OGH 10ObS38/13f

OGH10ObS38/13f19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Stefan Jöchtl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. E*****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Likar GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Waisenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 2013, GZ 6 Rs 3/13b‑11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00038.13F.0319.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen (10 ObS 424/89, SSV‑NF 4/9 = SZ 63/6), dass

a) der Ausbildungsbeitrag des Rechtspraktikanten sozialversicherungsrechtlich ein Erwerbseinkommen ist (so schon 10 ObS 167/88), und

b) die Kindeseigenschaft durch ein Hochschulstudium, welches neben der Tätigkeit als Rechtspraktikant betrieben wird, nicht gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG über das 18. Lebensjahr hinaus verlängert wird.

Die Vorinstanzen sind dieser Rechtsprechung gefolgt. Eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0103384 [T5]) und zur Verneinung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage aus.

Konkret führt die Rechtsmittelwerberin nicht aus, weshalb nach den Änderungen des Rechtspraktikantengesetzes durch das BudgetbegleitG 2011 die genannte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht mehr zutreffen soll. Am Ziel und Zweck der Gerichtspraxis hat sich durch die Neufassung des § 1 Abs 1 RPG durch das BudgetbegleitG 2011 (Art 48 Z 1) nichts geändert. Nach wie vor wird durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und deren Ableistung kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet (§ 2 Abs 4 RPG). Unverändert hat der Rechtspraktikant die gerichtlichen Dienststunden einzuhalten (§ 9 Abs 4 RPG). Für ihn ist eine 40‑Stunden‑Woche normiert. Der Ausbildungsbeitrag beträgt für einen Kalendermonat 1.035 EUR brutto (§ 17 Abs 1 RPG). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erhielt die Klägerin aliquot Sonderzahlungen. Rechtspraktikanten sind gemäß § 4 Abs 1 Z 4 ASVG vollversichert. Der Ausbildungsbeitrag gilt unverändert als Arbeitsverdienst (§ 44 Abs 1 Z 2 ASVG) und ist Entgelt im Sinn des § 49 ASVG. Die Höhe des festgestellten Nettoausbildungsbeitrags sichert auch die Selbsterhaltungsfähigkeit des Rechtspraktikanten, liegt er doch über dem Ausgleichszulagen‑Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG für das Jahr 2012 (vgl 10 ObS 134/91; 10 ObS 403/90).

Dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (s Erkenntnis 18. 11. 2009, 2008/13/0015) Rechtspraktikanten in Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG stehen, begründet im Hinblick auf die Verlängerung der Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht anwendbar, wenn eine Erwerbstätigkeit zwar gleichzeitig der Ausbildung dient, daraus aber ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das die Selbsterhaltungsfähigkeit ebenso sichert wie jedes andere Erwerbseinkommen aus einer Berufstätigkeit, die nicht als Ausbildungsverhältnis deklariert ist (RIS‑Justiz RS0085149). § 252 Abs 2 Z 1 ASVG liegt nämlich die Wertung zugrunde, dass jemandem, der sich einer seiner Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden Schul‑ oder Berufsausbildung unterzieht, eine die Selbsterhaltung garantierende Berufstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Diese Wertung trifft aber auf jene Fälle nicht zu, wo eine Erwerbstätigkeit, wie im Fall des Rechtspraktikanten, gleichzeitig der Ausbildung dient. Wenn der Gesetzgeber von einer die Arbeitskraft überwiegend ausfüllenden Ausbildung spricht, so ist dies im Sinn der Subsidiarität der Pensionsgewährung gegenüber der Arbeitskraftbetätigung zu verstehen. Es besteht hier eine Funktionsüberlagerung von Erwerbstätigkeit und Ausbildung. Anders als sonst schließt hier die Ausbildung die gleichzeitige Betätigung der Arbeitskraft nicht aus (10 ObS 424/89).

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