OGH 1Ob183/12m

OGH1Ob183/12m13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH *****, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. K***** B*****, und 2. P***** B*****, beide *****, vertreten durch Dr. Peter Borowan und andere Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen 506 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 27. Juli 2012, GZ 1 R 76/12i-17, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 10. Jänner 2012, GZ 6 C 118/11m-13, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind seit 1. 6. 2009 gemeinsam Mieter einer im Eigentum der klagenden Partei - einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung im Sinn des WGG - stehenden Wohnung. Dem Mietverhältnis (das in den Vollanwendungsbereich des MRG und des WGG fällt) liegt der schriftliche Mietvertrag vom 1. 6. 2009 zugrunde, der folgende relevante Bestimmungen enthält:

V.

(2) Der Mieter übernimmt die Wohnung ... in dem Umgang (Umfang) und Zustand, wie sie sich im Zeitpunkte der Übergabe befindet und im Übergabeprotokoll festgehalten wird. Allfällige bei dieser Übergabe ersichtliche Schäden und Mängel müssen im Wohnungsübergabeprotokoll festgehalten werden. Die Wände und Decken sind grundsätzlich in dem Farbton zurückzustellen, in dem sie übergeben wurden. Der Mieter verpflichtet sich, den Mietgegenstand und alle gemieteten Einrichtungen und Einrichtungsgegenstände im gebrauchsfähigen und ordnungsgemäßen Zustand auf eigene Kosten soweit wie möglich zu warten und soweit es sich nicht um ernste Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt, in einem zeitgemäßen Zustand instand zu halten. Dazu gehört insbesondere

- die regelmäßige Abgasüberprüfung von wohnungsgebundenen Heizungs- und Warmasserbereitungsanlagen, entsprechend den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften.

- die Wartung von technischen Einrichtungen des Mietobjektes, wie etwa Etagenheizungen und Wasseraufbereiter, durch befugte Professionisten.

Die gewöhnliche Abnutzung geht zu Lasten des Vermieters ...

Etwa im Jänner 2010 begann der Boiler im Mietobjekt zu tropfen. Er war altersbedingt nach etwa 10 bis 11 Jahren defekt geworden. Über Ersuchen der klagenden Partei kam ein Monteur eines Installationsunternehmens in die Wohnung der Beklagten und stellte fest, dass der Boiler irreparabel „kaputt“ war. Über die Frage des Monteurs zur weiteren Vorgangsweise erklärte der Zweitbeklagte sinngemäß, es müsse ein neuer Boiler „rein“. Die Frage nach dem Zahlungspflichtigen beantwortete der Zweitbeklagte damit, dass dafür wohl die klagende Partei zuständig sei. In der Folge installierte der Monteur über Aufforderung des Zweitbeklagten einen neuen Boiler. Die klagende Partei weigerte sich, die Rechnung über 1.057,08 EUR zu bezahlen. Das Installationsunternehmen schickte daraufhin die Rechnung mit dem Bemerken an die Beklagten, dass sie im Falle der Nichtzahlung von ihrem Eigentumsvorbehalt am Boiler Gebrauch machen werde. Die Beklagten bezahlten deshalb diese Rechnung. In der Folge beschlossen sie, den laufenden Mietzins um 100 EUR monatlich solange zu mindern, bis der Rechnungsbetrag zur Gänze abgedeckt sei, was ihr Anwalt der klagenden Partei in seinem Schreiben vom 8. 11. 2010 auch mitteilte. Deshalb haftete zum 15. 6. 2011 ein Mietzins von 506 EUR unberichtigt aus.

Mit der am 24. 6. 2011 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die Bezahlung des rückständigen Mietzinses, erklärte die Aufhebung des Mietvertrags nach § 1118 ABGB und begehrte die Räumung der Wohnung. Sie verwies auf die im Mietvertrag vereinbarte Verpflichtung der Mieter, den Mietgegenstand instand zu halten. Die Vermieterin sei nicht verpflichtet, die Kosten für einen vom Mieter angeschafften neuen Boiler zu ersetzen. Die Mieter könnten einen Rückforderungsanspruch für einen nützlichen Aufwand erst nach Beendigung des Mietverhältnisses, nicht aber durch Minderung des laufenden Mietzinses geltend machen.

Die Beklagten wendeten - soweit noch relevant - ein, sie hätten die Rechnung des Installationsunternehmens wegen der für sie bestehenden Zwangslage bezahlt. Die gewöhnliche Abnützung gehe jedenfalls zu Lasten der Vermieterin. Da die Zahlungspflicht die Klägerin treffe, hätten sie den Mietzins gemindert.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit Teilurteil statt. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die - umfassend dargelegte und § 1096 ABGB, § 3 MRG und § 14a WGG sowie die Judikatur zur Instandhaltungspflicht des Vermieters und Mieters berücksichtigende - Auffassung, den Vermieter treffe keine gesetzliche Verpflichtung zur Erneuerung eines schadhaften Boilers, zumal darin in der Regel kein ernster Schaden des Hauses liege. Der Mieter habe gemäß § 8 Abs 1 MRG den Bestandgegenstand zu warten und, soweit es sich nicht um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handle, so instand zu halten, dass dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwachse. Im Vollanwendungsbereich des MRG wie auch im Anwendungsbereich des WGG existiere daher ein sogenannter „Graubereich“, in dem weder der Vermieter erhaltungspflichtig noch der Mieter instandhaltungspflichtig seien. Der defekte Boiler falle in diesen Graubereich. Damit bestünde kein gesetzlicher Anspruch der Beklagten auf Durchführung eines Austausches des Boilers durch die klagende Partei, weil es sich nicht um einen ernsten Schaden handle. Eine von § 1096 ABGB abweichende vertragliche Regelung, mit der die Reparatur oder Erneuerung defekter Durchlauferhitzer, Elektroboiler oder ähnlicher Geräte auf den Mieter überwälzt werde, sei grundsätzlich wirksam. Die im Mietvertrag auf die Mieter übertragene Verpflichtung zur Instandhaltung erfasse auch die Kostentragung für die Reparatur und unter Umständen auch den Ersatz eines durchaus schuldlos schadhaft gewordenen Inventargegenstands, wie eines Boilers. Ein Mietzinsminderungsanspruch nach § 1096 Abs 1 ABGB stehe nur für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit zu, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft sei oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft werde, dass es zum vereinbarte Gebrauch nicht (mehr) tauge. Auch bei fehlender Erhaltungspflicht im Anwendungsbereich des § 3 MRG bleibe die Mietzinsminderung bei Gebrauchsbeeinträchtigung aufrecht. Diese gelte auch in Fällen, in denen weder den Vermieter noch den Mieter eine Erhaltungspflicht treffe. Dem Mieter, der etwa eine Therme selbst erneuert habe, stehe weder ein sofortiger Aufwandersatzanspruch nach § 1097 ABGB noch das Recht auf Mietzinsminderung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Zahlungsbegehren ab. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis sei unter dem Begriff „instand halten“ herrichten, reparieren, in Ordnung halten zu verstehen. In diesem Sinn seien in Punkt V. des Mietvertrags, der den Mieter zur Wartung und Instandhaltung des Mietgegenstands verpflichte, auch die Aufgaben des Mieters im Zusammenhang mit regelmäßiger Überprüfung und Wartung, etwa der Warmwasseraufbereitungsanlage, hervorgehoben und andererseits die Pflichten des Vermieters festgehalten, zu dessen Lasten die gewöhnliche Abnutzung gehe. Bereits die einfache Auslegung dieses Vertragspunkts ergebe, dass die Kosten der Erneuerung eines altersbedingt (also durch gewöhnliche Abnutzung) irreparabel defekt gewordenen Boilers von der klagenden Partei zu tragen seien. Die Beklagten seien berechtigt gewesen, den für die Erneuerung des Boilers bezahlten Betrag als eine von der Vermieterin zu erfüllende Schuld von der Miete einzubehalten. Entgegen der in der Berufung der Beklagten vertretenen Auffassung bedeute dies keine Minderung des Mietzinses, weil zu keiner Zeit eine Beeinträchtigung im Gebrauch des Mietobjekts vorgelegen sei, sondern eine Aufhebung der Mietzinsforderung der klagenden Partei durch Aufrechnung mit der Gegenforderung der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

1. Die Mitteilung nach § 508a Abs 2 erster Satz ZPO wurde den Beklagten am 15. 10. 2012 zugestellt. Die entgegen § 507a Abs 3 Z 2 ZPO beim Erstgericht im elektronischen Rechtsverkehr am 9. 11. 2012 eingebrachte Revisionsbeantwortung langte am 13. 11. 2012 beim Obersten Gerichtshof ein, also außerhalb der vierwöchigen Frist des § 507a Abs 1 ZPO. Sie ist als verspätet zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0043678).

2. Die Anfechtung des Teilurteils, das die beklagten Mieter zur Zahlung eines Mietzinsrückstands von 506 EUR verpflichtete, ist nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig, weil ein mit einem Räumungsbegehren verbundenes Begehren auf Zahlung des Mietzinses eine Streitigkeit im Sinn des § 49 Abs 2 Z 5 JN ist (1 Ob 55/11m mwN).

3. Nach der mittlerweile als gefestigt anzusehenden Judikatur (RIS-Justiz RS0124630) besteht im Geltungsbereich des § 14a WGG bzw des § 3 MRG mangels gesetzlicher Verpflichtung des Vermieters zur Erneuerung einer schadhaft gewordenen Heiztherme kein sofort fälliger, auf § 1097 iVm § 1036 ABGB gründbarer Ersatzanspruch des Mieters gegen den Vermieter für den Austausch der Therme. Soweit den Mieter aber selbst keine Pflicht zur Erneuerung der schadhaft gewordenen Heiztherme trifft, steht ihm - sofern er den Defekt der bei Übergabe des Mietobjekts noch funktionierenden Therme nicht verschuldet hat - für die Dauer und in dem Maß der durch den Heizungsausfall eingetretenen Unbrauchbarkeit des Mietobjekts der Mietzinsminderungsanspruch nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB zu. Eine subsidiäre Geltung des § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB hinsichtlich der Erhaltungspflichten ist aufgrund der Systematik und des Wortlauts der Bestimmung des § 3 MRG (bzw hier § 14a WGG) ausgeschlossen (5 Ob 17/09z = SZ 2009/33; 8 Ob 135/09z je mwN).

4. Im Vollanwendungsbereich des MRG sowie des WGG existiert also ein so genannter „Graubereich“, in dem weder der Vermieter erhaltungs- noch der Mieter instandhaltungspflichtig sind. In diesen Graubereich fällt nicht nur eine nicht funktionierende Heizungstherme, sondern auch ein defekter Boiler (1 Ob 55/11m mwN). Die dargelegten, zum Austausch der Heiztherme entwickelten Grundsätze der ständigen Judikatur gelten somit auch für den hier strittigen Austausch eines Boilers.

5. Ein Mietzinsminderungsanspruch nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB wäre den beklagten Mietern jedenfalls nur für den Zeitraum zugestanden, in dem die Wohnung wegen des defekten Boilers nur eingeschränkt benützbar gewesen wäre (vgl RIS-Justiz RS0107866). Schon aus diesem Grund waren sie nicht berechtigt, den Mietzins zu mindern, der für den Zeitraum nach Austausch des Boilers vorgeschrieben wurde.

6. Das Berufungsgericht qualifizierte die von den beklagten Mietern nach Austausch des Boilers schriftlich angekündigte und vorgenommene Reduktion des monatlichen Mietzinses um 100 EUR auch nicht als Mietzinsminderung im Sinn des § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB, sondern als (außergerichtliche) Aufrechnung mit einer Forderung der Mieter gegen die Mietzinsforderung der Vermieterin. Seine Rechtsansicht rechtfertigte es mit der Interpretation der Bestimmungen des Mietvertrags, nach der die Vermieterin verpflichtet sei, einen durch gewöhnliche Abnutzung defekt gewordenen Boiler auf ihre Kosten zu ersetzen. Es nannte zwar keinen Rechtsgrund für die Gegenforderung der beklagten Mieter, meinte aber offenbar aufgrund der angeblichen vertraglichen Verpflichtung der Vermieterin, einen defekten Boiler auf ihre Kosten zu ersetzen, einen vertraglichen, der gesetzlichen Regelung des § 1097 ABGB vorgehenden Aufwandersatzanspruch der Mieter.

7. Zunächst ist fragwürdig, ob sich die Beklagten in ihrem Vorbringen erster Instanz überhaupt auf eine außergerichtliche Aufrechnung mit einer Forderung aus diesem Rechtsgrund berufen haben. Auch in ihrer Berufung sprachen sie von einem Mietzinsminderungsanspruch, den sie angekündigt und durch den monatlichen Abzug von 100 EUR auch geltend gemacht hätten. Die Feststellungen stellen ebenfalls nicht klar, dass aus der Sicht der Vermieterin eine außergerichtliche Aufrechnung mit Gegenforderungen der Mieter erklärt wurde. Überlegungen dazu erübrigen sich aber. Die Interpretation des Berufungsgerichts zu den Bestimmungen des Mietvertrags über die Instandhaltungspflicht hält einer Überprüfung nämlich nicht stand und ist zu korrigieren:

8. Punkt V. des Mietvertrags verpflichtet die Mieter, den Mietgegenstand und alle gemieteten Einrichtungen und Einrichtungsgegenstände in gebrauchsfähigem und ordnungsgemäßem Zustand auf eigene Kosten soweit wie möglich zu warten und, soweit es sich nicht um ernste Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt, in einem zeitgemäßen Zustand instand zu halten. Dazu gehört insbesondere die regelmäßige Abgasüberprüfung von wohnungsgebundenen Heizungs- und Warmwasserbereitungs-anlagen entsprechend den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften sowie die Wartung von technischen Einrichtungen des Mietobjekts, wie etwa Etagenheizungen und Wasseraufbereiter, durch befugte Professionisten. Die Instandhaltungspflicht des Mieters wird nach dem Wortlaut zunächst nur dadurch eingeschränkt, dass diese nicht ernste Schäden des Hauses oder die Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung erfasst. Diese Formulierung entspricht der gesetzlichen Bestimmung der Erhaltungspflicht des Vermieters in § 14a Abs 2 Z 2 WGG (vgl § 3 Abs 2 Z 2 MRG). Der Satz „die gewöhnliche Abnutzung geht zu Lasten des Vermieters“ stellt nach dem für die Auslegung im Sinn des § 914 ABGB primär maßgeblichen Verständnis des Mieters nicht eindeutig klar, dass der Vermieter verpflichtet ist, auf seine Kosten altersbedingt defekt gewordene technische Einrichtungen zur Warmwasseraufbereitung (Boiler) oder Heizung auszutauschen, und dem Mieter, der anstelle des Vermieters diesen Aufwand tätigt, ein sofort fälliger Ersatzanspruch eingeräumt wird. Im bereits erwähnten „Graubereich“, in dem weder den Vermieter noch den Mieter eine gesetzliche Erhaltungspflicht trifft, müsste auch aus der Sicht des Mieters eine vertragliche Regelung eindeutig festlegen, dass der Vermieter die Kosten eines Austausches jener Anlagen zu tragen und zu ersetzen hat, die immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen zwischen Vermieter und Mieter sind. Eine derartig ausdrückliche Anordnung ist der strittigen Formulierung nicht zu entnehmen.

9. Aus diesen Erwägungen ist der Revision der klagenden Partei Folge zu geben und das Teilurteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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