OGH 6Ob146/12g

OGH6Ob146/12g16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** K*****, 2. B***** K*****, vertreten durch Dr. Karl Maier, Rechtsanwalt in Knittelfeld, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. R***** V*****, 2 mj H***** V*****, vertreten durch die Erstbeklagte, beide *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. H***** G*****, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, 2. f***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 17. April 2012, GZ 1 R 110/12m-33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Knittelfeld vom 27. Oktober 2011, GZ 2 C 1630/10a-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beiden Beklagten einerseits und der Zweitnebenintervenientin andererseits jeweils die mit 818,66 EUR (darin 136,44 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Erstnebenintervenient hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob einem durch gänzlich folgenlos bleibende unmittelbare Zuleitungen (Druckeinwirkung auf das Nachbargrundstück) Gestörten Unterlassungsansprüche zustehen.

1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst (3 Ob 134/12w) unter Fortschreibung ständiger Judikatur ausgeführt, dass regelmäßige Voraussetzung der vorbeugenden Unterlassungsklage der Beginn einer Rechtsverletzung ist. Die bloße Drohung einer Rechtsverletzung rechtfertigt die vorbeugende Unterlassungsklage nur unter besonderen Umständen, wenn nämlich ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis des Bedrohten dies verlangt, weil das Abwarten einer Rechtsverletzung zu einer nicht wiedergutzumachenden Schädigung führen würde (RIS-Justiz RS0009357). Der Kläger muss in einem solchen Fall die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr seiner Schädigung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen (6 Ob 226/05m; 1 Ob 5/06a SZ 2006/54). Die bloß theoretische Möglichkeit der Schädigung genügt nicht (vgl 2 Ob 111/07y; 9 Ob 54/08v).

1.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entstand durch die Aufschüttung des Erdwalls auf dem Grundstück der Beklagten zwar eine Druckerhöhung auf dem Grundstück der Kläger um etwa 5 %. Die durch den Erdwall bedingte Druckerhöhung hat aber „keine schadhaften Auswirkungen“ auf das Wirtschaftsgebäude der Kläger oder dessen Standfestigkeit; die Schäden am Wirtschaftsgebäude sind nicht auf den erhöhten Erddruck zurückzuführen. Auch die Vertiefung des Grundstücks der Beklagten durch den Aushub des Teiches hat keinerlei Auswirkungen auf das Grundstück der Kläger. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden.

1.2. Dies gestehen selbst die Kläger in ihrer Revision zu, wenn sie ausführen, es sei „richtig, dass derzeit kein Schaden durch die Aufschüttung des Erdwalls [] am Grundstück der Kläger beziehungsweise am [] Wirtschaftsgebäude entstanden ist“. Die Kläger meinen allerdings unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 227/10d, der „Erdwall kann jedenfalls nachteilige Auswirkungen auf [ihr] Grundstück beziehungsweise auf [das] Wirtschaftsgebäude haben“, was „Grundlage für den erhobenen nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruch sein“ könne.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich diesen Überlegungen nicht anzuschließen. Die Kläger übersehen nämlich, dass in dem der Entscheidung 1 Ob 227/10d zugrunde liegenden Fall die (konkrete) Gefahr örtlicher Böschungserosionen bei Hochwasser aufgrund einer höheren Belastung des natürlichen Flussufers bestanden hatte. Derartige (konkrete) Gefahren wurden im vorliegenden Fall nicht festgestellt die Kläger sprechen in ihrer Revision bloß von einer „drohenden Rechtsverletzung“ und dem Umstand, dass sich der Erdwall „naturgemäß“ mit der Zeit setzen werde oder dass bei starken Niederschlägen ein Abrutschen von Erdreich auf ihr Grundstück nicht auszuschließen sei. Richtig ist dabei zwar, dass die Stadtgemeinde K***** in ihrem Bescheid Beilage ./1 von einer Abrutschgefährdung spricht; allerdings musste jener Mitarbeiter der Stadtgemeinde, der den Bescheid verfasst hatte, anlässlich seiner Zeugeneinvernahme zugeben, dass er „selbstverständlich“ nicht habe feststellen können, „ob die Sprünge [am Wirtschaftsgebäude der Kläger] auf irgendwelche Einwirkungen seitens des Grundstücks [der Beklagten] [zu]rückzuführen“ gewesen seien. Gerade derartige Zusammenhänge verneinte wiederum der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige; es sei „auszuschließen, dass die durch den Erdwall bewirkte Druckerhöhung schadhafte Auswirkungen“ habe, „die Vertiefung des Grundstücks der Beklagten durch den Aushub des Teiches [habe] keinerlei Auswirkungen auf das Grundstück der Kläger“. Künftige Gefährdungen des Grundstücks der Kläger oder Abrutschgefahren erwähnt der Sachverständige überhaupt nicht. Die Vorinstanzen konnten deshalb eine Abrutschgefahr von Teilbereichen der Teichanlage ausdrücklich nicht feststellen.

Die Frage, ob in einem konkreten Fall die tatsächlichen Umstände eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Schädigung begründen können, ist keine solche von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO; die Abweisung der vorbeugenden Unterlassungsklage durch die Vorinstanzen im vorliegenden Fall ist angesichts der Feststellungen durchaus vertretbar.

2. Der Erstnebenintervenient hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Der Erstnebenintervenient hat dessen Kosten selbst zu tragen.

Im Übrigen gründet sich die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten und die Zweitnebenintervenientin haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Diese Schriftsätze sind daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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