OGH 1Ob209/12k

OGH1Ob209/12k15.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Klaus Ferdinand Lughofer LL.M, Rechtsanwalt in Linz, wegen 500.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. September 2012, GZ 6 R 129/12a-64, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Linz vom 24. Mai 2012, GZ 2 Cg 183/09y-59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ob in einer bestimmten Verfahrenskonstellation ein Zwischenurteil gefällt werden kann, richtet sich nach der Norm des § 393 ZPO, die als Bestimmung des Verfahrensrechts zu qualifizieren ist. Sollte die Auffassung der Revisionswerberin zutreffen, dass das Erstgericht die genannte Vorschrift unrichtig angewendet hat, läge ein Verfahrensmangel vor, der allerdings vom Berufungsgericht verneint wurde. In einem solchen Fall kann aber nach ganz herrschender Rechtsprechung (vgl nur RIS-Justiz RS0042963) die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens in einem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Fassung eines Zwischenurteils sei schon im Hinblick darauf zulässig, dass jedenfalls dem Grunde nach berechtigte Anspruchsteile vorlägen und über die Berechtigung der von der klagenden Partei „im Einzelnen geltend gemachten Anspruchsteile“ noch keine Aussage getroffen werde (s auch RIS-Justiz RS0041039). Wenn die Revisionswerberin bemängelt, es gehe hier um die Frage, ob ein Anspruch „dem Grunde nach“ unter Berücksichtigung der Eigenersparnis „überhaupt zusteht“, übersieht sie offenbar ihr eigenes - schon vom Berufungsgericht aufgegriffenes - Vorbringen, nach dem die Ersparnis der Klägerin jedenfalls nicht 100 % des Werklohns beträgt.

2. Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe zu Unrecht bestimmte Umstände nicht im Sinne des § 182a ZPO erörtert, geht schon deshalb ins Leere, weil die genannte Norm grundsätzlich nur für das Verfahren erster Instanz gilt und das Berufungsgericht zudem gar keine Berufungsverhandlung durchgeführt hat, in deren Rahmen eine Erörterung möglich gewesen wäre. Aber auch ein Verstoß gegen das allgemeinere - und damit auch an die Rechtsmittelinstanzen gerichtete - Verbot einer Überraschungsentscheidung ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen. Vielmehr entspricht es der Judikatur, dass die Berücksichtigung des Inhalts einer (unstrittig echten) Vertragsurkunde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zulässig ist (RIS-Justiz RS0121557), ist doch unstrittiges Parteienvorbringen, zu dem auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde gehört, im Sinne der §§ 266 f ZPO ohne Weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0121557 [T1, T3]).

3. Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen hat sich die Beklagte mit der Qualität der von der Klägerin bearbeiteten Werkstücke durchaus zufrieden gezeigt; soweit Mängel auftraten, waren diese im Verhältnis zu Reklamationen bei Bearbeitungen durch andere Unternehmen nicht auffällig und konnten rasch und mit relativ geringem Aufwand bereinigt werden. Eine gehäuftere Anzahl von Beanstandungen gab es (erst), nachdem die Beklagte selbst die Oberflächenbehandlung der Rohteile umgestellt hatte. Diese Probleme konnten nach deren Erkennen aber relativ rasch abgestellt werden. Die Klägerin brachte zudem zur Beseitigung der durch das veränderte Rohmaterial verursachten Rückstände eine zusätzliche Bürststation in ihre Anlage ein, die der technische Geschäftsführer der Beklagten für in Ordnung befand.

Warum die Beklagte unter diesen Umständen dem von der Klägerin auf § 1168 Abs 1 ABGB gestützten Anspruch entgegenhalten können sollte, sie sei wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Produktionsvorgänge durch die Klägerin nicht gehalten gewesen, die vereinbarten Werkleistungen (Weiterbearbeitung der Rohteile) zu ermöglichen, ist aus den Revisionsausführungen nicht erkennbar. Einerseits waren ursprünglich nur geringe Rückstände auf den Werkstücken vorhanden und waren die Verantwortlichen der Beklagten mit der Qualität durchaus zufrieden. Andererseits waren spätere Beanstandungen auf eine von der Beklagten selbst veränderte Qualität des Rohprodukts zurückzuführen, wobei diese Probleme nach deren Erkennen relativ rasch abgestellt werden konnten und die Klägerin ohnehin zusätzliche Vorkehrungen für ein befriedigendes Arbeitsergebnis schuf. Das Formalargument der Revisionswerberin, das Berufungsgericht hätte von einer „nicht vertragskonformen Funktion der Anlage mit einem nicht vertragskonformen Produktionsvorgang“ ausgehen müssen, ist schon angesichts der Feststellungen über das Endergebnis des Produktionsvorgangs unberechtigt. Letztlich wurde auch (unbekämpft) festgestellt, dass als Folge der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 der Bedarf an diesen Bauteilen eingebrochen war, weshalb die Beklagte die vereinbarten 7 Millionen Stück pro Jahr mangels Absatzmöglichkeit nicht mehr bearbeiten ließ. Dieser in der Sphäre der Werkbestellerin liegende Umstand kann allerdings dem Werkunternehmer, der Ansprüche nach § 1168 Abs 1 ABGB erhebt, nicht entgegengehalten werden. Auf den ursprünglich erhobenen Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt die Revisionswerberin nicht mehr zurück.

4. Ob sich aus den schriftlichen Vereinbarungen der Streitteile und der nachfolgenden Abwicklung der Geschäftsbeziehung eine Anscheinsvollmacht des damaligen technischen Leiters der Fertigung der Beklagten, der der Klägerin als „Anspruchspartner“ genannt worden war und der sich mit einer bestimmten Änderung der verwendeten Maschine einverstanden erklärt hatte, abzuleiten ist, ist von den besonderen Umständen des Falls abhängig weshalb insoweit - sofern diese Änderung überhaupt von rechtlicher Relevanz sein sollte - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist. Den Vorinstanzen ist mit ihrer Beurteilung, es habe zumindest eine solche Anscheinsvollmacht bestanden, keine korrekturbedürftige (erhebliche) Fehlbeurteilung unterlaufen. Damit geht auch der in der Revision erhobene Vorwurf ins Leere, es sei der Beklagten keine Gelegenheit gegeben worden, vorzubringen, dass dem betreffenden Mitarbeiter keine ausreichende Vollmacht eingeräumt worden sei, kommt es doch in Fällen der Anscheinsvollmacht auf den rechtsgeschäftlich begründeten Vollmachtsumfang gerade nicht an.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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