OGH 10ObS107/12a

OGH10ObS107/12a26.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei I***** C*****, vertreten durch Ganzert & Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. Mai 2012, GZ 11 Rs 52/12i‑20, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 1. März 2012, GZ 10 Cgs 144/11w‑15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der 1976 geborene Kläger schloss 1995 die Lehre als Maurer mit Lehrabschlussprüfung ab. Innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag 1. 2. 2011 war er insgesamt 120 Monate als Maurer tätig. Seit Dezember 2010 ist er arbeitslos. Aufgrund seines eingeschränkten, im Detail festgestellten medizinischen Leistungskalküls ist er als Maurer weder im Bau‑ noch im Baunebengewerbe oder in Teilbereichen des Maurerberufs einsetzbar. Aufgrund seines körperlichen und psychischen Zustands kann er auch eine Tätigkeit als Kunden‑ oder Verkaufsberater im Baustoffhandel nicht ausüben.

Mit Bescheid vom 19. 4. 2011 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 28. 1. 2011 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab, weil Invalidität nicht vorliege, und sprach weiters aus, da Invalidität in absehbarer Zeit nicht eintreten werde, bestehe auch kein Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab 1. 2. 2011 im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Er sei invalid.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht invalid, weil er noch ständig leichte und überwiegend mittelschwere Arbeiten ausüben könne. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehe kein Anspruch auf Invaliditätspension. Da dem Kläger nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen eine Umschulung möglich und er auch dafür motiviert sei, habe er keinen Anspruch auf Invaliditätspension, sondern es sei der Anspruch auf Rehabilitation mit Urteil festzustellen, auch wenn dem Kläger bislang keine Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation angeboten worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, dass der Kläger aus medizinischer Sicht und nach vorgenommener Umschulung für Bürotätigkeiten an einem Computerarbeitsplatz einsetzbar wäre. Die Befähigung, Kenntnisse und Fertigkeiten in einem neuen Berufsfeld zu erwerben, sei vorhanden. Anlernbarkeit, Umschulbarkeit und Einordenbarkeit seien gegeben. Für die Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann im einschlägigen Baustoffhandel im Innendienst wäre eine Umschulung im Ausmaß von ein bis zwei Jahren Vollausbildungszeit mit Lehrabschlussprüfung erforderlich.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger habe Berufsschutz als Maurer, sodass er nach § 255 Abs 1 ASVG als invalid gelte, weil er nicht mehr als Maurer einsetzbar sei. Der Antrag der Beklagten, den Anspruch des Klägers auf Rehabilitation mit Urteil festzustellen, lasse ein konkretes Urteilsbegehren sowie Ausführungen dazu, welche konkreten Maßnahmen der Rehabilitation dem Kläger nunmehr angeboten würden, vermissen. Dem Kläger seien weder im Verwaltungsverfahren noch während des Gerichtsverfahrens berufliche Rehabilitationsmaßnahmen angetragen worden. Damit seien das Ziel, die Dauer und der Beginn der nun von der beklagten Partei angedachten Rehabilitationsmaßnahme derart unklar, dass dem Gericht die Prüfung der Zumutbarkeit nicht möglich gewesen sei. Der Kläger habe seit dem Stichtag Anspruch auf Invaliditätspension, weil er nicht mehr arbeitsfähig gewesen sei. Da die für die Dauer der Rehabilitation vorgesehene Geldleistung erst ab Maßnahmenbeginn gebühren dürfte, würde er Leistungen aus der Pensionsversicherung ab Stichtag bei einem Ausspruch, dass er Anspruch auf Rehabilitation habe, verlieren. Es sei Aufgabe der beklagten Partei gewesen, bereits im Vorfeld zumutbare Maßnahmen der Rehabilitation anzubieten, um einerseits dem Gericht eine Prüfung der Zumutbarkeit der Maßnahme zu ermöglichen und zum anderen den Ausspruch der Gewährung der Invaliditätspension für einen bestimmten Zeitraum und eventuell daran anschließend den Anspruch auf eine hinreichend konkretisierte Maßnahme der beruflichen Rehabilitation denkmöglich und exekutierbar zu machen. Der Zuspruch der Invaliditätspension schließe nicht aus, dass der Kläger der beruflichen Rehabilitation zugeführt werde, scheine er doch selbst hiezu motiviert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Durch die Klagserhebung sei der Bescheid der beklagten Partei zur Gänze außer Kraft getreten. Von einer Teilrechtskraft des den Anspruch auf berufliche Rehabilitation verneinenden Bescheidteils könne nicht ausgegangen werden. Beim Anbot einer beruflichen Rehabilitation nach § 253e ASVG im sozialgerichtlichen Verfahren seien die Voraussetzungen des § 254 Abs 1 Z 1 ASVG selbständig und unabhängig vom Verfahren vor dem Versicherungsträger auf Basis der Sach‑ und Rechtslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu prüfen. Auch ohne ausdrückliches Anbot einer beruflichen Rehabilitation durch den Versicherungsträger sei das Sozialgericht zu einer Prüfung der negativen Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 1 ASVG dann verpflichtet, wenn der Versicherungsträger im gerichtlichen Verfahren zumindest behaupte, dass und auf welche konkrete Maßnahme der beruflichen Rehabilitation der Kläger Anspruch habe. Dieser Behauptungslast sei die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren ausreichend nachgekommen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit der konkreten Maßnahme der beruflichen Rehabilitation (Umschulung zum Einzelhandelskaufmann) zu prüfen. Der Kläger habe Anspruch auf eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation nach § 253e ASVG, der einem Anspruch auf Invaliditätspension entgegenstehe. Eine Umschulung des erst im 36. Lebensjahr stehenden Klägers zum Einzelhandelskaufmann sei zweckmäßig und auch zumutbar. Gegenteiliges habe der Kläger auch nicht behauptet. Er habe daher keinen Anspruch auf Zuerkennung einer Invaliditätspension. Da der Kläger lediglich die Geldleistung, aber keine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation begehrt habe, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen. Daran könne auch der Berufungsteilantrag der beklagten Partei auf Feststellung, dass sie schuldig sei, dem Kläger ab 1. 2. 2011 berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren, nichts ändern.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Arbeits‑ und Sozialgericht aufgrund einer ausdrücklich (nur) auf Gewährung einer Invaliditätspension gerichteten Klage des Versicherten zu einer Prüfung der im Verwaltungsverfahren spruchmäßig verneinten Frage des Anspruchs auf berufliche Rehabilitation verpflichtet sei, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

1. Die von der beklagten Partei beantwortete Revision der klagenden Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

2. Zutreffend und vom Revisionswerber nicht bekämpft ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Klage den die Gewährung der Invaliditätspension und von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ablehnenden Bescheid der beklagten Partei zur Gänze außer Kraft setzte.

3. Die rechtzeitige Klage setzt den bekämpften Bescheid des Versicherungsträgers über den Bestand eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen „im Umfang des Klagebegehrens“ außer Kraft (§ 71 Abs 1 ASGG). Das Sozialgericht prüft dann selbständig den durch die Klage geltend gemachten sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Umfang des Außerkrafttretens verhältnismäßig weit anzunehmen: Nur jener (unbekämpfte) Teil des Bescheids bleibt von der Klage unberührt, der sich inhaltlich vom bekämpften trennen lasse (RIS-Justiz RS0086568; RS0084896). Ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit gilt vorrangig als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation (§ 361 Abs 1 ASVG). Voraussetzung eines Anspruchs auf Invaliditätspension ist ua, dass der Versicherte keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitation nach § 253e Abs 1 und 2 ASVG hat oder die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig (§ 253e Abs 2 ASVG) oder nicht zumutbar (§ 253e Abs 4 ASVG) sind (§ 254 Abs 1 Z 1 ASVG). Infolge dieser inhaltlichen Verknüpfung des Anspruchs auf Invaliditätspension mit dem Anspruch auf berufliche Rehabilitation lässt sich der Teil des Bescheids, der einen Anspruch auf die Pensionsleistung verneint, nicht von jenem trennen, der die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ablehnt. Es tritt daher der gesamte Bescheid außer Kraft, auch wenn die Klage ‑ wie hier ‑ nur den Ausspruch über die Invaliditätspension bekämpft (vgl Panhölzl , Neuregelung des Bereichs Invalidität und Rehabilitation, DRdA 2011, 309 [312]).

4. Für seine Klage gegen einen Bescheid, mit dem die Gewährung sowohl der Invaliditätspension als auch von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation abgelehnt wird, hat der Versicherte mehrere Möglichkeiten des Klagebegehrens. Es kann sich nur auf Zuspruch der Pensionsleistung oder nur auf die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation richten. Der Versicherte kann aber auch beide Leistungsbegehren im Verhältnis eines Haupt‑ und eines Eventualbegehrens verbinden. Die Verknüpfung des auf Gewährung beruflicher Rehabilitation gerichteten Hauptbegehrens mit dem Eventualbegehren auf die Pensionsleistung entspricht der neuen Konzeption des Gesetzes des Vorrangs der Rehabilitation vor der Pension, wie er in der negativen Anspruchsvoraussetzung des § 254 Abs 1 Z 1 ASVG idF der 75. ASVG‑Novelle, BGBl I 2010/111, zum Ausdruck kommt. Auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nach dem mit der 75. ASVG‑Novelle eingefügten § 253e ASVG hat der Versicherte einen Rechtsanspruch, wenn er die Voraussetzungen hiefür erfüllt. Werden berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nach § 253e ASVG gewährt, so gebührt Übergangsgeld ab dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) für die Leistungsfeststellung (§ 306 Abs 1 letzter Satz ASVG idF 76. ASVG‑Novelle, BGBl I 2011/122, der in dieser Fassung rückwirkend mit 1. 1. 2011 in Kraft getreten ist [§ 663 Abs 1 Z 3 ASVG]).

5. Stellt sich im sozialgerichtlichen Verfahren ‑ so wie hier ‑ heraus, dass der Kläger invalid (§ 255 ASVG) ist, so muss das Sozialgericht von Amts wegen das Vorliegen der negativen Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 1 ASVG prüfen, wenn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Invaliditätspension (§ 254 Abs 1 Z 2 bis 4 ASVG) erfüllt sind. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss der Pensionsversicherungsträger nicht behaupten, dass der Kläger Anspruch auf berufliche Rehabilitation hat und die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar sind. Denn diese Umstände vernichten nicht den Anspruch auf die Pension, sondern ihr Vorliegen hindert das Entstehen des Pensionsanspruchs. Die zur Rechtslage vor der Neufassung des § 254 Abs 1 Z 1 ASVG durch die 75. ASVG‑Novelle ergangene Rechtsprechung (10 ObS 53/02w, SSV‑NF 16/24; RIS‑Justiz RS0113173 [T7]), wonach der Pensionsversicherungsträger, der im Anstaltsverfahren dem Versicherten eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation nicht angeboten hat, im Gerichtsverfahren den Einwand, der Versicherte wäre rehabilitierbar, nicht mehr erheben kann, ist deshalb überholt.

6. Hängt die Entscheidung von der Beantwortung der Frage des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 1 ASVG ab, so hat das Gericht diese mit den Parteien zu erörtern. Wenn der Pensionsversicherungsträger zugesteht, dass ein Anspruch des Klägers auf berufliche Rehabilitation nicht besteht oder solche Maßnahmen nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind, bedarf es keiner weiteren Prüfung der Anspruchsvoraussetzung.

7. Können sich die Parteien auf von der beklagten Partei zu gewährende, den Anforderungen des § 253e Abs 2 ASVG genügende, zweckmäßige und zumutbare Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht einigen, so ist dem Versicherungsträger vom Gericht eine angemessene Frist zur Prüfung der Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation durch ihn einzuräumen. Die Durchführung dieses Berufsfindungsverfahrens ist Sache des beklagten Versicherungsträgers (vgl § 305 ASVG), nicht eines berufskundlichen Sachverständigen, der ein Beweismittel ist. Es ist zudem in der Regel wohl nur der Versicherungsträger in der Lage, die Durchführbarkeit der für den Versicherten in Frage kommenden Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zu beurteilen, sodass sie ihm diese anbieten kann. Die in angemessener Zeit zu erzielenden Ergebnisse eines Berufsfindungsverfahrens sind dem Kläger und dem Gericht bekanntzugeben, das das Verfahren fortzusetzen hat. Im fortgesetzten Verfahren hat die beklagte Partei alle geplanten Maßnahmen konkret zu bezeichnen, denn nur so kann der Kläger zu deren Eignung, Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit Stellung nehmen und das Gericht diese Fragen im Streitfall prüfen.

8. Sind sich die Parteien über den Bestand des Anspruchs auf berufliche Rehabilitation, die zu gewährenden Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit zwar einig oder ist all dies Ergebnis des Beweisverfahrens, kann der Prozess aber nur durch Urteil beendet werden, so ist dem Kläger Gelegenheit zu geben (§ 182a ZPO), ein bislang noch nicht erhobenes Begehren auf Gewährung der konkreten Maßnahmen zu stellen. Tut er dies, hält er aber am Pensionsbegehren als Hauptbegehren fest, so ist das Pensionsbegehren abzuweisen und dem Rehabilitationsbegehren stattzugeben. Erhebt er letzteres aber überhaupt nicht, so ist der Prozess mit der Abweisung des Pensionsbegehrens zu beenden. Eine Verurteilung des Pensionsversicherungsträgers zur Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation ohne Urteilsantrag des Klägers ist nicht zulässig. Es bedarf zwar nicht der Zustimmung des Versicherten zur Einleitung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durch den Pensionsversicherungsträger (§ 305 ASVG; 10 ObS 45/00s, SSV‑NF 14/30), ihm kann aber mit Urteil nicht etwas zugesprochen werden, was er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht beantragt hat (§ 405 ZPO; 10 ObS 48/98a, SSV‑NF 12/26). Gegenüber dem Pensionsbegehren ist ein Begehren auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen kein bloßes minus. Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Es hätte aber die Klage nicht abweisen dürfen. Es hat ‑ wie der Kläger zu Recht rügt ‑ nicht beachtet, dass die Anleitungspflicht des § 182a ZPO insofern als erweitert angesehen wird, als nun auf ein verfehltes Klagebegehren, das nicht dem offenkundig verfolgten Rechtsschutzziel der Partei entspricht, aufmerksam zu machen und dem Kläger Gelegenheit zu geben ist, sein Klagebegehren auch dann zu ändern, wenn dies eine Klageänderung bildet (10 Ob 46/11d; RIS‑Justiz RS0120057). In Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG bedarf die Klagsänderung nicht der Zustimmung des Versicherungsträgers (§ 86 ASGG). Das Erstgericht hat aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung, dass alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Invaliditätspension erfüllt seien, die gebotene Erörterung des Klagebegehrens unterlassen. Das Berufungsgericht hätte daher das Urteil des Erstgerichts aufheben müssen, damit dem Kläger Gelegenheit zur Verbesserung seines nach Beurteilung des Berufungsgerichts verfehlten Klagebegehrens gegeben wird. Denn es durfte nicht davon ausgehen, dass der invalide Kläger sich damit abfinden wollte, gar keine Leistung zu erhalten, wenn ihm die begehrte Pensionsleistung nicht zugesprochen wird.

9. Es ist daher eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen unumgänglich. Wenn im fortgesetzten Verfahren strittig ist, ob der Kläger rehabilitierbar ist, wird das Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien wie unter Punkt 7. dargelegt vorzugehen haben. Vor einer Abweisung des Pensionsbegehrens ist dem Kläger Gelegenheit zu einer Klagsänderung zu geben. Begehrt der Kläger auch die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, dann hat ein stattgebendes Urteil die von der beklagten Partei zu gewährenden geeigneten, für zweckmäßig und zumutbar erkannten Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation konkret zu bezeichnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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