OGH 4Ob177/12a

OGH4Ob177/12a28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des H***** B***** P*****, wegen Feststellung des Erbrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der E***** S*****, vertreten durch Dr. Johann Eder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 9. August 2012, GZ 21 R 211/12v‑139, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein vom Rekursgericht verneinter (behaupteter) Mangel des Verfahrens erster Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung auch im Außerstreitverfahren (wenn er nicht von Amts wegen aufzugreifen war) nicht erfolgreich im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043111 [T22]; RS0074223 [T3]).

1.2. Ein Ausnahmefall, in dem das Rekursgericht den Mangel von Amts wegen aufzugreifen gehabt hätte, liegt in einem Verfahren über die Feststellung des Erbrechts nach §§ 161 ff AußStrG nicht vor (siehe § 161 Abs 1 AußStrG: „im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote“; 3 Ob 1/11k).

1.3. Ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist auch in einem Verfahren über die Feststellung des Erbrechts nach §§ 161 ff AußStrG 2005 eine Frage der Beweiswürdigung und kann daher nicht erfolgreich Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sein (RIS‑Justiz RS0043320 [T22]; RS0043163).

2.1. Nach § 2255 BGB kann ein Testament auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe.

2.2. In § 721 ABGB wird das Durchstreichen der Unterschrift ausdrücklich als „Vertilgungshandlung“ eines Testaments genannt.

2.3. Die Vorinstanzen haben die vom Erblasser selbst zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt gesetzten „Kringel“ über seiner Unterschrift als Verhalten beurteilt, das als Aufhebung des Testaments im Sinne des hier anzuwendenden § 2255 BGB zu verstehen ist. Diese Auslegung ist keinesfalls unvertretbar, berücksichtigt man die weitere Feststellung, dass „Kringel“ und Striche kein ständiges und typisches Merkmal der Unterschrift des Erblassers waren. Dazu kommt, dass der Erblasser später ein anderes Testament konzipiert und aufbewahrt hat, in dem die Revisionsrekurswerberin nicht mehr bedacht war.

2.4. Die Vermutung nach § 2255 Satz 2 BGB, der Erblasser habe die Veränderung an der Testamentsurkunde in Aufhebungsabsicht getätigt, hat die Revisionsrekurswerberin nicht entkräftet.

2.5. Ob ein bestimmtes Verhalten als Aufhebung des Testaments iSd § 2255 BGB zu verstehen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab; diese Frage kann ‑ vom hier nicht gegebenen Fall einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen ‑ die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht rechtfertigen (vgl RIS‑Justiz RS0012408 zur Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen).

3. Dass beim hier zu beurteilenden Sachverhalt mit Auslandsbezug für die Frage der Gültigkeit des Widerrufs Art 2 des Haager Testamentsübereinkommens im Anlassfall deutsches Recht zur Anwendung ruft, ist in dritter Instanz nicht mehr strittig. Im Fall der Anwendung österreichischen Rechts wäre nach § 721 ABGB davon auszugehen gewesen, dass das Durchstreichen der Unterschrift in einem Testament als dessen stillschweigender Widerruf zu werten ist.

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