OGH 3Ob178/12s

OGH3Ob178/12s14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. F*****, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in Graz, wegen Verbesserung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. August 2012, GZ 3 R 59/12i-123, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Dezember 2011, GZ 20 Cg 210/06a-104, zum Teil abgeändert und zum Teil bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte als Werkunternehmerin zur Verbesserung der von ihr angebrachten mangelhaften Wandverfliesungen durch Neuherstellung aus dem Titel des Schadenersatzes. Das Berufungsgericht ging unbeanstandet davon aus, dass die Beklagte in allen 18 vom Kläger gewerblich vermieteten Wohnungen des Klägers, in denen sie 1996 die Verlegung der Fliesen ua in den Sanitärräumen über Auftrag des Klägers vornahm, Verlege-, Verarbeitungs- und Ausführungsfehler zu verantworten hat, nur einige Wände sind ordnungsgemäß verfliest (Erstverfliesung). Diese Fehler führten bereits mehrfach zur Ablösung und zum Absturz von Wandfliesen (im Jahr 2006 zum Herabfallen des Großteils einer Wandverfliesung eines Sanitärraums [Anlass für die Klage]), was nur zum Teil mängelfrei saniert wurde (Zweitverfliesung mit anderen als den ursprünglich verwendeten, nicht mehr am Markt erhältlichen Fliesen). Die Fehler der Beklagten werden mit größter Wahrscheinlichkeit bereits bei geringster Belastung oder Erschütterung die Ablösung und das Herabfallen weiterer Wandfliesen zur Folge haben. Wegen Gefahr in Verzug sind die Wandverfliesungen in allen 18 Wohnungen abzunehmen, soweit es sich um die Erstverfliesung handelt. Bei Entnahme einzelner Fliesen wird sich die Erstverfliesung aufgrund der Spannungen in der Fliesenfläche großflächig von der Wand lösen und zu Boden fallen; dabei werden die Fliesen zerbrechen. Bei Arbeiten an der Erstverfliesung, insbesondere beim Abstemmen von Fliesen, ist mit einer teilweisen Beschädigung und Ablösung der Zweitverfliesung zu rechnen, sodass auch diese Flächen zu erneuern sein werden. Es ist nicht möglich, die mangelhaften Wandverfliesungen an den schadhaften Stellen mit gleichen oder gleichwertigen Materialien in der Art und Weise der ursprünglichen Ausführung derart auszubessern, dass ein einheitliches Bild erzielt wird. Eine technisch und optisch gleichwertige Sanierung kann nur durch gänzliche Neuherstellung der bisher nicht oder nur teilsanierten Wandverfliesungen erreicht werden. Die Nutzungsdauer von Wandfliesen beträgt zumindest 30 Jahre, deren technische Haltbarkeit bei fachgerechter Verlegung jedoch weit mehr als 30 Jahre.

Die außerordentliche Revision der Beklagten bekämpft (nur mehr) die Beurteilung der Vorinstanzen, die ihr auferlegte Verbesserung ihrer mangelhaften Wandverfliesungen durch Neuherstellung aus dem Titel des Schadenersatzes sei nicht untunlich. Während das Vorgehen des Berufungsgerichts, für die Beurteilung der Tunlichkeit eine Abwägung der Interessen des Klägers als Besteller gegenüber der Beklagten als Werkunternehmer vorzunehmen, ausdrücklich als zutreffend bezeichnet wird, wendet sich die Beklagte gegen deren Ergebnis. Der Kläger als gewerblicher Vermieter der 18 von den Mängeln betroffenen Wohnungen, der bisher keine Gebrauchsnachteile zu tragen gehabt habe, im Fall einer Neuherstellung aber Mietzinseinbußen behaupte, würde als wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch niemals den Aufwand einer gänzlichen Neuherstellung tätigen, wenn er den Schaden selbst zu tragen hätte, sondern nur bei Bedarf eine Teilsanierung vornehmen und optische Mängel, die eine gewerbliche Nutzung nicht hinderten, in Kauf nehmen. Da die alten Fliesen die Hälfte ihrer Lebensdauer bereits überschritten hätten, komme dem geschädigten Kläger wegen der Möglichkeit der Nutzung des Werks bis zur Verbesserung durch die Neuherstellung ein unverhältnismäßiger Vorteil zu, der den Interessen der beklagten Schädigerin am Geldersatz und dem dem ABGB innewohnenden Grundsatz der Unzulässigkeit der Verkürzung über und unter die Hälfte widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig. Es gelingt ihr nämlich nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weil sie nicht auf der Basis des festgestellten Sachverhalts argumentiert. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Wenn der Beklagten offensichtlich vorschwebt, der Kläger könne als Vermieter weitere Ablösungen von Fliesen abwarten, um nur diese wieder anzubringen/zu ersetzen, übergeht sie zum einen den festgestellten Zustand der Wandverfliesung, der die - bereits realisierte - Gefahr großflächiger Ablösungen in sich birgt, die offenkundig mit der Gefahr der Verletzung von Personen (Mietern) verbunden ist, und zum anderen die Erhaltungspflichten des Vermieters (vgl § 1096 ABGB/§ 3 MRG), die den Kläger zur Beseitigung des gefährlichen Zustands sowohl vor einer Neuvermietung als auch während eines laufenden Mietvertrags verpflichten. Auch die für den Geschädigten bestehende Rechtslage und allenfalls daraus ableitbare Schadenersatz- und andere Ansprüche Dritter haben aber in die Interessenabwägung einzufließen. Zu bedenken ist weiters, dass sich die Mängel auf beinahe alle Wandverfliesungen erstrecken und die teilweise Beschädigung und Ablösung der Zweitverfliesung im Zuge der notwendigen Beseitigung der mangelhaften Erstverfliesung zu erwarten ist. Unter diesen Prämissen ist aber die Einschätzung der Vorinstanzen, ein wirtschaftlich vernünftig denkender Vermieter in der Lage des Klägers würde den Aufwand, der einer Neuherstellung mit einheitlicher Verfliesung entspricht, auch dann eingehen, wenn er den Schaden selbst zu tragen hätte, nicht zu beanstanden.

2. Es kann auch keine Rede davon sein, die Erstverfliesung hätte die Hälfte ihrer Lebensdauer (von 30 Jahren) bereits überschritten. Vielmehr beträgt die technische Haltbarkeit bei fachgerechter Verlegung weit mehr als 30 Jahre, während die Nutzungsdauer von Wandfliesen mit zumindestens 30 Jahren anzunehmen ist. Für die (erkennbare) Unterstellung der Beklagten, der Kläger hätte die Verfliesung schon nach 30 Jahren erneuert/erneuern müssen, bietet der festgestellte Sachverhalt somit keine Grundlage (vgl dazu 2 Ob 234/05h = RIS-Justiz RS0022849 [T6]). Im Gegenteil, gerade die gewerbliche Nutzung der Wohnung, der die Absicht, aus der Vermietung möglichst hohe Erträge zu erzielen, immanent ist, legt es nahe, der Kläger habe eine an der technischen Haltbarkeit orientierte Nutzungsdauer der Verfliesung geplant, diese also nicht schon in etwa 15 Jahren vornehmen wollen. Im Übrigen war der Kläger bald nach Übergabe des Werks und wiederholt mit Mängeln und der Notwendigkeit von Verbesserungsarbeiten konfrontiert, sodass keine ungestörte Nutzung ungeachtet der bestehenden Mängel gegeben war. Da schließlich die Häuser des Klägers durch die der Beklagten auferlegte Verbesserung keine Wertsteigerung erfahren werden, stellt auch die Verneinung eines dadurch bedingten unverhältnismäßigen Vorteils des Klägers im konkreten Einzelfall keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

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