Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird gemäß § 78 EO in Verbindung mit § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der verpflichteten Partei ihr den Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen (§ 78 EO; § 508a Abs 2 Satz 2 iVm § 521a Abs 2 ZPO).
Text
Begründung
Mit Teilurteil des Handelsgerichts in Belgrad vom 18. Juni 2004, XX-P 3944/01, wurde die in Österreich ansässige beklagte (nun: verpflichtete) Partei verpflichtet, der klagenden (nun: betreibenden) Partei, die ihren Sitz in Serbien hat, einen Betrag von 96.760 EUR sA zu zahlen. Das serbische Gericht hat die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Teilurteils bestätigt.
Am 24. Februar 2012 stellte die betreibende Partei den Antrag, das Teilurteil gemäß § 79 Abs 2 EO für vollstreckbar zu erklären.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Zwischen Österreich und Serbien existiere kein einschlägiger Vollstreckungsvertrag iSd § 79 EO. Voraussetzung für eine Vollstreckbarerklärung in Österreich wäre die durch Staatsvertrag oder Verordnung verbürgte Gegenseitigkeit iSd § 79 Abs 2 EO. Eine Vollstreckbarerklärung des Titels komme daher nicht in Betracht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Partei nicht Folge. § 79 Abs 2 EO verlange für die Vollstreckbarerklärung neben der Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat die Verbürgung der Gegenseitigkeit aufgrund von Staatsverträgen oder Verordnungen. In Zivil- und Handelssachen existiere zwischen Österreich und Serbien (bzw dessen Rechtsvorgänger) kein einschlägiges Rechtsinstrument, aufgrund dessen die Gegenseitigkeit in qualifizierter Form verbürgt wäre. Dies bedeute, dass auf Basis der derzeitigen Gesetzeslage - dieser Umstand werde selbst auch von der betreibenden Partei attestiert - eine Vollstreckbarerklärung im vorliegenden Fall nicht in Betracht komme. Diese Gesetzeslage sei auch nicht bedenklich im Lichte der EMRK. Aus der EMRK ergebe sich nicht zwingend, dass jedes in einem Staat ergangene Urteil in jedem anderen Staat vollstreckbar sein müsse. Diese von der betreibenden Partei gewünschte Konsequenz würde das seit Jahrzehnten bestehende Gefüge internationaler Vollstreckungsinstrumente ad absurdum führen.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs bringt die betreibende Partei vor, dass ungeachtet des Nichtbestehens eines entsprechenden Staatsvertrags zwischen Österreich und Serbien eine Anerkennung des Teilurteils des Handelsgerichts Belgrad geboten sei. Serbien habe im Rahmen der Grenzen seiner Gerichtsbarkeit gehandelt; die Wiederholung des in Serbien bereits abgeschlossenen Verfahrens im Inland würde nur zusätzlichen und unnötigen Mehraufwand erzeugen. Aus Art 6 EMRK folge ein Anspruch eines Individuums auf Anerkennung und Vollstreckung seines Urteils in anderen Staaten. Wenn aufgrund des New Yorker Übereinkommens serbische Schiedssprüche in Österreich anzuerkennen seien, müsse dies entsprechend auch für Gerichtsurteile gelten.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 528 Abs 1 ZPO) dargestellt.
1. Nach § 79 Abs 2 EO sind „Akte und Urkunden … für vollstreckbar zu erklären, wenn die Akte und Urkunden nach den Bestimmungen des Staates, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind und die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge oder durch Verordnungen verbürgt ist“. Die betreibende Partei stellt - zu Recht - nicht in Zweifel, dass das Erfordernis der qualifiziert verbürgten Gegenseitigkeit im Verhältnis zwischen Österreich und Serbien nicht erfüllt ist.
2. Das Abstellen auf Gegenseitigkeit bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel in Vermögensangelegenheiten ist kein österreichisches Unikum (vgl etwa § 328 Abs 1 Z 5 dZPO). Rechtspolitisch mag es fragwürdig sein (anstatt vieler Czernich, Zu den Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung fremder Entscheidungen nach autonomem Recht [§ 79 EO], JBl 1996, 495 [497], und Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht5 [2010] Rz 43, 965 ff); der Gesetzgeber hält aber daran fest (für Österreich Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 79 EO Rz 1; für Deutschland Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6 [2007] 185). De lege ferenda ist eine Weiterentwicklung in Richtung Absehen vom Gegenseitigkeitserfordernis denkbar (Matscher, Grundfragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen, ZZP 103 [1990] 294 [318]), wie sie bei Schiedssprüchen aufgrund des New Yorker Übereinkommens schon gängig ist (Czernich, JBl 1996, 498).
3. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit verwehrt auch den effektiven Zugang zu Gericht nicht in einer grundrechtswidrigen Weise (siehe etwa Schütze in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2 [1984] 1753 oder Gottwald in MünchKomm ZPO3 [2008] § 328 Rz 113). Letztlich muss sich ein Kläger, der den Beklagten nicht in dessen Wohnsitzstaat (sondern beispielsweise im Klägerstaat) in Anspruch nimmt, bewusst sein, dass er die Nichtanerkennung der Entscheidung im Wohnsitzstaat des Beklagten riskiert (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht6 [2009] Rz 2909b).
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