OGH 1Ob258/12s

OGH1Ob258/12s31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** W*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 117.650 EUR sA und Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. November 2012, GZ 11 R 162/12t‑102, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Mai 2012, GZ 4 Cg 32/09v‑98, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00258.12S.0131.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der Revisionswerber der Beklagten vorwirft, das Krankenhauspersonal sei der ärztlichen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, weil der Kläger mit hohem Fieber und schlechtem Allgemeinzustand gegen seinen Willen heimgeschickt wurde und mit ihm nicht einmal ein Termin für eine Nachkontrolle vereinbart wurde, obwohl derartige Nachkontrollen erforderlich sind, um einen ordnungsgemäßen Behandlungsverlauf sicherzustellen, übersieht sie, dass der Kläger wegen Rückenschmerzen und Schmerzen in der linken Schulter in der neurochirurgischen Abteilung einer Krankenanstalt der Beklagten in stationärer Behandlung gewesen ist. Im Hinblick auf eine allfällige einschlägige Nachbehandlung wurde ihm empfohlen, eine ambulante MRT‑Kontrolle durchführen zu lassen und einen Orthopäden aufzusuchen. Weiters wurde ihm gesagt, er könne jederzeit wieder ins Spital kommen oder zu seinem Hausarzt gehen, wenn er ein Problem habe. Eine neurochirurgische (oder neurologische) Nachbehandlung in der Krankenanstalt kam im Zusammenhang mit dem beim Kläger seit einigen Tagen aufgetretenen Fieber naheliegenderweise nicht in Betracht.

Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang weiter darauf hinweist, sein Fieber und der schlechte Allgemeinzustand seien bestehen geblieben, obwohl er 14 Infusionen erhalten hat, missachtet er, dass die Infusionen zur Linderung der Schmerzen eingesetzt wurden, die der Kläger schon viele Tage vor erstmaligem Auftreten des Fiebers gehabt hatte. Einen schlechten Allgemeinzustand am Tag der Entlassung haben die Vorinstanzen nicht festgestellt, lediglich eine Körpertemperatur von 38,2 °C.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, das medizinische Krankenhauspersonal habe es pflichtwidrig unterlassen, dem Kläger bei seiner Entlassung am 25. 10. 2005 die Empfehlung zu geben, er solle sich bei Verschlechterung seines Zustands oder bei Weiterbestehen des Fiebers umgehend an seinen Hausarzt wenden, mag im Einzelfall ‑ bei wenig verständigen Patienten ‑ berechtigt sein. Im Allgemeinen ist eine solche ausdrückliche Belehrung aber nicht erforderlich, weil ein Wissen um diese Möglichkeit und ausreichende Einsicht vorausgesetzt werden können.

2. Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob der angenommene Aufklärungs‑ bzw Beratungsfehler des medizinischen Personals der Krankenanstalt kausal für die späteren Gesundheitsschäden des Klägers war, erörtert der Revisionswerber ‑ in Auseinandersetzung mit den Argumenten des Berufungsgerichts ‑ in erster Linie Fragen der Beweislastverteilung im Hinblick auf nicht oder nur schwer aufklärbare Umstände des Krankheitsverlaufs.

Er übersieht aber dabei offenbar, dass es in einem ersten Schritt um die Frage geht, wie er sich bei ausreichender Aufklärung verhalten hätte und ob sich durch seine in Unkenntnis des medizinisch gebotenen Verhaltens tatsächlich gewählte Vorgangsweise die Gesundheitsgefahr gegenüber dem hypothetischen Geschehnisablauf erhöht hat (vgl dazu nur RIS‑Justiz RS0026768 [T6, T8]). Nach dem eigenen ‑ nie geänderten ‑ Prozessvorbringen des Klägers habe er bereits zwei Tage nach der Entlassung wegen seines sehr schlechten Allgemeinzustands den Hausarzt aufgesucht, der ihm sofort empfohlen habe, wieder das Krankenhaus aufzusuchen, wozu er aber nicht mehr in der Lage gewesen sei. Er habe es auch unterlassen, die Rettung anzurufen, weil er angenommen habe, im Krankenhaus „wieder rausgeschmissen“ zu werden. Dafür, dass er sich anders verhalten hätte, wenn ihm empfohlen worden wäre, sich bei Verschlechterung seines Zustands oder bei Weiterbestehen des Fiebers umgehend an seinen Hausarzt zu wenden, gibt es keine Behauptungen. Vielmehr hätte er demnach ‑ wenn auch offenbar aus eigener Einsicht ‑ ohnehin das Richtige getan, nämlich sich aufgrund der Verschlechterung seines Allgemeinzustands zum Hausarzt zu begeben, dem es oblegen wäre, zweckmäßige Empfehlungen für die Abklärung und Behandlung zu erteilen.

Die in der Revision angestellten Erörterungen zu Beweislastfragen sind somit für den vorliegenden Fall auch dann nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, wenn man von einem Beratungsfehler ausgeht.

3. Auch die Auffassung des Klägers, er hätte in seinem Zustand überhaupt nicht aus dem Spital nach Hause geschickt werden dürfen, ist angesichts der Feststellungen der Vorinstanzen unrichtig. Danach waren keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Ursache des mehrtägigen Fiebers erkennbar und es bestand insbesondere kein Anlass, von einer beginnenden Sepsis auszugehen. Die Ärzte führten das Fieber auf einen grippalen Infekt zurück, wobei eine solche Schlussfolgerung aufgrund der Laborwerte durchaus „zulässig“ war.

Gab es aber keine Anhaltspunkte für die Ursache des Fiebers, kann den Ärzten mangels spezifischer Umstände nicht zum Vorwurf gemacht werden, eine typische und häufige Ursache, nämlich einen grippalen Infekt, angenommen zu haben, für dessen Beobachtung und Behandlung die Betreuung durch einen Hausarzt regelmäßig ausreicht. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann keineswegs der allgemeine Rechtssatz aufgestellt werden, dass schon deshalb die Nichterfüllung oder Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags anzunehmen ist, weil ein Patient das Krankenhaus als Kranker betrat und als Kranker (mit einer neu zugezogenen Infektion) wieder verließ. Dass der Kläger bereits einige Tage vor seiner Entlassung an Fieber litt und sogar kollabiert war, ist angesichts der Feststellung nicht von Bedeutung, dass auch angesichts des bisherigen Krankheitsverlaufs medizinisch kein Anlass dafür bestand, eine beginnende Sepsis anzunehmen. Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Kläger die Sepsis und deren Gesundheitsfolgen durch eine im Krankenhaus erworbene Infektion zugezogen hat, mussten doch die Ärzte angesichts seines Gesundheitszustands und der Laborwerte mit einer Sepsis (im Anfangsstadium) nicht rechnen und bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Infektion durch ein Fehlverhalten des Krankenhauspersonals zugefügt worden wäre.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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