OGH 7Nc18/12z

OGH7Nc18/12z14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers D***** A*****, vertreten durch Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin A***** A*****, wegen Unterhalt, über Vorlage des Aktes AZ 6 Fam 68/12s des Bezirksgerichts Hall in Tirol zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen diesem Bezirksgericht und dem Bezirksgericht Klagenfurt nach § 47 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Bezirksgericht Hall in Tirol zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Hall in Tirol sprach mit Beschluss vom 10. 10. 2012 seine Unzuständigkeit zur weiteren Verfahrensführung aus und überwies das Verfahren nach § 44 JN an das Bezirksgericht Klagenfurt, in dessen Sprengel der Antragsteller bzw die Unterhalt ansprechende Partei seit Verfahrensbeginn den Hauptwohnsitz habe. Es leitete den Akt dem Bezirksgericht Klagenfurt mit dem Ersuchen weiter, den Abtretungsbeschluss gemeinsam mit dem Übernahmebeschluss zuzustellen (ON 45).

Das Bezirksgericht Klagenfurt lehnte mit Beschluss vom 17. 10. 2012 (ON 46) die Übernahme des Verfahrens ab, weil „der Akt praktisch entscheidungsreif und eine Übertragung in diesem Stand des Verfahrens nicht zweckmäßig“ sei. Diesen Beschluss übermittelte es „4-fach dem Bezirksgericht Hall in Tirol mit Akt“.

Keiner dieser Beschlüsse wurde zugestellt.

Das Bezirksgericht Hall in Tirol legt den Akt zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt dem Obersten Gerichtshof vor.

Die Aktenvorlage ist jedoch verfehlt:

Rechtliche Beurteilung

Ein Zuständigkeitsstreit im Sinne des § 47 JN liegt nur vor, wenn mehrere Gerichte ihre Zuständigkeit bejaht oder in einer Weise verneint haben, dass die Möglichkeit der Zuständigkeit eines weiteren Gerichts ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0046374). Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt erst dann vor, wenn rechtskräftige, die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse der für die Zuständigkeit in Betracht kommenden Gerichte gefasst wurden (RIS-Justiz RS0046299, RS0046354, RS0046374, RS0118692).

Es liegt kein rechtskräftiger, die Zuständigkeit verneinender, Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vor. Auch der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt wurde den Parteien noch nicht zugestellt. Die Voraussetzungen nach § 47 JN sind somit nicht gegeben (6 Nc 16/11x). Nur im Fall, dass auch beide Unzuständigkeitsentscheidungen in Rechtskraft erwachsen sollten, wäre der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung nach § 47 JN berufen (7 Nc 1/11y mwN).

Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ist schon jetzt auf Folgendes hinzuweisen:

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Entscheidung nach § 47 Abs 1 JN auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten die Zuständigkeit verneinenden Beschlusses, auch wenn dieser unrichtig war, Bedacht zu nehmen; haben doch die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Damit nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RIS-Justiz RS0046391).

Der übergeordnete Gerichtshof - hier der Oberste Gerichtshof - hat bei seiner Entscheidung also darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Überweisungsbeschluss (selbst wenn er unrichtig wäre) jenes Gericht, an das die Sache zunächst überwiesen wurde, insofern bindet, als es seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS-Justiz RS0002439; RS0046315).

Gemäß einhelliger höchstgerichtlicher Judikatur kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS-Justiz RS0081664 [T1]; RS0046391 [T6]). Bei der Entscheidung nach § 47 JN ist auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn - wie hier - der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RIS-Justiz RS0046391 [T8]). Die gegenteilige, im Schrifttum (Fucik in RZ 1985, 240; Mayr in Rechberger 3 § 44 JN Rz 4; Ballon in Fasching/Konecny 2 § 47 JN Rz 12) vertretene Meinung, der auch zwei Oberlandesgerichte gefolgt sind, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach abgelehnt (RIS-Justiz RS0046391 [T9]; jüngst 7 Nc 4/12s und 3 Nc 6/12f jeweils mwN).

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