung dar. Zwar könne das Schweigen eines Kaufmanns zu einem ihm zugegangenen Bestätigungsschreiben, das vom wirklich Vereinbarten abweiche, den Vertrag nicht nachträglich abändern. Doch könne bei Vorliegen ganz besonderer Umstände im Schweigen auf eine modifizierte Auftragsbestätigung eine konkludente Zustimmung erblickt werden, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder dem Gesetz hätte reden müssen und daher sein Schweigen keine andere Bedeutung als die einer Genehmigung zulasse. Zu den Rechten des Frachtführers gehöre die Bezahlung der vereinbarten Vergütung. Diese sei auf Basis der mit der vereinbarten Beförderung üblicherweise zu erwartenden Beförderungsdauer kalkuliert. Komme es demgegenüber zur Verlängerung der Inanspruchnahme des LKWs, etwa durch längere Dauer der Be‑ oder Entladung der auftragsgemäß auszuführenden Verzollung oder durch Wartezeiten an der Grenze, sei es üblich, entsprechende Standgeldvereinbarungen zu treffen. Im Regelfall sei das Standgeld ‑ unabhängig von einem Verschulden des Auftraggebers ‑ in allen Fällen eines Beförderungs‑ oder Ablieferungshindernisses zu zahlen. Es entfalle lediglich bei Umständen, die vom Frachtführer zu vertreten seien. Teilweise werde in der österreichischen Literatur auch ein Standgeldanspruch ohne vertragliche Vereinbarung kraft Handelsbrauchs bejaht. Das Standgeld entstehe, wenn der Transport durch Umstände verzögert werde, die nicht in die Sphäre des Frachtführers fielen und ihn an der anderweitigen Verwendung des betreffenden Fahrzeugs hinderten. Der Beklagten sei aufgrund einer, wenn auch drei Jahre zurückliegenden, intensiven Geschäftsbeziehung der Parteien bekannt gewesen, dass die Klägerin bei Transporten in Bezug auf GUS‑Staaten (wozu auch die Ukraine zähle) ein Stehzeitentgelt von 420 EUR pro Tag ab dem dritten Tag nach Be‑/Entladung inklusive Zollformalitäten im GUS‑Staat verlange; diese Klausel sei jedenfalls in der Geschäftsbeziehung in den Jahren 2006/2007 zumindest stillschweigend Vertragsinhalt geworden. Auf Grund der besonderen Umstände und im Hinblick auf die Üblichkeit dieser Klausel hätte die Beklagte der Standgeldklausel in der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 16. 8. 2010 widersprechen müssen. Dass sie dies unterlassen habe, könne aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nur als Zustimmung gedeutet werden. Die Standgeldklausel sei so zu interpretieren, dass zwar 48 Stunden für Be‑ und Entladung inklusive Zollformalitäten standgeldfrei seien, jegliche darüber hinausgehende Wartezeit, etwa an der Grenze, entsprechend den Verkehrsgepflogenheiten jedoch von der Standgeldvereinbarung umfasst sei. Das Standgeld beziehe sich auf Umstände, die nicht in die Sphäre des Frachtführers fielen. Der Klägerin stehe das begehrte Stehzeitentgelt aufgrund der getroffenen Vereinbarung zu (eine solche verstoße grundsätzlich auch nicht gegen die CMR), sodass weitere Anspruchsgrundlagen (etwa Art 11 und 16 CMR) ebensowenig geprüft werden müssten wie die Frage der Höhe des der Klägerin tatsächlich entstandenen Schadens.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zu Fragen eines Stehzeitentgelts im Frachtrecht keine „gesicherte“ Judikatur des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Die Beklagte macht in der ordentlichen Revision unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Ausführungen der Revisionswerberin zur Bekämpfung der Ansprüche der Klägerin überzeugen nicht, während die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung zutreffend sind.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bedürfen nach ständiger Rechtsprechung, soweit ‑ wie hier ‑ keine besondere gesetzliche Regelung durch Gesetz oder Verordnung besteht, zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag und sind nur anzuwenden, wenn sie durch einen entsprechenden Hinweis im Vertragstext oder zumindest stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht wurden. Bei Beurteilung der Frage, ob AGB schlüssig zum Vertragsinhalt werden, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Wiederholt wurde aber auch ausgesprochen, dass eine stillschweigende Unterwerfung unter die von der Gegenseite aufgestellten AGB dann anzunehmen ist, wenn der Vertragspartner deutlich erkennen kann, dass der Unternehmer nur zu seinen AGB abschließen will und AGB auch dadurch schlüssig zum Vertragsinhalt werden können, dass die Vertragsteile im Rahmen ihrer schon länger bestehenden Geschäftsbeziehung in ihren Geschäftspapieren auf die Geltung der AGB hinweisen und dieser Hinweis unbeanstandet blieb. Dem Stillschweigen kann somit unter besonderen Umständen die Bedeutung einer Zustimmung beigemessen werden, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder dem Gesetz hätte reden müssen und daher sein Schweigen keine andere Bedeutung als die einer Genehmigung zulässt. Namentlich gilt dies zufolge § 346 UGB unter Unternehmern und im Besonderen dann, wenn bei „beiderseitigen Handelsgeschäften“ Klauseln Handelsübliches, ja geradezu Selbstverständliches enthalten (6 Ob 73/01f mwN = ecolex 2002/92, 244 [ Helmich ]).

Die Beklagte bestreitet nicht, dass ‑ wovon das Berufungsgericht ausgeht ‑ ein Unternehmensbrauch (§ 346 UGB) im Frachttransportverkehr besteht, wonach bei LKW‑Transporten aus dem westlichen Europa in den Nahen Osten mangels anderslautender Vereinbarung über den vereinbarten Frachtpauschalpreis hinaus dem transportdurchführenden Unternehmen bei von ihm unverschuldeten Stehzeiten eines LKWs ab dem dritten Tag ein nach Tagen bemessenes Standgeld bezahlt wird, jedoch nur, wenn dieses Unternehmen den Auftraggeber vom Eintritt solcher Stehzeiten verständigt, wenn dies technisch möglich ist (Gutachten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 2. 11. 1990 [richtig wohl: 30. 10. 1990] und 19. 11. 1990, abgedruckt in Weiss , Handelsbrauch [1992] A 59, A 60 und RdW 1992, 170; vgl Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB² § 425 Rz 17; Schütz in Straube , UGB [I 4 ] § 425 Rz 29).

Den zahlreichen Frachtverträgen der Parteien im Zeitraum 2006/2007 lag zumindest stillschweigend die Standgeldvereinbarung zu Grunde, die auch hier strittig ist. Dem vertretungsbefugten Mitarbeiter der Beklagten, H***** F*****, war bekannt, dass bei Transporten aus Russland 48 Stunden für die Verladung und 24 Stunden für die Verzollung im Frachtpreis enthalten sind. Der Frachtvertrag zwischen den Parteien kam bereits durch die E‑Mail der Beklagten vom 16. 8. 2010 zustande. Die in der zeitlich nachfolgenden „Auftragsbestätigung“ der Klägerin (dabei handelt es um ein „abweichendes“ Bestätigungsschreiben) enthaltene Standgeldklausel ist infolge Unternehmensbrauchs üblich, lag bereits der, wenn auch drei Jahre zurückliegenden, intensiven Geschäftsbeziehung der Parteien zu Grunde und sie war dem Vertreter der Beklagten auch als allgemein für Transporte aus Russland geltende Regelung bekannt. Die Beklagte musste hier davon ausgehen, dass die Klägerin den Frachtauftrag nur unter Zugrundelegung der Standgeldklausel übernimmt. Sie hat der Standgeldklausel in der „Auftragsbestätigung“ nicht widersprochen. Das Schweigen auf das „abweichende“ Bestätigungsschreiben kann hier auf Grund der Üblichkeit dieser Klausel, deren Verwendung durch die Klägerin der Beklagten auch bekannt war, nur so verstanden werden, dass die Standgeldvereinbarung stillschweigend durch die widerspruchslose Hinnahme der Klausel getroffen wurde.

3. Das Entgelt für Stehtage gehört zum Frachtlohn. Generell sind vereinbarte Standgelder ein Teil der Vergütung des Frachtführers (2 Ob 572/82 = HS 14.216 = TranspR 1983, 160; OLG München 4. 6. 1987, 23 U 1698/87 = NJW‑RR 1987, 1388 = OLGZ 1987, 471; Csoklich , Einführung in das Transportrecht [1990], 113; Helm , Frachtrecht I² [1994], § 425 HGB Rn 184 f; Helm in Großkomm. HGB 4 , § 425 Rn 184 f; de la Motte/Temme in: Thume, CMR‑Kommentar³, Vor Art 1 CMR Rn 32; Schmid in: Thume, CMR‑Kommentar³, Anh II Rn 68; abweichend zu den CMR [Aufwandersatzanspruch]: Koller, Das Standgeld bei CMR‑Transporten, TranspR 1988, 129 [132 ff]). Das Standgeld entsteht, wenn der Transport durch Umstände verzögert wird, die nicht in die Sphäre des Frachtführers fallen und ihn an der anderweitigen Verwendung des betreffenden Fahrzeugs hindern ( Schütz aaO). Im Regelfall ist davon auszugehen, dass das Standgeld in allen Fällen eines Beförderungs‑ oder Ablieferungshindernisses und daher unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Auftraggebers zu zahlen ist; lediglich Umstände, die vom Frachtführer zu vertreten sind, führen zu einem Entfall dieses Entgeltanspruchs ( Csoklich , Einführung in das Transportrecht, 113).

Nach der vereinbarten Standgeldklausel sind in Bezug auf GUS‑Staaten ‑ wozu auch die Ukraine zählt ‑ 48 Stunden für die Be‑ und Entladung inklusive Zollformalitäten standgeldfrei. Darüber hinaus ist die Klägerin berechtigt, 420 EUR pro angefangenen 24 Stunden an Standgeld zu verrechnen. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass die Standgeldabrede nicht nur die Höhe des Standgelds betrifft, sondern auch das Standgeldanspruch auslösende Ereignis. Die Ware wurde am 19. 8. 2010 vom Subfrächter der Klägerin geladen und am 20. 8. 2010 in der Ukraine verzollt. Anschließend fuhr der LKW Richtung ungarischer Grenze, wo er am 23. 8. 2010 einlangte und dort vom ukrainischen Zoll beschlagnahmt wurde. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Standgeldklausel bei redlichem Verständnis (§ 914 ABGB) nicht dahin interpretiert werden, dass sie überhaupt erst in Kraft treten könnte, wenn sich der Zeitpunkt vom Beginn des Beladens bis zur Erlangung der nötigen Verzollungspapiere, also der Verzollung vor Ort unmittelbar nach der Beladung, länger als 48 Stunden verzögert hätte. Diese Interpretation ist weder mit dem Wortlaut der Klausel noch mit deren Zweck vereinbar. Die Fracht ist typischerweise auf Basis der mit der vereinbarten Beförderung üblicherweise zu erwartenden Beförderungsdauer kalkuliert. Kommt es demgegenüber zur Verlängerung der Inanspruchnahme des LKWs, etwa durch längere Dauer der Be‑ oder Entladung, der auftragsgemäß auszuführenden Verzollung oder durch Wartezeiten an der Grenze, ist dafür entsprechend der Standgeldvereinbarung Entgelt für die Stehzeit zu bezahlen (vgl Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB² § 425 Rz 17).

Der Begriff Standgeld kommt weder im UGB, noch in anderen für den Transport wesentlichen Bestimmungen (zB CMR) vor. Zwar wurde der Begriff „Standgeld“ in § 412 Abs 3 dHGB idF des (deutschen) Transportrechtsreformgesetzes vom 25. 6. 1998 aufgenommen, jedoch deckt sich diese Begriffsbestimmung weder mit dem allgemeinen Sprachgebrauch noch mit dem Verständnis, das hier redliche Vertragsparteien unter Beachtung der Verkehrssitte der vereinbarten Standgeldklausel zu Grunde legen. Nach § 412 Abs 3 dHGB handelt es sich beim Standgeld um die angemessene Vergütung, die der Frachtführer verlangen kann, wenn er über die vereinbarte und/oder angemessene Lade‑ oder Entladungszeit hinaus an der Lade‑ oder Entladestelle warten muss (dazu BGH 12. 5. 2010, I ZR 37/09 = NJW‑RR 2011, 257 = VersR 2011, 1589; de la Motte/Temme in: Thume aaO; Merkt in Baumbach/Hopt , HGB 35 [2012] § 412 HGB Rn 3; Czerwenka in Münchener Kommentar zum HGB² [2009] § 412 HGB Rn 35; Paschke in Oetker , HGB² [2011] § 412 HGB Rn 12; Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn , HGB² [2009] § 412 HGB Rn 36). Nach deutschem Recht begründen Verzögerungen während der Beförderung bis zum Zeitpunkt der Ablieferung, wie etwa Verzögerungen beim Überschreiten einer Grenze, keinen Anspruch auf Standgeld. Insoweit gilt die Sonderregelung des § 419 dHGB (Czerwenka aaO). Durch die Formulierung in der hier zu interpretierenden Klausel, dass 48 Stunden für die Be- und Entladung (inklusive Zollformalitäten) in GUS‑Staaten standgeldfrei sind, und darüber hinaus pro angefangenen 24 Stunden die Klägerin ein bestimmtes Entgelt verrechnet, wird klargestellt, dass damit das Standgeld nicht nur dann zusteht, wenn die darin genannte Lade‑ oder Entladezeit überschritten wurde, sondern auch dann, wenn die Stehzeit durch Beförderungs ‑ und Ablieferungshindernisse verursacht wird. Damit kann die eingeschränkte gesetzliche Definition in § 412 Abs 3 dHGB schon aus diesem Grund nicht zur Auslegung der hier zu beurteilenden Standgeldklausel herangezogen werden.

Entgelt für Stehzeiten des Frachtführers (Standgeld) steht nach der Standgeldklausel dann zu, wenn die über die vereinbarte Zeit hinausgehende Wartezeit des Transportfahrzeugs auf Umständen beruht, die nicht in der Sphäre des Frachtführers liegen. Dieses Verständnis entspricht sowohl dem Unternehmensbrauch (§ 346 UGB) als auch dem redlichen Verständnis der Vertragsparteien (§ 914 ABGB). Die Klägerin begehrt von der Beklagten für 167 Stehtage á 200 EUR (Standgeld gesamt 33.400 EUR sA). Das Zugfahrzeug samt Anhänger des ukrainischen Subfrächters der Klägerin wurde von den ukrainischen Behörden wegen des Verdachts, dass die Ladung nicht mit den Begleitpapieren übereinstimmt, angehalten. Am 20. 10. 2010 wurde über Betreiben des ukrainischen Subfrächters die Zugmaschine freigegeben und schließlich am 7. 2. 2011 der Auflieger samt der Ware an den Subfrächter herausgegeben. Nach den Feststellungen konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei den transportierten Rohren um Metallschrott gehandelt hat. Dies deckt sich auch mit der Begründung des ukrainischen Verwaltungsgerichts vom 10. 3. 2011, wonach die transportierte Ware kein Altmetall sei. Aus dem Umstand, dass der zuvor ergangene Beschluss des ukrainischen Gerichts vom 26. 1. 2011 die Ware als Abfall einstufte, gegen den Fahrer auf Grund der Geringfügigkeit der Rechtsverletzung einen mündlichen Verweis aussprach und die Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände (Fracht, Sattelauflieger und Dokumente) an den Fahrer verfügte, ist entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht abzuleiten, die Beschlagnahme des Transportmittels sei der Sphäre der Klägerin oder deren Subfrachtführer zuzuweisen. Zwar erwuchs die letztgenannte Entscheidung in Rechtskraft, jedoch ergibt sich daraus im Verhältnis zwischen den Parteien keine Rechtsverletzung des ukrainischen Subfrachtführers oder des Fahrers, die zur Beschlagnahme führte und die die Klägerin zu verantworten hätte. Die ungerechtfertigte Beschlagnahme durch den ukrainischen Zoll lag damit weder in der Sphäre der Klägerin oder ihres Subfrachtführers noch handelt es sich um von diesem verschuldete Stehzeiten. Die Ursache der Stehzeit ist der neutralen Sphäre zuzurechnen ( Koller , Das Standgeld bei CMR‑Transporten, TranspR 1988, 129 [Zollkontrolle]), beruht somit auf einem Umstand, der vom Frachtführer (Klägerin) nicht zu vertreten ist. Der Klägerin steht daher gegenüber der Beklagten das Standgeld zu.

Dem erstmals in der Revision erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit steht schon das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) entgegen. Zudem ist auch nicht erkennbar, dass die so interpretierte Klausel sittenwidrig im Sinn des § 879 ABGB sein sollte. Da das Standgeld Teil des Frachtlohns ist, kommt es nicht darauf an, welche Ansprüche der ukrainische Subfrachtführer gegenüber der Klägerin geltend macht.

Die Parteien vereinbarten der Höhe nach ein Standgeld von 420 EUR je angefangenen 24 Stunden Wartezeit. Die Klägerin begehrt jedoch ein der Höhe nach im Einzelfall angemessenes Standgeld von 200 EUR pro Stehtag. Zwar erhielt der ukrainische Subfrächter die Zugmaschine bereits am 20. 10. 2010 zurück, den Aufhänger mit der Ware jedoch erst am 7. 2. 2011. Dass die Vorinstanzen für den gesamten Zeitraum der rechtswidrigen Beschlagnahme des Transportguts und die dadurch bedingte Stehzeit des LKWs und des Aufhängers das begehrte Standgeld zuerkannten, ist nicht zu beanstanden.

4. Auf die von der Klägerin ebenfalls herangezogene Anspruchsgrundlage des Art 16 CMR und den Umstand, dass sie nach der Beschlagnahme der Transportware ab dem 26. 8. 2010 die Beklagte regelmäßig informierte und Weisungen einholte, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden (vgl dazu Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB² Vor Art 1 CMR Rz 13, Art 14 ‑ 16 CMR Rz 6; Schütz in Straube , UGB [I 4 ] Vor Art 1 CMR Rz 8; Schmid in: Thume , CMR‑Kommentar³, Art 41 CMR Rn 23, Anh II Rn 62 ff; Koller , Das Standgeld bei CMR‑Transporten, TranspR 1988, 129 [132 ff]; Koller , Transportrecht 7 [2010], Vor Art 1 CMR Rn 14 f, Art 16 CMR Rn 2; Herber/Piper , CMR [1996] Art 16 Rn 5; Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR [1992], 176 ff; Jesser‑Huß in Münchener Kommentar zum HGB² [2009] Art 12 CMR Rn 30; Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski , Internationales Vertragsrecht² [2011] Art 16 CMR Rn 5 und 7; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn , HGB² [2009] Art 16 CMR Rn 3; Helm , Frachtrecht I² [1994], § 425 HGB Rn 183 ff; Helm in Großkomm HGB 4 , § 425 HGB Rn 183 ff).

5. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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