OGH 6Ob17/13p

OGH6Ob17/13p27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Bartlmä Madl Köck Rechtsanwälte OG in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses (Streitwert 35.000 EUR), über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. November 2012, GZ 1 R 94/12t-63, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. März 2012, GZ 26 Cg 129/09b-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.157,59 EUR (darin 359,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

1.1. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage der Treuepflichten von Gesellschaftern im Zusammenhang mit Beschlüssen über die Gewinnausschüttung wurde zwischenzeitlich vom Obersten Gerichtshof in der zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung 6 Ob 100/12t geklärt.

1.2. Demnach gebietet die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht einem Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich nicht, die Interessen der Gesellschaft über seine eigenen zu stellen und immer schon dann gegen die Ausschüttung des Bilanzgewinns zu stimmen, wenn die Thesaurierung für die Gesellschaft günstiger als die Ausschüttung ist. Anderes gilt dann, wenn die Rücklagenbildung für die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erforderlich ist oder der Gesellschafter vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 Abs 5 GmbHG weiß. Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Vorinstanzen aber nicht vor. Dass die zur Gewinnausschüttung allenfalls erforderliche Kreditaufnahme aus betriebswirtschaftlicher Sicht „nicht sinnvoll“ sein mag, ist der Gefährdung der Existenz der Gesellschaft nicht gleichzuhalten.

2.1. Darüber hinaus stehen die Revisionen auf dem Standpunkt, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung der beklagten Partei nach dem Beschluss über die Gewinnausschüttung bei Beurteilung der Treuepflichten beachtet werden müsse. Dabei argumentieren die Revisionswerber im Wesentlichen damit, dass sich aus den Entwicklungen der Jahre 2010 und 2011 ein Gesamtplan, die Beklagte in eine existenzbedrohende Lage zu bringen, ableiten lasse und somit bereits das Stimmverhalten der Klägerin bei Fassung des Beschlusses, aber auch die Anfechtung und Fortführung des Anfechtungsprozesses treuwidrig wären.

2.2. Die Behauptung, dass die Klägerin nach der Beschlussfassung durch Einbringen der Anfechtungsklage und Fortführen des Prozesses trotz späterer eingetretener wirtschaftlicher Schwierigkeiten gegen ihre Treuepflichten verstoßen hätte, wurde in dieser Form in erster Instanz nicht aufgestellt, zumal an die Treuwidrigkeit einer Prozessführung besondere Anforderungen gestellt werden müssen, muss doch jeder Person grundsätzlich die Möglichkeit offen stehen, strittige Rechtsfragen durch das Gericht oder die sonst zuständige Behörde klären zu lassen, ohne mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für die Rechtsverteidigung belastet zu werden (5 Ob 261/02x; RIS-Justiz RS0020727).

2.3. Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das Stimmverhalten nur dann treuwidrig sein kann, wenn die Umstände, die den Verstoß gegen die Treuepflicht begründen, bereits zum Zeitpunkt der Stimmabgabe vorliegen (vgl auch 6 Ob 100/12t). Tatsachen, die erst nach Fassung des angefochtenen Beschlusses eintreten, können für die Beschlussanfechtung nur insoweit relevant sein, als diese bei der Stimmabgabe für den jeweiligen Gesellschafter zumindest vorhersehbar waren. Dies wurde in dieser Form aber im Verfahren erster Instanz nicht behauptet.

3. Damit bringen die Revisionen aber keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen waren.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen.

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