Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Dem Kläger wurde anlässlich der einvernehmlichen Beendigung seines Dienstverhältnisses zum 30. 4. 1991 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine nach dem Verbraucherpreisindex 1986 gesicherte Betriebspension zugesagt, ohne dass für den Fall einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Widerrufs-, Anpassungs- oder Kündigungsmöglichkeit vereinbart worden wäre. Die Beklagte, eine ausschließlich die bestehenden Betriebspensionsverpflichtungen verwaltende Genossen-schaft mbH in Liquidation, ersuchte den Kläger im Jahr 2010, einer Kürzung seiner monatlichen Ansprüche um 12 % zuzustimmen, weil die zur Deckung vorgesehenen Werte durch die Finanzkrise dezimiert worden seien. Da der Kläger dies ablehnte, nahm und nimmt sie die Kürzungen einseitig vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen erachteten das Begehren des Klägers auf Zahlung der Differenz und Feststellung der Auszahlungspflicht der Beklagten in voller Höhe als berechtigt. Dazu zeigt die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Dass der Beklagten keine vertragliche Änderungsmöglichkeit zusteht, bestreitet sie in der Revision nicht. Sie meint aber, in Analogie zu § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG und § 84 Abs 3 Z 6 AktG sei ihre Pflicht zur Gläubigergleichbehandlung bereits in das Stadium der materiellen Insolvenz vor dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorzuverlagern. Insolvenzrechtlich (§ 30 Abs 1 IO) bestehe das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung überdies schon im Stadium der drohenden Insolvenz (1 Ob 156/05f), sodass sie zur gleichmäßigen Kürzung aller Pensionsansprüche berechtigt sei.
Der Beklagten kann zugestanden werden, dass der Normzweck des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG und des § 84 Abs 3 Z 6 AktG darin liegt, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Allerdings wurde von ihr keine Insolvenzreife dargetan:
Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung (§§ 66, 67 IO). Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO liegt vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann (RIS-Justiz RS0064528, RS0052198). Im Hinblick auf den Überschuldungstatbestand des § 67 IO führt eine „buchmäßige Überschuldung“ (negatives Eigenkapital) nicht automatisch zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, vielmehr ist eine Fortbestehensprognose anzustellen (vgl Dellinger in Konecny/Schubert, KO § 67 Rz 26 ff).
Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass die negative Entwicklung auf den Finanzmärkten seit 2009 zu erheblichen Verlusten und Ertragsminderungen aus den Veranlagungen und Werten zur Deckung der Pensionsansprüche geführt habe, auf Dauer bei Beibehaltung der bisherigen Pensionshöhe die Erfüllung der Pensionsverpflichtungen gefährdet sei (AS 24), und dass seit 2006 im Jahresabschluss ein negatives Eigenkapital ausgewiesen werde (AS 25). Alleine daraus kann aber nicht auf eine aktuell bestehende Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO geschlossen werden. Zu bedenken ist, dass es dafür nicht auf die der Höhe nach ungewisse Gesamtforderung der achtzehn Pensionsberechtigten ankommen kann, weil die Fälligkeit immer nur monatlich für die einzelnen Zahlungsansprüche eintritt. Ab wann und in welchem Umfang deren Erfüllung gefährdet ist, wurde aber nicht vorgebracht und lässt sich aufgrund der nicht vorhersehbaren Lebensdauer der Pensionsberechtigten sowie aufgrund der unbekannten Entwicklung des Finanzmarkts und des Verbraucherpreisindex aus der Aktenlage auch nicht erschließen. Auch der mögliche Eintritt einer Überschuldung iSd § 67 IO (negatives Eigenkapital, negative Fortbestehensprognose) wurde nicht näher konkretisiert. Begleicht die Beklagte jeden Monat die fällig gewordenen Ansprüche gleichermaßen, ist ihr aber nicht vorzuwerfen, einzelne Gläubiger zu bevorzugen oder zu benachteiligen (vgl RIS-Justiz RS0064185). Auf die Erwägungen der Beklagten zu § 30 Abs 1 IO - 60-tägige Vorverlagerung der Gleichbehandlungspflicht vor Eintritt der Insolvenz - kommt es danach nicht an.
Die Beklagte versucht weiter, die Kürzung auf eine analoge Anwendung des Pensionskassengesetzes und insbesondere auf die in § 48 Abs 2 PKG vorgesehene Möglichkeit, die Leistungspflichten anzupassen, zu stützen, weil sie de facto lediglich Pensionskassengeschäfte ausübe.
Eine Analogie zu dieser Bestimmung kommt aber nicht in Betracht, weil eine Pensionskasse nach dem gesetzlichen Konzept ein vom Arbeitgeber verschiedener Rechtsträger zu sein hat und Errichtung und Betrieb einer Pensionskasse besonderen gesetzlichen Anforderungen, insbesondere bezüglich der Rechtsform, der Beteiligungsmöglichkeiten, der Eigenmittelausstattung und der Konzessionierung (§§ 6 ff PKG) unterliegen, die bei der Beklagten nicht gegeben sind. Da dem Arbeitnehmer dann, wenn die Pensionskasse iSd § 48 Abs 2 PKG zur Anpassung ihrer Leistungsverpflichtungen berechtigt ist, für den noch ausstehenden Teil des Deckungserfordernisses ein Anspruch aus einer direkten Leistungszusage des Arbeitgebers entsteht (§ 48 Abs 3 PKG; s dazu Schima in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar Kap VII Rz 68; Schrammel, BPG 63), wäre für einen solchen Fall mit einer analogen Anwendung des § 48 Abs 2 PKG auch nichts gewonnen. Der von der Beklagten angestrebte teilweise Entfall ihrer Leistungspflicht würde damit gerade nicht erreicht.
Da die Revision daher insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.
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