OGH 6Ob13/13z

OGH6Ob13/13z31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** P*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Philipp Mödritscher und Mag. Emil Kelih, Rechtsanwälte in Hermagor, wegen 20.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 12.000 EUR), über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2012, GZ 7 R 32/12y‑26, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. April 2012, GZ 50 Cg 42/11s‑22, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.821,24 EUR (darin 303,54 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts sind weder die ordentliche Revision noch der Rekurs der Beklagten zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Haftung eines Schiliftunternehmens im Kartenverbund.

1. Die Beklagte und zwei weitere Schiliftbetreiber im Schigebiet N***** haben sich zu einem Kartenverbund zusammengeschlossen und treten den Kunden gegenüber als Einheit auf. Die ausgegebenen Schiliftkarten der drei Unternehmen unterscheiden sich nicht; für die Kunden ist nicht erkennbar, mit welchem der drei Unternehmen sie kontrahieren. Der Kläger erwarb eine derartige Karte in einem Hotel am N*****.

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Frage, wer aus einem Beförderungsvertrag für die mangelhafte Pistensicherung im Gebiet eines Verbundes an Schigebieten haftet, nicht abstrakt beantwortet werden kann. Entscheidend ist, mit wem der Vertrag über die Nutzung der Beförderungsanlagen geschlossen wurde. Das kann eines der Seilbahnunternehmen, das können aber auch mehrere oder alle Unternehmen oder eine zum Betrieb des Kartenverbundes gegründete Gesellschaft sein. Mit wem der Vertrag zustande kam, ist dabei nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Nach der auch insofern anwendbaren Lehre vom objektiven Empfängerhorizont ist maßgebend, wen der Kunde für seinen Vertragspartner halten musste. Wenn Mitarbeiter offenkundig im Namen eines bestimmten Unternehmens handeln, berechtigen und verpflichten sie grundsätzlich den jeweiligen Unternehmensträger. Im Regelfall ist daher anzunehmen, dass der Erwerb von Schiliftkarten bei einem bestimmten Seilbahnunternehmen zu einem Vertragsverhältnis (nur) mit diesem Unternehmen führt. Der Wille, (ganz oder teilweise) im Namen eines anderen Unternehmens zu handeln, müsste ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen erkennbar sein; im Zweifel ist ein Eigengeschäft des Handelnden ‑ hier des Unternehmens, dessen Liftkarten zum Befahren des gesamten Schigebiets berechtigen ‑ anzunehmen (4 Ob 251/06z SZ 2007/1 = ZVR 2008/44 [ Reindl/Stabentheiner , 98]). Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung auf die Grundsätze dieser Rechtsprechung gestützt. Seine daraus abgeleitete Bejahung einer Haftung der Beklagten ist durchaus vertretbar.

1.2. Dass der Kläger die Schiliftkarte in einem Hotel erworben hat, ändert angesichts der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nichts. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet, dass tatsächlich ein Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Hotelbetreiber zustandegekommen wäre; sie hat lediglich auf die ihrer Ansicht nach bestehende Wegehalterhaftung eines anderen Schiliftunternehmens verwiesen.

1.3. Dass die Beklagte nach dem Unfall, aber noch vor Einleitung dieses Verfahrens dem Kläger ein anderes Schiliftunternehmen als verantwortlicher Wegehalter hinsichtlich der konkreten Unfallstelle bekannt gegeben hat, ist ebenso unbeachtlich. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits erwähnten Entscheidung ausdrücklich festgehalten, dass die „eindeutige“ Offenlegung eines Handelns für ein anderes Unternehmen „vor Erwerb der Liftkarte“ zu erfolgen hat.

2. Der Kläger kam zu Sturz (und verletzte sich dabei), weil die an sich gut präparierte Schipiste unter ihm einbrach, als er zu einem Schwung ansetzte, wodurch er regelrecht nach vorne ausgehoben wurde. Der Einbruch erfolgte aufgrund einer unterhalb der präparierten Schipiste verlaufenden 2 m breiten und 40 cm tiefen Wasserrinne, in welcher sich aufgrund Regens und Tauwetters Wasser unterhalb der Schneedecke gebildet hatte; dadurch war es zu einer Aushöhlung gekommen. Diese Aushöhlung war optisch weder für den Kläger noch den Pistendienst erkennbar; dazu müssten von letzterem flächendeckende Sondierungen durchgeführt werden, welche auf touristisch genutzten Pisten weder üblich noch möglich sind, zumal dies einen Arbeitsaufwand von einer Stunde pro Pistenkilometer erfordern würde. Die Wasserrinne leitet Oberflächenwasser von einem am Pistenrand gelegenen Parkplatz ab und ist dem von der Beklagten als Wegehalter bezeichneten Schiliftunternehmen bekannt. Ingesamt gibt es am N***** etwa 400 derartige Wasserrinnen; eine Verpflichtung zur Verrohrung von Wasserrinnen besteht nicht.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedeutet die den Pistenhalter treffende Pistensicherungspflicht zwar nicht die Verpflichtung, den Schifahrer vor jeder möglichen Gefahr zu schützen, die ihm von der Piste her droht, würde doch eine solche Forderung dem Pistenhalter unerträgliche Lasten aufbürden, die in keinem vertretbaren Verhältnis zum Schutzeffekt stünden; eine vollkommene Verkehrssicherung ist weder auf Skipisten noch sonstwo zu erreichen. Allerdings sind der Pistenhalter und seine Leute zur Ergreifung entsprechender Schutzmaßnahmen nur dann verpflichtet, wenn den Skifahrern atypische, also solche Gefahren drohen, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet auftreten oder schwer abwendbar sind. Das gilt jedenfalls für solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen oder die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Für die Art und den Umfang der Pistensicherungspflicht ist das Verhältnis zwischen Größe und Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihre Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Pistenbenützers und andererseits durch den Pistenhalter mit den nach der Verkehrsanschauung adäquaten Mitteln maßgebend (vgl statt vieler 1 Ob 41/00m; 1 Ob 246/02m ‑ je mit weiteren Nachweisen).

2.2. Das Berufungsgericht hat sich an den Grundsätzen dieser Rechtsprechung orientiert. Die Annahme einer ‑ grundsätzlichen ‑ Haftung der Beklagten für die vom Kläger erlittenen Unfallsfolgen begegnet allein schon deshalb keinen Bedenken, war doch die atypische Gefahrenquelle nach den Feststellungen der Vorinstanzen optisch weder für den Kläger noch für den Pistendienst erkennbar; dem für die konkrete Unfallstelle verantwortlichen Wegehalter war allerdings die Existenz derartiger Wasserrinnen bekannt. Hingegen muss ein eine gut präparierte Piste benutzender Schifahrer nicht damit rechnen, dass bei Ansetzen eines Schwungs plötzlich die Piste unter ihm einbricht. Für ein derartiges Ereignis hat vielmehr der Schiliftbetreiber (der mit dem Schifahrer ja einen entgeltlichen Vertrag abgeschlossen hat) jedenfalls dann einzustehen, wenn der Einbruch keine natürliche Ursache hatte, sondern auf Baumaßnahmen des Schiliftbetreibers zurückzuführen war.

3. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Weder der Revison noch dem Rekurs der Beklagten war somit ein Erfolg beschieden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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