OGH 8ObA10/13y

OGH8ObA10/13y4.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Zsizsik & Dr. Prattes, Rechtsanwälte OG in Bruck an der Mur, wegen 4.981,84 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Jänner 2013, GZ 7 Ra 87/12m-17, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche eines Arbeitnehmers nicht nur während des aufrechten Arbeitsverhältnisses (RIS-Justiz RS0029958), sondern solange unwirksam, als sich dieser in der typischen Unterlegenheitsposition eines Arbeitnehmers befindet („Drucktheorie“; 9 ObA 10/05v). Wird der Verzicht vom Arbeitnehmer in der Auflösungsphase noch vor der endgültigen Abrechnung bzw vor Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs erklärt, so ist dieser jedenfalls unwirksam. Sonst ist entscheidend, ob von einer vollständigen wirtschaftlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen werden kann und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht mehr ins Gewicht fällt (9 ObA 56/95; 9 ObA 71/11y; vgl auch RIS-Justiz RS0014481).

Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision folgt aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gerade nicht, dass ein wirtschaftlicher Druck nur bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses bestehen könne.

2. Die Frage, ob für den Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Verzichtserklärung noch eine arbeitsvertragstypische Drucksituation bestanden hat, ist von den konkreten Umständen abhängig und begründet damit eine typische Einzelfallbeurteilung.

Die Vorinstanzen sind von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ihre Beurteilung, dass für die Klägerin zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Erklärung Beilage 3 (am zweiten Tag nach der einvernehmlichen Auflösung) noch ein wirtschaftlicher Druck bestanden habe, zumal nicht einmal die vom Beklagten abgerechneten Beträge ausbezahlt gewesen seien, sodass eine wirksame Verzichtserklärung nicht vorliege, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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