OGH 3Ob195/12s

OGH3Ob195/12s19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KAPP Rechtsanwalts GmbH, Graz-Seiersberg, Feldkirchnerstraße 11, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der „C-*****“ ***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in Sankt Pölten, wegen 57.816,54 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Juli 2012, GZ 2 R 50/12h-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 21. November 2011, GZ 6 Cg 21/11a-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.019,60 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 336,60 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Jahr 2004 gewährte die beklagte Bank der Gemeinschuldnerin (GS) zwecks Realisierung ihres Unternehmensgegenstands (Liegenschaftsankauf und Errichtung, Betreibung und langfristige Vermietung eines einzigen Gewerbeobjekts) einen 2024 endfälligen Fremdwährungskredit über 2.510.000 EUR, der durch den monatlichen Aufbau eines Tilgungsträgers zurückgezahlt werden sollte. Basis der Finanzierungsvereinbarung waren die Annahmen, dass die GS - über die monatlichen Kreditaufwendungen (für Zinsen und für den Aufbau des Tilgungsträgers) von 8.916 EUR hinaus - keine laufenden Ausgaben haben und (nur) über sichere Einnahmen aus der langfristigen Vermietung an drei gut situierte, liquide Unternehmen (je 1 Lebensmittel-, Bekleidungs- und Drogeriemarkt) von monatlich 12.385 EUR netto verfügen werde. Die Zahlung der monatlichen Kreditaufwendungen sollte durch Abtretung der Bruttomietzinsforderungen der GS an die Beklagte erfolgen, weshalb „zur Sicherstellung und Abdeckung aller gegenwärtigen und in Zukunft einzuräumenden Kredite und Darlehen, Haftungen und Ausleihungen aller Art“ gleichzeitig mit dem Kreditvertrag ein entsprechender Zessionsvertrag abgeschlossen wurde. Als weitere Sicherheiten wurden ua Höchstbetragshypotheken im Gesamtausmaß von 2.000.000 EUR vereinbart. Das Projekt wurde - im Wesentlichen von der Beklagten finanziert - verwirklicht. Die von der Beklagten verständigten Mieter zahlten die Bruttomieten direkt auf ein Verrechnungskonto zum Kreditkonto, von dem sodann die monatlichen Kreditaufwendungen bedient wurden. Über ein verbleibendes Guthaben am Verrechnungskonto konnte die GS vereinbarungsgemäß verfügen und daraus Überweisungen tätigen, wovon sie Gebrauch machte. Nach unbestrittener Behauptung der Klägerin haftete schon am 31. Dezember 2006 eine USt-Schuld der GS von 139.990,41 EUR aus. Obwohl die Nettomieten stets höher als die Kreditaufwendungen waren, betrug der Negativsaldo des Verrechnungskontos zum 31. Dezember 2007 20.647,77 EUR. Ein Kontokorrentverhältnis vereinbarte die Beklagte mit der GS nicht. Im Jahr 2008 konnte die GS - mit einer Ausnahme - nur mehr über ein Guthaben am Verrechnungskonto verfügen; dessen Negativsaldo betrug zum 1. Jänner 2009 29.877,26 EUR und wurde durch die nach wie vor bestehende Differenz zwischen den Nettomieten und den Kreditaufwendungen zum 31. Dezember 2009 auf 474,67 EUR reduziert. Trotz des stets negativen Saldos des Verrechnungskontos führte die Beklagte über Veranlassung der GS im Jahr 2009 vereinzelt Überweisungen durch; eine einzige Überweisung von 176,40 EUR wurde verweigert. Alle weiteren Aufwendungen der GS, vor allem für die Behebung von Baumängeln und die Erfüllung von Bauauflagen, wurden von dritter Seite getragen. Im Konkursverfahren meldeten die Finanzbehörden ua Umsatzsteuer (USt) aus den Mieteinnahmen in den Jahren 2008 und 2009 von 57.816,53 EUR an. Die Republik Österreich hat der Klägerin alle ihr gegenüber der Beklagten zustehenden Schadenersatzforderungen abgetreten.

Die Klägerin begehrte zuletzt nur mehr den Ersatz jenes (an sie zedierten) Schadens, der der Abgabenbehörde durch Entgang der USt aus den Mieteinnahmen in den Jahren 2008 und 2009 entstanden sei, mit der Begründung, die Abtretung der Bruttomieten stelle einen sittenwidrigen Eingriff in das Forderungsrecht des Finanzamts betreffend USt gegenüber der GS dar und begründe eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten. Die GS sei wirtschaftlich - auch wegen der Hereinnahme übermäßiger Sicherheiten - de facto handlungsunfähig gewesen, was einer sittenwidrigen Knebelung gleichkomme.

Die Beklagte bestritt und wendete im Wesentlichen ein, wegen des Überhangs der Nettomieten gegenüber den Kreditaufwendungen, über den die GS frei verfügen habe können, sei diese in der Lage gewesen, ihre (Abgaben-)Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die ausbedungenen Sicherheiten seien nur Konsequenz einer wirtschaftlich gerechtfertigten Bedeckung gewesen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend ab, weil sie sowohl die Beeinträchtigung/Aushöhlung des Forderungsrechts der Abgabenbehörde als auch die Sittenwidrigkeit der Sicherheitenbestellung verneinten.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Klägerin ist - ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig, weil es der Klägerin in der Revision nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, was kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Vorweg ist klarzustellen:

1.1. Nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung (19. Jänner 2010) hat die Rechtslage und Diktion nach der KO Anwendung zu finden (§ 273 Abs 1 IO).

1.2. Da sich die Klägerin in erster Instanz als Rechtsgrund weder auf den Missbrauch der Treunehmerstellung durch die Beklagte noch auf die analoge Anwendung des § 19 Abs 1 lit a UStG berief, stellt dieses Vorbringen in der Revision eine unzulässige und deshalb unbeachtliche Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO).

2. Für die Prüfung einer allfälligen Sittenwidrigkeit der Zessionsvereinbarung ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich (RIS-Justiz RS0017936); eine nachträgliche Änderung der Umstände kann Nichtigkeit grundsätzlich nicht begründen (RIS-Justiz RS0017936 [T1]). Das gilt auch für die Beurteilung der behaupteten Beeinträchtigung eines fremden Forderungsrechts (hier der Steuerbehörde) durch die Vereinbarung der Abtretung der Bruttomieten, weil es dabei auf die Kenntnis/fahrlässige Unkenntnis des fremden Forderungsrechts (vgl RIS-Justiz RS0025920; RS0022852) ankommt, die naturgemäß bei Abschluss des beanstandeten Vertrags bestanden haben muss.

3. Für diesen Zeitpunkt im Jahr 2004 ergibt sich aus den Feststellungen ein sehr einfaches Bild der Grundlagen der Finanzierungsvereinbarung: Die im Wege der Sicherungszession abgetretenen Bruttomieten von (12.385 EUR + 20 % USt von 2.477 EUR =) 14.862 EUR überstiegen die Kreditaufwendungen von 8.916 EUR um 3.469 EUR und boten daher - angesichts der im Innenverhältnis zwischen der GS als Treugeberin und der Beklagten als Treuhänderin getroffenen Abrede (vgl 3 Ob 246/09m; RIS-Justiz RS0010387; RS0032597), die GS könne über ein Guthaben am Verrechnungskonto verfügen - der GS die Möglichkeit, die USt von monatlich 2.477 EUR abzuführen.

Die Revision macht auch nicht geltend, dass die von der GS und der Beklagten ihrer Finanzierungsvereinbarung zugrunde gelegten Prämissen unrealistisch oder nachteilige Änderungen absehbar gewesen wären oder dass (auch) die Beklagte weitere Zahlungspflichten der GS voraussehen hätte müssen, die nicht aus dem restlichen Überhang zwischen den Nettomieten und den Kreditaufwendungen (von 992 EUR monatlich) finanzierbar gewesen wären oder dass die Beklagte die Verwendung des Guthabens am Verrechnungskonto durch die GS für andere, allenfalls außerhalb der GS liegende Zwecke in Betracht zu ziehen gehabt hätte; Überlegungen dazu erübrigen sich daher.

4.1. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Grundlagen der Finanzierungsvereinbarung bestand daher kein Anlass für eine Einschätzung der Beklagten, mit der beabsichtigten Zessionsvereinbarung könnte das für sie offenkundige Forderungsrecht der Steuerbehörde auf USt aus den Mieten in der Weise beeinträchtigt/ausgehöhlt werden, dass der GS die Abführung der USt unmöglich gemacht werde; schließlich ging man ja ursprünglich auch davon aus, dass die GS keine weiteren, über die Kreditaufwendungen hinausgehende Verbindlichkeiten zu erfüllen haben werde, sodass die Annahme gerechtfertigt war, ihr werde der gesamte Überhang zwischen den Nettomieten und den Kreditaufwendungen zur Abdeckung der USt zur Verfügung stehen.

4.2. Die aus der negativen Entwicklung des Verrechnungskontos trotz Eintreffens der angenommenen Prämissen (Höhe der Mieteinnahmen und Kreditauf-wendungen) zwangsläufig - ungeachtet unterbliebener Klärung im Verfahren - abzuleitende Schlussfolgerung, dass die GS das Guthaben in der Folge nicht nur für die ursprünglich angenommenen Zwecke und nicht dazu verwendete, die USt abzuführen (vgl den schon am 31. Dezember 2006 aufgelaufenen Rückstand der GS an USt von 139.990,41 EUR), geht schon deshalb nicht zu Lasten der Beklagten, weil sie nach dem Inhalt der Treuhandabrede, die die freie Verfügbarkeit eines Guthabens für die GS vorsah, darauf keinen Einfluss nehmen konnte.

4.3. Rechtswidrigkeit der Zessionsvereinbarung als Voraussetzung des verlangten Schadenersatzes ist somit zu verneinen.

5.1. Die Ansicht der Klägerin, die Abtretung von Bruttomieten sei per se sittenwidrig, weil im Sicherungsfall Abgabenforderungen einer Zwangsgläubigerin nicht bedient werden können, trifft jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Bei Abschluss der Zessionsvereinbarung wurde der Sicherungsfall ja nur in der Abdeckung eines Debetsaldos am Verrechnungskonto gesehen, der aus der Tragung der Kreditaufwendungen herrührt. Eine nachträgliche Änderung der ursprünglich unterstellten Umstände kann aber - wie bereits erwähnt - Nichtigkeit grundsätzlich nicht begründen.

5.2. Wenn die Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 bei ständigem Negativsaldo des Verrechnungskontos kaum mehr Überweisungen durchführte, verhielt sie sich vereinbarungskonform, weil die freie Verfügbarkeit der GS nur für ein bestehendes Guthaben vorgesehen war und ein Kontokorrentverhältnis nicht zustande kam. Der von der Klägerin daraus abgeleitete Vorwurf einer sittenwidrigen Knebelung der GS durch Abschneiden jeden Spielraums für eigene wirtschaftliche Entscheidungen ist unzutreffend, weil dabei nur die Situation in den Jahren 2008 und 2009 berücksichtigt wird, nicht jedoch die - allein rechtlich relevante - Ausgangslage bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2004.

5.3. Im Übrigen ist der Klägerin zu entgegnen, dass Lehre und Rechtsprechung den durch § 879 Abs 1 ABGB begrenzten Grundsatz der Privatautonomie anerkennen, wonach es jedem Verkehrsteilnehmer unbenommen bleiben müsse, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn schlechthin überfordern oder die von ihm nur unter besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Eigentums, erbracht werden können (RIS-Justiz RS0022884 [T7]). Wie schon das Erstgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist mit jeder Fremdfinanzierung die mehr oder minder große Verringerung liquider Mittel und das Risiko verbunden, dass bei nicht reibungsloser Abwicklung des Kreditverhältnisses die Dispositionsmöglichkeit des Schuldners über ihm zustehende oder zukommende Gelder weitgehend eingeschränkt wird, womit auch eine immer größer werdende Abhängigkeit vom Finanzierer verbunden ist. Soweit aber eine weitreichende Einschränkung der Dispositionsmöglichkeiten des Schuldners die Konsequenz einer wirtschaftlich gerechtfertigten Bedeckung ist, fehlt es an der Sittenwidrigkeit (6 Ob 17/02x).

5.4. Den Versuch, die von der Beklagten hereingenommenen Sicherheiten (Höchstbetragshypotheken und Sicherungszession) durch Gegenüberstellung des Werts der bestellten Sicherheiten zur Höhe der Kreditverbindlichkeit als unzulässige Übersicherung darzustellen, unternimmt die Klägerin in der Revision gar nicht. Die begründete Ansicht der Vorinstanzen, es sei von einer wirtschaftlichen Rechtfertigung der mehrfachen Besicherung der Beklagten auszugehen, wird daher gar nicht bekämpft.

Die Abhängigkeit der GS von der Beklagten bei der beinahe vollständigen Finanzierung des den alleinigen Unternehmensgegenstand bildenden Projekts durch diese musste der GS bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung völlig klar sein. Es lag somit an ihr, die Tragweite ihrer Bindung an die Beklagte und ihres (teilweisen, allenfalls vollständigen) Verzichts auf die eigene Disposition über die Mieten als einzige Einnahmequelle entsprechend abzuwägen und dann ihre Entscheidung zu treffen. Die Konsequenzen der von den zugrunde gelegten Prämissen abweichenden negativen Entwicklung des Kreditverhältnisses zur Beklagten, deren Ursache in der den ursprünglichen Annahmen widersprechenden Gestion der GS liegt, bildet somit keine sittenwidrige Knebelung oder Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GS.

5.5. Die behauptete Nichtigkeit der Zessionsvereinbarung ist daher ebenfalls zu verneinen.

6. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihr Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente und zu honorieren ist (RIS-Justiz RS0112296).

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