OGH 5Nc21/12a

OGH5Nc21/12a29.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj I***** Z*****, geboren am 4. Jänner 1997, *****, und des mj A***** Z*****, geboren am 24. September 2000, *****, und Kinder- und Jugendheim J*****, beide vertreten durch A***** Z***** (auch: *****), wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 17. Oktober 2012, GZ 1 Ps 65/11v-287, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache betreffend die mj I***** Z***** und den mj A***** Z***** an das Bezirksgericht Bruck an der Mur wird genehmigt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen ist geschieden, allein obsorgeberechtigt für beide Kinder ist der Vater. Die Mutter C***** K***** lebt in Wien.

Nach mehreren Wohnsitzwechseln, zuletzt in *****, somit im Sprengel des Bezirksgerichts Gloggnitz, zog der Vater mit den beiden Kindern zunächst zurück nach K*****, wo sie davor gelebt hatten und im Mai 2012 nach A***** (Meldeauskünfte ON 288, 289).

Der mj A***** ist seit September 2012 mit Zustimmung des Vaters im Rahmen der freiwilligen vollen Erziehung im Kinder- und Jugendheim J***** in L***** untergebracht. Wie lange diese Unterbringung dauern wird, steht nicht fest.

Ausgehend von diesem Sachverhalt übertrug das Bezirksgericht Gloggnitz nach Erledigung sämtlicher offener Anträge seine Zuständigkeit in dieser Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Bruck an der Mur (ON 287), das die Übernahme mit dem Hinweis auf den Aufenthalt des mj A***** in L***** ablehnte (ON 292).

Das Bezirksgericht Gloggnitz legte nunmehr den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor. Diese Zuständigkeitsübertragung ist zu genehmigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 JN setzt voraus, dass dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Das trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird (RIS-Justiz RS0046929; RS0049144; RS0047074 ua). In der Regel wird das durch eine Übertragung an jenes Gericht der Fall sein, in dessen Sprengel sich der Betroffene aufhält (RIS-Justiz RS0049144). Die Bestimmung des § 111 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen von wesentlicher Bedeutung ist, der pflegschaftsgerichtliche Schutz am Besten durch jenes Gericht gewährleistet ist, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (zuletzt 4 Nc 15/09g; 9 Nc 19/09g).

Allerdings wird es nicht als zweckmäßig angesehen, eine für Geschwister zu führende Pflegschaftssache zwischen verschiedenen Gerichten aufzuteilen (10 Nd 503/01 EFSlg 97.965; 12 Nc 9/03w EFSlg 105.543), weil die gemeinsame pflegschaftsgerichtliche Behandlung aller Geschwister grundsätzlich deren Wohl entspricht.

Wenn die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen nach den Umständen des Einzelfalls unzweckmäßig erscheint, sieht § 111 JN die Möglichkeit einer Anpassung an die besondere Fallgestaltung vor (RIS-Justiz RS0046990). Immer kommt es darauf an, welches Gericht eher in der Lage ist, die aktuelle Lebenssituation aller Beteiligten zu erforschen (RIS-Justiz RS0047027 [T6, T7]).

Obwohl also der mj A***** bis auf Weiteres in der Kinder- und Jugendwohngruppe J***** untergebracht ist, welches Heim in einem anderen Gerichtssprengel gelegen ist, erscheint es nach allen Umständen des Einzelfalls unzweckmäßig, das Pflegschaftsverfahren betreffend die beiden Geschwister aufzuteilen. Insbesondere liegt zum übertragenden Gericht keinerlei Bezugspunkt mehr vor. Durch § 5 JWG, der die örtliche Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen bestimmt, ist gewährleistet, dass das künftig zur Führung der Pflegschaftssache für beide Kinder zuständige Gericht Zugang zu ausreichenden Informationen über den derzeit nicht im Sprengel dieses Gerichts lebenden mj A***** erhält.

Die Übertragung der Zuständigkeit war daher gemäß § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.

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