OGH 4Ob171/12v

OGH4Ob171/12v19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch die Offer & Partner KG Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Gesamtstreitwert 40.000 EUR) sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Juli 2012, GZ 2 R 115/12x-12, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. April 2012, GZ 59 Cg 7/12y-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.303,60 EUR (darin 785,10 EUR USt und 2.593 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile beschäftigen sich mit der Vermarktung von Sportbekleidung. Die Klägerin vertreibt die Marke „V*****“, die Beklagte die Marke „S*****“. Die Klägerin erhielt den Zuschlag für die entgeltliche Lieferung von Winterbekleidung zur Ausrüstung der Mitarbeiter, Partner und Volonteere der Innsbruck-Tirol Olympische Jugendspiele 2012 GmbH. Während der Olympischen Jugendspiele 2012 trugen die Mitarbeiter, Partner und Volonteere der Innsbruck-Tirol Olympische Jugendspiele 2012 GmbH von der Klägerin gelieferte Kleidungsstücke.

Am 15. 10. 2011 erschien in der „Tiroler Krone“ auf S 42 ein Artikel mit unter anderem folgendem Inhalt:

S***** Sportbekleidung will Österreich und Italien von Innsbruck aus erobern:

„Wir wollen Umsatz verdoppeln.“

Seit dem September vergangenen Jahres hat die S***** GmbH den Sitz ihrer Österreich-Zentrale in Innsbruck. Von hier aus sollen der heimische Markt und zudem Italien erobert werden. … S***** steht seit jeher für Sportbekleidung höchster Qualität und Funktion. Darauf setzen ua das österreichische Ski-Nationalteam und die Snowboarder, das Österreichische Olympische Comitee und auch die Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, die erst kürzlich den 8611 m hohen K2 mit Spezialkleidung - die für jedermann im Sporthandel erhältlich ist - bestiegen hat. Nächstes Jahr wird S***** auch olympisch sein - als Ausstatter der Jugend-Olympiade in Tirol. ...

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Unterlassung, unwahre Angaben über die Klägerin zu machen und zu verbreiten oder zu veröffentlichen, insbesondere wonach die Beklagte Bekleidungsausstatter der 1. Olympischen Jugendwinterspiele 2012 vom Jänner 2012 in Innsbruck und Umgebung sei. Eventualiter begehrte sie, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen unwahre Angaben zu machen, zu verbreiten oder zu veröffentlichen, insbesondere wonach die Beklagte Bekleidungsausstatterin der 1. Olympischen Jugendwinterspiele 2012 sei, obwohl die Klägerin die Mitglieder und Mitarbeiter des Organisationskomitees mit ihren Produkten beliefert und eingekleidet habe. Weiters erhob die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren. Die Behauptung, die Beklagte sei „Ausstatter“ der Jugend-Olympiade, sei falsch, weil die Beklagte nur das Österreichische Olympische Comitee mit Bekleidung ausgestattet habe. Die falschen Angaben würden vom Geschäftsführer der Beklagten stammen, der den Artikel vor der Veröffentlichung auch freigegeben habe. Es liege eine irreführende Geschäftspraktik iSd §§ 1 und 2 UWG vor. Die Behauptungen seien auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin zu beeinträchtigen.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe den Zuschlag für die Ausrüstung der Mitarbeiter, Partner und Volonteere erhalten, nicht aber der Sportler. Die Beklagte hingegen sei in der Öffentlichkeit als offizielle Ausstatterin der gesamten österreichischen Delegation aufgetreten. Die beanstandete Äußerung stamme nicht vom Geschäftsführer der Beklagten. Dieser habe dem Verfasser richtig mitgeteilt, dass die Beklagte die österreichischen Athleten bei den YOG ausstatte. Richtig sei, dass der Redakteur den Artikel dem Geschäftsführer der Beklagten in der letztlich erschienenen Form zur Freigabe übermittelt habe. Letzterer habe bei der Ansicht des Textes auf einem BlackBerry aufgrund der Kleinheit der Schrift den Umstand überlesen, dass die Worte „die österreichische Delegation bei“ fehlten. Die Beklagte habe sich den Inhalt des Artikels jedoch nicht zu eigen gemacht. Sie habe auch nie behauptet, die Klägerin sei nicht Bekleidungsausstatter der YOG. Richtigerweise würde der Leser als „Ausstatter“ auch denjenigen verstehen, der die Sportler, und nicht die Billetteure, Karten-Abreißer, Kassiere usw einkleide. Letztlich fehle es auch an der Eignung, die Kaufentscheidung des Publikums zu beeinflussen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die beanstandete Äußerung sei nicht der Beklagten zuzurechnen. Sie habe sie auch nicht veranlasst. Das bloße Übermitteln eines Artikels zur Kenntnis und ohne Aufforderung, diesen allenfalls zu korrigieren, führe zu keiner Handlungspflicht dahingehend, den Artikel auf allfällige Fehler zu untersuchen. Der Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte sich die falsche Behauptung im Zeitungsartikel zu eigen gemacht, zumal sie versucht habe, nach dem Erscheinen des Artikels einen aufklärenden Leserbrief zu platzieren.

Das Berufungsgericht gab der Klage im Sinne des Eventualbegehrens (teilweise) statt, indem es die Beklagte zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Behauptung verhielt, sie sei Bekleidungsausstatter der 1. Olympischen Jugendwinterspiele 2012, obwohl die Klägerin die Mitglieder und Mitarbeiter des Organisationskomitees mit ihren Produkten beliefere und einkleide. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR und die ordentliche Revision sei unzulässig. Die Behauptung, die Beklagte sei Ausstatter der Jugend-Olympiade in Tirol, sei objektiv unrichtig. Die Beklagte sei zwar Ausstatterin der Sportler und Funktionäre des Österreichischen Olympischen Comitees bei der YOG in Innsbruck gewesen, die Klägerin jedoch Ausstatterin sämtlicher Mitarbeiter, Partner und Volonteere der YOG 2012. Die angesprochenen Marktteilnehmer könnten diese beiden Tätigkeitsfelder (Ausstatter der österreichischen Teilnehmer an der Olympiade auf der einen Seite und Bekleidungsausstatter der Veranstalter dieser Spiele auf der anderen Seite) voneinander unterscheiden. Durch die beanstandete Veröffentlichung würden sie in die Irre geführt. Es liege daher eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG vor. Der Geschäftsführer der Beklagten hätte die Pflicht gehabt zu überprüfen, ob der vom Zeitungsredakteur verfasste Artikel inhaltlich richtig sei und der Presseaussendung der Beklagten entspreche. Die beanstandete Behauptung sei der Beklagten als Gehilfin des unmittelbaren Täters zurechenbar. Der Unterlassungsanspruch bestehe daher im Sinne des (korrigierend auf den tatsächlich erwiesenen Wettbewerbsverstoß eingeschränkten) Eventualbegehrens zu Recht, ebenso wie die entsprechende Urteilsveröffentlichung gemäß § 25 UWG.

Gegen die teilweise Klagsstattgebung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Gegenstand des Unterlassungsgebots habe immer die konkrete Verletzungshandlung zu sein. Die Beklagte sei daher zu Unrecht zur Unterlassung eines Verhaltens, das sie nicht gesetzt habe, verhalten worden. Auch habe keine Prüfpflicht bestanden, da nicht jeder von einer wettbewerbswidrigen Äußerung in einem Medium Betroffene verpflichtet sei, für deren Unterbleiben zu sorgen. Dies sei der Beklagten auch nicht möglich gewesen, da die Kronen Zeitung nicht einmal bereit gewesen sei, den von ihr verfassten Leserbrief zu veröffentlichen. Aber selbst wenn man eine Prüfpflicht annehmen wolle, sei diese nur auf grobe und auffallende Verstöße beschränkt. Im Übrigen sei die beanstandete Äußerung nicht zur Täuschung geeignet und würde den Durchschnittsverbraucher zu keiner geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die er bei Kenntnis der wahren Umstände nicht getroffen hätte. Die Konsumenten verstünden nämlich die Aussage, die Beklagte sei Ausstatter der Jugend-Olympiade, ohnedies in dem Sinn, dass die Beklagte die österreichische Delegation bei der Jugend-Olympiade ausstatte und nicht in dem Sinn, dass sie die Organisatoren dieser Veranstaltung ausstatte.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Irreführend ist eine Angabe, wenn die Vorstellungen, welche die Umworbenen über ihre Bedeutung haben, mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang stehen (RIS-Justiz RS0078541). Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, sodass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in einer für die geschäftliche Entscheidung erheblichen Weise irrezuführen (RIS-Justiz RS0121669; RS0078615). Für die Beurteilung entscheidend ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der eine dem Anlass angemessene, unter Umständen daher auch bloß flüchtige Aufmerksamkeit aufwendet (RIS-Justiz RS0114366).

2. Im vorliegenden Fall wird der Durchschnittsleser der Kronen Zeitung die Behauptung, die Beklagte sei „Ausstatter der Jugend-Olympiade in Tirol“ in erster Linie mit den an dieser Veranstaltung teilnehmenden Sportlern verbinden, stehen doch diese - und nicht die Mitarbeiter des Organisationskomitees - im Mittelpunkt einer jeden Sportveranstaltung. Der Durchschnittsleser des genannten Mediums wird sich keine Gedanken darüber machen, ob auch (oder nur) das in die Ausrichtung der Spiele involvierte Personal von der „Ausstattung“ umfasst ist. Insbesondere entnimmt er der beanstandeten Aussage, die im Gesamtzusammenhang mit dem Bericht über die Tätigkeiten und geschäftlichen Erfolge der Beklagten steht, nicht, dass die Beklagte der einzige Ausstatter der Jugend-Olympiade sei. Die Äußerung erweckt nämlich keineswegs den Eindruck, „alleiniger“ Ausstatter zu sein.

Die Irreführungseignung der beanstandeten Äußerung ist daher zu verneinen, sodass die auf ein Vorliegen irreführender Geschäftspraktik gemäß §§ 1 und 2 UWG gestützten Begehren der Klägerin auf Unterlassung und Veröffentlichung schon an dieser Voraussetzung scheitern. Fragen der Zurechnung des Zeitungsartikels zur Beklagten können offen bleiben.

Der Revision war Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte