OGH 1Ob221/12z

OGH1Ob221/12z31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** W*****, vertreten durch Mag. Herbert Juri und Mag. Thomas Schuster, Rechtsanwälte in Wolfsberg, gegen die beklagte Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Antrags auf Übergabe eines Bestandgegenstands, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. September 2012, GZ 1 R 234/12z-14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 14. Juni 2012, GZ 4 C 2458/11g-10, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.023,16 EUR (darin enthalten 304,56 EUR USt und 194 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum einer Liegenschaft und der Beklagte schlossen am 28. 4. 1992 einen Bestandvertrag, der auszugsweise lautete:

II.

Das Bestandverhältnis beginnt am 1. 5. 1992 und wird auf die Dauer von zehn Jahren unkündbar für beide Teile abgeschlossen ...

IV.

Die Bestandgabe erfolgt zum Zweck der Betreibung eines Kfz-Handels. Der Bestandnehmer ist berechtigt, auf dem Bestandobjekt bauliche Anlagen, die er zur Betreibung seines KFZ-Handels benötigt, zu errichten, sofern den Bauvorhaben keine baubehördlichen Hindernisse entgegenstehen ...

Allenfalls vom Bestandnehmer zur Betreibung des Kfz-Handels errichtete bauliche Anlagen können am Grundstück verbleiben, sofern eine Einigung über den Übernahmspreis erzielt werden kann, widrigenfalls sie vollständig zu entfernen sind ...

VIII.

Eine Abänderung dieses Vertrags oder Zusätze davon haben schriftlich zu erfolgen ... .

Der Beklagte beabsichtigte, auf der gemieteten Liegenschaft einen Handel mit Kfz zu betreiben und das dafür nötige Gebäude auf seine Kosten zu errichten. Kurz nach Abschluss des Bestandvertrags ersuchte er, aufgrund seiner hohen Investitionen dessen Dauer zu verlängern. Am 1. 10. 1993 unterschrieben die Bestandgeberin und der Beklagte einen Bestandvertrag, der in den Punkten II., IV. und VIII. - ausgenommen folgende Änderungen - jenen des ersten Vertrags glich: In Punkt II. wurde das Wort „zehn“ durch die Zahl „20“ ersetzt. Punkt IV. wurde ab seinem zweiten Absatz dahin geändert, dass die Bestandgeberin die Errichtung einer Autoverkaufshalle durch den Bestandnehmer und dessen beabsichtigte Investitionen von ca 5 Mio S zur Kenntnis nahm und sich unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtete, die Investitionen des Bestandnehmers abzulösen. Punkt VIII. enthält Folgendes:

In diesem Zusammenhange wird festgehalten, dass die Vertragsparteien bereits eine Vertragsurkunde errichtet haben, in der eine Bestandsdauer von zehn Jahren vereinbart war. Dieser Vertrag und die darin enthaltenen Bestimmungen werden ausdrücklich aufgehoben und wurde der vorliegende gegenständliche Vertrag zur Neuordnung des Bestandverhältnisses geschlossen.

Am 8. 11. 2011 stellte der Kläger den Antrag auf Erlassung eines Übergabsauftrags nach § 567 ZPO. Das Bestandverhältnis habe am 1. 5. 1992 begonnen und sei auf 20 Jahre befristet abgeschlossen worden. Es ende daher ohne Aufkündigung am 30. 4. 2012.

In seinen Einwendungen gegen den Übergabsauftrag behauptete der Beklagte, im Bestandvertrag, der dem MRG unterliege, sei nach der Absicht der Parteien nur ein Kündigungsverzicht für 20 Jahre, nicht aber eine Beendigung durch Zeitablauf vereinbart worden. Der Bestandvertrag enthalte weder einen Endtermin noch die Formulierung, dass das Bestandverhältnis ende, ohne dass es einer Aufhebung bedürfe.

Das Erstgericht erklärte den Übergabsauftrag für rechtswirksam. Die Parteien hätten mit dem am 1. 10. 1993 unterfertigten Vertrag wirksam eine Befristung des Bestandverhältnisses auf 20 Jahre vereinbart. Daran ändere nichts, dass der Vertrag die Wortfolge „der Vertrag erlischt, ohne dass es einer Kündigung bedarf“ nicht enthalte.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es den Übergabsauftrag aufhob. Würden wie hier Grundflächen zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Geschäftszwecken vermietet und das geplante Gebäude in der Folge tatsächlich errichtet, sei die Flächenmiete der Raummiete gleichgestellt und das MRG anzuwenden. Erst die WRN 2000 habe die Rechtslage über die rechtswirksame Befristung von Mietverträgen (§ 29 MRG) dahingehend geändert, dass seit dem 1. 7. 2000 jede Befristung bei Geschäftsraummieten ohne zeitliche Ober- oder Untergrenze zulässig sei. Nach der im Zeitpunkt der Vereinbarung maßgeblichen Rechtslage sei eine Befristung jedoch nicht durchsetzbar.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die ständige, im Revisionsverfahren nicht umstrittene Rechtsprechung unterstellt im Weg der Analogie die Vermietung einer Grundfläche zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Wohn- oder (hier) Geschäftszwecken (im folgenden Text auch: „Superädifikatsfälle“) aufgrund der gleich gelagerten Schutzbedürftigkeit des Mieters dem MRG (RIS-Justiz RS0069261 [T3]; 10 Ob 62/11g = immolex 2012/96, 310 [Cerha]).

§ 1 Abs 2 Z 5 MRG idF der WRN 2001 nimmt Mietverträge über sogenannte „Ein- und Zweiobjekthäuser“ zur Gänze vom Anwendungsbereich des MRG aus (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohrecht22 § 1 MRG Rz 52). Diese - für die „Superädifikatsfälle“ in der Praxis besonders interessante (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 1 MRG Rz 55a mwN) - Bestimmung gilt aber nur für nach dem 31. 12. 2001 geschlossene Mietverträge (§ 49d Abs 2 MRG; 10 Ob 62/11d mwN) und ist auf den hier zu beurteilenden, im Oktober 1993 geschlossenen Vertrag nicht (analog) anzuwenden.

Maßgeblich für die Beurteilung einer nach dem MRG wirksamen Befristung des im Oktober 1993 geschlossenen Vertrags ist die Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses (§ 49a Abs 1 MRG; RIS-Justiz RS0106017), was die Parteien ebenfalls nicht bezweifeln.

Nach der (gegenüber der Stammfassung nicht veränderten) Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG in der hier anzuwendenden Fassung des 2. WÄG, BGBl 1991/68, wurde ein Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst, wenn in einem Hauptmietvertrag über einen nach dem 31. 12. 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Mietgegenstand oder über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen (§ 1 Abs 4 Z 2) schriftlich vereinbart worden war, dass er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlösche (Würth/Zingher, Miet- und Wohrecht21, 330 f).

Im Revisionsverfahren ist ausschließlich noch strittig, ob a) die erste Variante dieses Befristungstatbestands deshalb nicht (analog) anzuwenden ist, weil es sich um Geschäftsräumlichkeiten handelt, und b) schriftlich eine Befristung vereinbart wurde.

Die vom Berufungsgericht vertretene Einschränkung der Anwendbarkeit des § 29 Abs 1 Z 3 lit a erster Fall MRG aF auf Mietverträge über Wohnungen widerspricht aber nicht nur dem Wortlaut der zitierten Bestimmung („Mietgegenstand“), sondern auch der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 560/94 = SZ 67/179 = wobl 1996/86 [Würth]; 3 Ob 556, 557/95; 4 Ob 2273/96k = SZ 69/239 je mwN). In der Lehre vertreten Würth (in Rummel 2 § 29 MRG Rz 6), Schuster (in Schwimann² IV § 29 MRG Rz 16), Tonkli (Der Zeitmietvertrag, Gnadenschuß vertraglicher Privatautonomie, ecolex 1993, 804 ff) und Prader/Kuprian (Zeitmietverträge - Zulässige Befristung und Durchsetzbarkeit im Anwendungsbereich des MRG, AnwBl 1998, 367 ff) die Meinung, dass dieser (mit dem 3. WÄG in § 29 Abs 1 Z 3 lit a zweiter Fall MRG aF übernommene) Befristungstatbestand nicht nur auf Wohnungen Anwendung findet. Die von T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch aaO § 16 MRG Rz 27) vertretene Ansicht, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 3. WÄG hätte ein Hauptmietvertrag über einen als Geschäftsräumlichkeit genutzten Bestandgegenstand, an dem Wohnungseigentum nicht bestanden habe, nur unbefristet abgeschlossen werden können, wird nicht näher begründet. Die zu RIS-Justiz RS0109492 dokumentierten Entscheidungen 1 Ob 62/98v und 1 Ob 280/98b sind für die Frage der Zulässigkeit der Befristung nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a erster Fall MRG nicht einschlägig. Die erste Entscheidung bezieht sich auf § 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG, der in der Fassung des 3. WÄG den befristeten Abschluss eines Hauptmietvertrags über eine als Geschäftsräumlichkeit genutzte sonstige Räumlichkeit, an der Wohnungseigentum bestand, ohne zeitliche Beschränkung zuließ (siehe Gesetzestext bei Vonkilch in Hausmann/Vonkilch aaO § 29 MRG 4 f; Würth/Zingher aaO 332). Die zweite Entscheidung befasst sich mit der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 2 MRG, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Mietverträge betrifft.

Die Judikatur lässt für die schriftliche Vereinbarung einer Befristung nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG jede Formulierung genügen, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann. Demnach ist ausreichend, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt wurde (RIS-Justiz RS0070201). Ein ausdrücklicher Hinweis auf das Erlöschen des Mietvertrags ohne Kündigung ist nicht notwendig (vgl RIS-Justiz RS0070201 [T1]).

Nach dem Wortlaut des Bestandvertrags begann das Bestandverhältnis am 1. 5. 1992 und wurde auf die Dauer von 20 Jahren unkündbar für beide Teile abgeschlossen. Diese Regelung wird von beiden Parteien unterschiedlich interpretiert. Der Kläger sieht darin eine Befristung auf 20 Jahre, der Beklagte hingegen den Verzicht auf eine Kündigung eines ansonsten unbefristet geschlossenen Bestandvertrags. Dieser Unterschied ist relevant, weil ein beidseitiger Kündigungsverzicht zwar für den festgelegten Zeitraum wie eine Befristung wirkt, den Bestandvertrag aber nicht zu einem befristeten macht (1 Ob 62/98v; 1 Ob 280/98b = MietSlg 50.541/47 = wobl 2001/83 [Vonkilch]).

Der Entscheidung 1 Ob 62/98v lag eine vertragliche Regelung zugrunde, nach welcher der Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren von beiden Vertragsparteien unkündbar geschlossen worden war und nach diesen fünf Jahren von beiden Vertragsparteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr aufgekündigt werden konnte. Die Entscheidung 1 Ob 280/98b betraf eine Vertragsbestimmung, nach der der Mietvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen wurde und der Vermieter für einen Zeitraum von 20 Jahren (mit bestimmten Ausnahmen) auf eine Kündigung des Mietverhältnisses verzichtete. In beiden Fällen ging der Oberste Gerichtshof vom Vorliegen eines unbefristeten Mietvertrags aus.

Vergleichbare Regelungen wurden hier nicht getroffen. Im Vertragstext ist von einem Abschluss auf unbestimmte Dauer nie die Rede. Bestimmungen über die Ausübung eines Kündigungsrechts nach Ablauf einer bestimmten Zeit finden sich ebenfalls nicht. Die Formulierung „auf die Dauer von ... Jahren unkündbar für beide Teile abgeschlossen ...“ ist so zu verstehen, dass eine bestimmte Vertragsdauer festgelegt und eine Möglichkeit zur vorzeitigen Auflösung ausgeschlossen werden sollten. Die Interpretation des Beklagten steht auch mit Punkt VIII. des zweiten Bestandvertrags, der auf die im ersten Bestandvertrag vereinbarte Bestandsdauer von zehn Jahren verwies, nicht in Einklang. Entgegen seiner Ansicht stellt somit der Wortlaut des zweiten Bestandvertrags eine Befristung des am 1. 5. 1992 begonnenen Bestandverhältnisses auf die Dauer von 20 Jahren und damit den Endtermin mit 30. 4. 2012 ausreichend klar.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Absicht der Parteien bei Abschluss der beiden Bestandverträge darauf gerichtet war, dass das erste Bestandverhältnis nach zehn Jahren beendet werde, mit dem zweiten Bestandvertrag kein unbefristetes Bestandverhältnis begründet werden und nur die Dauer von zehn auf 20 Jahre verlängert werden sollten. Der Beklagte bekämpfte diese Feststellungen in seiner Berufung. Das Berufungsgericht erledigte die Beweisrüge aber nicht, weil nach seiner, nicht zu teilenden rechtlichen Beurteilung eine Befristung bei Geschäftsräumlichkeiten jedenfalls ausgeschlossen gewesen wäre. Eine vom Wortlaut abweichende, auf den Abschluss eines unbefristeten Bestandvertrags mit einem Kündigungsverzicht auf 20 Jahre gerichtete subjektive Absicht der Parteien wäre aber unerheblich. Es kommt für die Frage der Wirksamkeit einer Befristung nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG nämlich nur darauf an, ob sie sich aus dem Wortlaut der Urkunde selbst ergibt (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, aaO § 29 MRG Rz 25 mwN).

Aufgrund der zulässigen Befristung des Bestandverhältnisses ist das Urteil des Erstgerichts, das den Übergabsauftrag für rechtswirksam erklärte, wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.

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