OGH 4Ob15/13d

OGH4Ob15/13d19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei G***** K*****, vertreten durch Dr. Erik Kroker, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 40.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 6. August 2010, GZ 2 R 129/10b-12, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 15. Juni 2010, GZ 59 Cg 87/10k-4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Antrag des Klägers, zur Sicherung seines Anspruchs auf Unterlassung unlauterer Geschäftspraktiken dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreits im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, einen Ausverkauf für einen Betriebsstandort anzukündigen, ohne im Besitz der erforderlichen Ausverkaufsbewilligung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu sein, insbesondere ohne entsprechende Bewilligung einen Totalabverkauf in Verbindung mit Hinweisen wie „alles muss raus“ anzukündigen, und/oder Preisreduktionsankündigungen bis -90 % für Kinderbekleidung bzw Ankündigungen von Schleuderpreisen „egal was die Ware vorher gekostet hat“ oder sinnähnliche Ankündigungen für den Standort *****, zu tätigen, abgewiesen wird.

Hingegen wird dem Eventual-Sicherungsbegehren teilweise Folge gegeben und dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung verboten, für die Dauer des Rechtsstreits im geschäftlichen Verkehr bei einer Aufforderung zum Kauf nicht unter seinem Namen und/oder nicht unter einer identifizierbaren Unternehmenskennzeichnung aufzutreten, insbesondere anonyme Inserate zu schalten.

Das Mehrbegehren, entgegen den Namensführungs- und Offenlegungsvorschriften der §§ 63 ff GewO idgF im geschäftlichen Verkehr generell nicht unter dem Namen des Gewerbetreibenden und/oder nicht unter einer identifizierbaren Unternehmenskennzeichnung aufzutreten, insbesondere es zu unterlassen, anonyme Inserate zu schalten, wird abgewiesen.

Der Kläger hat seine Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zur Hälfte vorläufig und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 10.011,96 EUR (darin 1.668,66 EUR USt) bestimmten Anteil seiner Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung

Beim klagenden Verband, dem über 500 Fachgruppen, Innungen und Gremien so gut wie aller Wirtschaftsbranchen aller Wirtschaftskammern Österreichs angehören, handelt es sich um eine gemäß Art 4 Abs 3 der Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen qualifizierte Einrichtung, die dazu berechtigt ist, Klagen im Sinn des Art 2 der Richtlinie 98/27/EG zu erheben.

Der Beklagte betreibt als nicht protokollierter Einzelunternehmer unter der Etablissement-Bezeichnung „T***** Auktionshaus“ einen Warenhandel.

Für eine Betriebsstätte in I***** schaltete er in einer Zeitung am 24. 2. 2010 ein Inserat des Inhalts „Totalabverkauf - Pro Stück nur mehr 3.50 EURO!!! - Kinderkleidung - Egal wie teuer die Ware vorher war - Über 1.000 Stk. Neuware - T-Shirts/Hosen/Jacken/Blusen/Jeans - … straße … ***** - 10.00 - 18.00 Uhr“.

Weiters kündigte er auf Plakatständern, Scheibenklebern und im Geschäftslokal unter anderem am 12. 3. 2010 an: „Alles muss raus! - Total-Abverkauf - 3.50 EURO pro Stück - bis zu minus 90 % - Kinderbekleidung - Total-Abverkauf - 3.50 EURO pro Stück“.

Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Zeitungsinserat und der Aufstellung der Plakatständer vor dem Lokal verkaufte der Beklagte in seinem Geschäftslokal Kinderbekleidungsartikel (Oberbekleidung und Schuhe). Daneben bot er auch andere Waren wie Weine, Erwachsenen-Unterwäsche, Schmuckstücke, Yoga-Sets für Frauen, Lodendecken, Halstücher, Schirme, Bilder, Frauen-Handtaschen an. Er hatte für die Verkaufsmaßnahmen keine Bewilligung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde eingeholt.

Bei Verkäufen im Geschäftslokal wurde der Firmenname auf die Rechnungen mittels eines Geschäftsstempels aufgedruckt. Das Zeitungsinserat enthielt die Anschrift des Unternehmens, nicht auch den Namen des Unternehmers.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach dem Beklagten im geschäftlichen Verkehr verboten werden solle, einen Ausverkauf für den Betriebsstandort anzukündigen, ohne im Besitz der erforderlichen Ausverkaufsbewilligung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu sein, insbesondere ohne entsprechende Bewilligung einen Totalabverkauf in Verbindung mit Hinweisen wie „alles muss raus“, und/oder Preisreduktionsankündigungen bis -90 % für Kinderbekleidung bzw Ankündigung von Schleuderpreisen „egal was die Ware vorher gekostet hat“ oder Sinnähnliches für den Standort in I***** anzukündigen. Der Beklagte werbe mit einer Ausverkaufsankündigung. Eine solche sei nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde zulässig, welche nicht vorliege.

Weiters erhob der Kläger ein Eventualbegehren, wonach dem Beklagten untersagt werden möge, entgegen den Namensführungs- und Offenlegungsvorschriften der §§ 63 ff GewO idgF im geschäftlichen Verkehr nicht unter dem Namen des Gewerbetreibenden und/oder nicht unter einer identifizierbaren Unternehmenskennzeichnung aufzutreten, insbesondere es zu unterlassen, anonyme Inserate zu schalten. Der Beklagte habe bei seiner als Aufforderung zum Kauf zu qualifizierenden Werbung sich selbst als dahinter stehenden Unternehmer nicht bekannt gegeben. Die Offenlegung der Person des handelnden Unternehmers sei eine der wesentlichen Informationen für den Konsumenten, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Die Ankündigung verletze daher nicht nur die genannten Bestimmungen der GewO, sondern sei auch irreführend. Außerdem sei damit eine objektive, spürbare Beeinträchtigung des freien Leistungswettbewerbs zu Lasten gesetzestreuer Mitarbeiter verbunden, zumal sich der Kläger auch entsprechende Kosten spare; die Werbemaßnahme sei auch geeignet, die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers infolge einer Verschleierung der Identität des tatsächlichen Gewerbetreibenden und seiner Eigenschaften zu beeinflussen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Werbemaßnahmen in der Zeitung und auf Plakatständern und Plakaten seien nicht genehmigungspflichtig, weil es sich um einen Sonderverkauf in der Form eines Abschnittsverkaufs iSd § 33a Abs 2 UWG gehandelt habe. Die Namensnennung im Inserat sei zwar unterblieben, allerdings handle es sich dabei um keine Aufforderung zum Kauf iSd § 2 Abs 6 Z 2 UWG. Dem Konsumenten sei völlig gleichgültig, wo er eine Ware kaufe, sofern er nicht gezielt gewisse Marken oder Handelsketten suche. Die Unterlassung der Namensnennung - die bei Ausstellung der Rechnung durch einen Geschäftsstempel nachgeholt werde - sei weder irreführend, noch könne sie den Wettbewerb spürbar beeinflussen.

Das Erstgericht wies den Sicherungs-Hauptantrag ab. Es sei nur die Tatsache des Totalabverkaufs eines Warensegments bekannt gemacht worden, was keine unzulässige Ankündigung eines Ausverkaufs iSd § 33a UWG sei.

Dem Sicherungs-Eventualbegehren gab das Erstgericht statt. Das Inserat sei eine Aufforderung zum Kauf, die den Erfordernissen des § 2 Abs 6 Z 2 UWG nicht entspreche, weil darin nur die Adresse des Geschäftslokals des Beklagten in I***** samt Öffnungszeiten bekannt gegeben werde, nicht aber sein Name.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des Hauptbegehrens. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Beklagte habe durch seine Werbemaßnahmen den Eindruck erweckt, er beabsichtige, das gesamte Lager an Kinderbekleidung vollständig aufzulassen und abzugeben. Daran ändere es nichts, dass im Geschäftslokal auch andere, von der Verkaufsankündigung nicht betroffene, Waren verkauft werden. Die Ankündigung des Ausverkaufs hätte daher einer (verwaltungsbehördlichen) Bewilligung nach § 33b UWG bedurft.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Beklagte neuerlich geltend, er habe keinen bewilligungspflichtigen Ausverkauf angekündigt. Das beanstandete Inserat oder die Ankündigungen vor dem Geschäftslokal des Beklagten seien keine individuellen Vertragsangebote und deshalb nicht als „Aufforderung zum Kauf“ zu werten. Der Beklagte habe lediglich den Verkauf von Kinderbekleidung ganz allgemein angekündigt. Die unterbliebene Namensnennung verstoße auch nicht gegen § 1 Abs 1 Z 2 UWG, weil sie nicht geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Der Name des Beklagten sei für die Kaufentscheidung des Konsumenten nicht relevant, sein Fehlen bewirke keine spürbare Nachfrageverlagerung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hatte Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der Ausverkaufsbestimmungen und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 234 AEUV folgende Frage vor:

Stehen Art 3 Abs 1 und Art 5 Abs 5 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG , 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG sowie der Verordnung (EG) Nr 2006/2004 (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Ankündigung eines Ausverkaufs ohne Bewilligung der zuständigen Verwaltungsbehörde unzulässig und daher in einem gerichtlichen Verfahren zu untersagen ist, ohne dass das Gericht in diesem Verfahren den irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakter dieser Geschäftspraktik prüfen müsste?

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 17. 1. 2013, Rs C-206/11, diese Frage wie folgt beantwortet:

„Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass sie es einem nationalen Gericht verwehrt, das Abstellen einer nicht unter den Anhang I dieser Richtlinie fallenden Geschäftspraxis nur deshalb anzuordnen, weil diese Praxis nicht vorab von der zuständigen Verwaltungsbehörde bewilligt wurde, ohne selbst diese Praxis anhand der in den Art 5 bis 9 der Richtlinie genannten Kriterien auf ihre Unlauterkeit zu prüfen.“

Eine Erörterung des Parteivorbringens, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen, kommt im Sicherungsverfahren nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0005452 [T11]).

Der Senat hat erwogen:

1.1. § 33a Abs 1 UWG versteht unter Ankündigung eines Ausverkaufs alle öffentlichen Bekanntmachungen oder für einen größeren Kreis von Personen bestimmten Mitteilungen, die auf die Absicht schließen lassen, Waren in größeren Mengen beschleunigt im Kleinverkauf abzusetzen, und zugleich geeignet sind, den Eindruck zu erwecken, dass der Gewerbetreibende durch besondere Umstände genötigt ist, beschleunigt zu verkaufen, und deshalb seine Waren zu außerordentlich vorteilhaften Bedingungen oder Preisen anbietet. Bekanntmachungen oder Mitteilungen, in denen die Worte „Ausverkauf", „Liquidationsverkauf", „Räumungsverkauf", „Schnellverkauf", „Verkauf zu Schleuderpreisen", „Wir räumen unser Lager" oder Worte ähnlichen Sinnes vorkommen, gelten jedenfalls als Ankündigung eines Ausverkaufs.

Die hier zu beurteilenden Ausverkaufsan-kündigungen erfüllen den Tatbestand des § 33a Abs 1 UWG und sind „Geschäftspraktiken“ im Sinn von Art 2 lit d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) (EuGH Rs C-206/11 R z 27).

1.2. Gemäß § 33b UWG ist die Ankündigung eines Ausverkaufs nur mit Bewilligung der nach dem Standort des Ausverkaufs zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zulässig. § 34 Abs 3 UWG setzt den Verletzer dieser Bestimmung unter anderem einem Unterlassungsanspruch aus.

Diese Bestimmungen, die in Verbindung mit § 33a Abs 1 UWG unter Androhung von Sanktionen eine nicht behördlich bewilligte Geschäftspraxis verbieten, sind Maßnahmen zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken im Interesse der Verbraucher und fallen daher in den Anwendungsbereich der RL-UGP (EuGH aaO Rz 33).

1.3. Die Ankündigung eines Ausverkaufs iSd § 33a Abs 1 UWG durch einen Gewerbetreibenden, der nicht über eine entsprechende vorherige Bewilligung verfügt, kann nicht unter allen Umständen als unlauter gelten, da sie nicht unter den Anhang I der Richtlinie fällt (EuGH aaO Rz 42).

1.4. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten zwar einen Wertungsspielraum bezüglich der Wahl der nationalen Maßnahmen, mit denen unlautere Geschäftspraktiken gemäß den Art 11 und 13 der Richtlinie bekämpft werden sollen, wobei Voraussetzung insbesondere ist, dass die Maßnahmen geeignet und wirksam und die vorgesehenen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Dabei kann unter Umständen eine Vorabkontrolle geeigneter und angemessener sein als eine Kontrolle im Nachhinein; dies darf nach der Entscheidung des Europäische Gerichtshof jedoch nicht dazu führen, dass eine Geschäftspraxis - ohne dass sie auf ihre Unlauterkeit im Sinne der Art 5 bis 9 der Richtlinie geprüft würde - allein deshalb verboten wird, weil sie nicht von der zuständigen Behörde vorab genehmigt wurde (EuGH aaO Rz 44-47).

1.5. Nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation haben die Gerichte der Mitgliedstaaten das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und Zwecks der betreffenden Richtlinie auszulegen (RIS-Justiz RS0075866). Die konkrete Umsetzung der richtlinienkonformen Auslegung erfordert unter Umständen eine den Wortlaut des Gesetzes übersteigende richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere durch teleologische Reduktion (4 Ob 208/10g mwN). Schuhmacher (wbl 2011, 221 [224]) fordert die Nichtanwendung nach den Grundsätzen der mittelbaren Reflexwirkung („negative unmittelbare Wirkung“) gemeinschaftsrechtlicher Normen.

1.6. Auf den konkreten Fall bezogen bedeutet dies, dass die Bestimmung des § 34 Abs 3 UWG (Unterlassungsanspruch bei Nichtvorliegen einer Genehmigung) in richtlinienkonformer Interpretation durch teleologische Reduktion dahin auszulegen ist, dass Ausverkaufsankündigungen nur dann unzulässig sind, wenn sie nach den Kriterien der Art 5 bis 9 RL-UGP irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakter haben. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung aus dem Grund mittelbarer Reflexwirkung der Richtlinie führt zum selben Ergebnis.

1.7. Im vorliegenden Fall ist nicht zu prüfen, ob die Ausverkaufsankündigungen des Beklagten nach den Kriterien der Art 5 bis 9 RL-UGP unlauter sind, weil der Kläger sein Haupt-Sicherungsbegehren in erster Instanz nur auf das Fehlen der behördlichen Bewilligung stützte und nicht geltend machte, dass die Geschäftspraktik irreführend, aggressiv oder sonst unlauter sei.

Selbst wenn man die Nichteinhaltung einer Vorabgenehmigung als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt werten wollte, könnte der Beklagte allein deshalb und ohne Prüfung der Geschäftspraktik anhand der Kriterien der Art 5 bis 9 der Richtlinie nicht zur Unterlassung verhalten werden. Ein Verbot würde nämlich auch unter diesem Gesichtspunkt ausschließlich auf der fehlenden behördlichen Genehmigung beruhen und damit gegen den abschließenden Charakter des Anhangs der RL-UGP verstoßen.

Der Unterlassungsanspruch besteht daher im Hinblick auf das Haupt-Sicherungsbegehren nicht zu Recht.

2.1. Aufgrund der Abweisung des Hauptbegehrens ist auf das Eventualbegehren einzugehen.

Der Kläger macht geltend, dass die „anonyme“ Ausverkaufsankündigung im Inserat des Beklagten gegen §§ 1, 2 UWG und die dem § 2 UWG zugrunde liegenden Informationspflichten für eine hier vorliegende „Aufforderung zum Kauf“ verstoße. Die Eigenschaften und die Identität des Unternehmers seien wesentliche Informationspunkte für eine informierte geschäftliche Entscheidung als einem Schutzziel des UWG und somit stets von Relevanz im Hinblick auf §§ 1, 2 UWG. Im Bereich der Aufforderung zum Kauf deckten sich die Namensführungs- und Offenlegungsgrundsätze des § 2 UWG mit jenen der §§ 63 ff GewO. Im mitbewerberschützenden Bereich des § 1 Abs 1 Z 1 UWG führe die Nichteinhaltung von Transparenz- und Offenlegungspflichten bereits ihrer Art nach zu einer objektiv spürbaren Beeinträchtigung des freien Leistungswettbewerbs jener Mitbewerber, welche Kosten und organisatorische Mühen zur Einhaltung und Sicherstellung ihrer unmittelbaren Identifizierbarkeit der geschäftlichen Kommunikation auf sich nähmen.

2.2. Gemäß § 2 Abs 4 UWG gilt eine Geschäftspraktik auch dann als irreführend, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen nicht enthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Gemäß § 2 Abs 6 Z 2 UWG gelten bei einer Aufforderung an Verbraucher zum Kauf folgende Informationen als wesentlich iSd Abs 4, sofern sich diese Informationen nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: Name und geographische Anschrift des Unternehmens und gegebenenfalls des Unternehmens, für das gehandelt wird.

Gemäß § 1 Abs 4 Z 5 UWG (Art 2 lit i) RL-UGP) ist eine „Aufforderung zum Kauf“ jede kommerzielle Kommunikation, welche die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen.

2.3. Der Europäische Gerichtshof legte in der Entscheidung Konsumentenombudsmann/Ving Sverige, Rs C-122/10, den Begriff „Aufforderung zum Kauf“ großzügig aus. Dem Ausgangssachverhalt lag eine Werbeanzeige eines Reisebüros für Reisen nach New York zugrunde, die einige Informationen - insb Eckpreise („ab“-Preise) pro Person für Flug und Unterbringung, Fluglinie und Hotelinformationen - enthielt und für Detailinformationen auf die eigene Website verwies. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist darin bereits eine Aufforderung zum Kauf zu erblicken. Eine solche liegt nach dem Europäische Gerichtshof bereits dann vor, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist und eine geschäftliche Entscheidung treffen kann, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht. Es bedarf somit weder eines bindenden Angebots, noch einer invitatio ad offerendum, selbst die essentialia negotii müssen nicht in vollem Umfang feststehen. Ein Produkt ist bereits dann hinreichend bestimmt, wenn es lediglich benannt und/oder abgebildet ist. Insbesondere kann es ausreichen, wenn der Werbende auf seine Website verweist. Der Preis ist dabei nicht vollends zu konkretisieren, sodass auch die Angabe von Eckpreisen (zB „ab EUR“) grundsätzlich ausreichend ist (vgl auch Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 526; Handig in ecolex 2007, 779).

2.4. Auf Basis dieser Auslegung erfüllt das beanstandete Zeitungsinserat, das unter anderem folgenden Text enthielt „... Pro Stück nur mehr 3.50 EURO - Kinderkleidung - Egal wie teuer die Ware vorher war - Über 1.000 Stk Neuware - T-Shirts/Hosen/Jacken/Blusen/Jeans ...“, jedenfalls das Kriterium einer „Aufforderung zum Kauf“ im Sinne der genannten Gesetzes- bzw Richtlinienbestimmung. Der Konsument erfährt im Inserat, dass Waren bestimmter Art (Kinder-T-Shirts/Hosen/Jacken/Blusen/Jeans) um einen bestimmten Preis zu kaufen sind. Das Erfordernis einer näheren Präzisierung der Ware (z.B. nach Größe, Farbe, Material, etc) würde einer nicht restriktiven Auslegung des Begriffs der „Aufforderung zum Kauf“ (vgl EuGH Rs C-122/10, Rz 29) widersprechen.

2.5. Der Beklagte beruft sich unter anderem darauf, dass die unterbliebene Namensnennung nicht geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Der Name des Beklagten als Unternehmer sei nicht werbewirksam oder für die Kaufentscheidung relevant. Einem Konsumenten sei völlig gleichgültig, in welchem Geschäft er eine Ware kaufe, sofern er nicht gezielt gewisse Marken oder Handelsketten suche. Die unterbliebene Namensnennung führe daher zu keiner nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung.

2.6. Nach § 2 Abs 6 UWG (Art 7 Abs 4 RL-UGP) sind bei Aufforderungen zum Kauf gegenüber Verbrauchern bestimmte Umstände als jedenfalls wesentliche Informationen iSd § 2 Abs 4 UWG anzusehen (Anderl/Appl aaO Rz 525).

Wird eine Informationspflicht nach § 2 Abs 6 UWG verletzt, so ergibt die Zusammenschau von § 2 Abs 4 UWG und § 2 Abs 6 UWG, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten worden ist. Die Wesentlichkeit ist also nicht mehr gesondert zu prüfen. Die Formulierung „somit“ in § 2 Abs 4 UWG (Art 7 Abs 1 RL-UGP) spricht dafür, dass allein aufgrund dieser angenommenen Wesentlichkeit der Pflichtangaben die Eignung, den Durchschnittsverbraucher zu einer wirtschaftlichen Entscheidung zu veranlassen, gegeben ist (Thöni in ecolex 2009, 972).

2.7. Dass der Beklagte auf den Rechnungen über seine Warenverkäufe jeweils die mit dem Firmennamen versehene Geschäftsstampiglie anbringt, ändert nichts an der - lauterkeitswidrigen - Weglassung des Namens in seiner Werbeaussendung, zumal die Rechnungsausstellung in der Regel nicht vor den jeweiligen Kaufabschlüssen erfolgt.

Das Fehlen der Firma (des Namens) des Beklagten im beanstandeten Zeitungsinserat bewirkt daher einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot durch Nichtangabe des Namens oder einer identifizierbaren Unternehmenskennzeichnung bei Aufforderung zum Kauf iSd § 2 Abs 6 Z 2 UWG iVm § 2 Abs 4 UWG. Die vom Kläger begehrte Fassung des Unterlassungsgebots ist aber zu weit und war auf den Verstoß einzuschränken.

3. Dem Revisionsrekurs war daher (nur) teilweise Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass - im Ergebnis - die (modifizierte) einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

4.1. Die Kostenentscheidung gründet auf § 393 Abs 1 EO iVm § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Der Beklagte hat den Sicherungsantrag im Ergebnis zur Hälfte abgewehrt. Der Kläger hat daher die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zur Hälfte vorläufig und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen. Der Beklagte hat Anspruch auf die Hälfte seiner Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen.

4.2. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art 267 AEUV ist als Zwischenverfahren des Revisionsrekursver-fahrens anzusehen, sodass die Bestimmung der darauf entfallenden Kosten dem vorlegenden Gericht vorbehalten ist (RIS-Justiz RS0109758). Es betraf ausschließlich den Hauptanspruch.

4.3. Im Vorabentscheidungsverfahren ist der Beklagte als zur Gänze obsiegend zu erachten, weshalb ihm seine darauf entfallenden Kosten zur Gänze zuzusprechen waren. Der Kostenzuspruch ergibt sich aus der Anwendung des (einfachen) Satzes nach TP 3C RATG. Der im konkreten Fall erforderliche Verfahrensaufwand lässt eine Berechnung mit dem zweifachen Satz der TP 3C RATG nicht zu.

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